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Das Deutschlandlied. Eine musikalische Hommage. Musik und Kunst im Deut­schen Bundestag

Ein Mann spielt das Instrument Vibraphon und eine Frau Bass. Im Hintergrund ist Statue eines Pferdes zu sehen.

(© DBT/Julia Nowak)

Musik und Kunst im Deutschen Bundestag

Die CD - Streaming unter www.bundestag.de/bv-jazz 

Anlässlich des 100. Jahrestages der Proklamation des „Liedes der Deutschen“ zur Nationalhymne durch Reichspräsident Friedrich Ebert im Jahre 1922 hat ein Jazz-Quintett sich der Nationalhymne angenommen und sie in freien Jazz-Interpretationen dem eigenen Stil anverwandelt. Die Musiker haben die Nationalhymne in ihr historisches Umfeld eingebettet und eine Folge von Kompositionen eingespielt, die von der „Kaiserhymne“ über das „Lied der Deutschen“ zur „Europahymne“ führen. Der Leiter des Quintetts, Oli Bott, spielt ein besonderes Instrument des Jazz, das Vibraphon. Er ergänzt das Repertoire um zwei Kompositionen zu herausragenden Kunstwerken in den Parlamentsbauten, zu Antony Gormleys „Steht und Fällt“ im Jakob-Kaiser-Haus sowie zur Skulptur „Werdendes“ auf der Stadt-Loggia des erweiterten Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses von Antony Cragg. So präsentiert diese CD die besondere Verbindung von Geschichte, Kunst und Politik im Deutschen Bundestag.

Im Beiheft wird sowohl die Entwicklungsgeschichte des Deutschlandliedes erläutert als auch die seiner Vorläufer und konkurrierender Melodien und Texte. Im Mittelpunkt steht der 11. August 1922, als Reichspräsident Friedrich Ebert anlässlich des Verfassungstages das Deutschlandlied zur Nationalhymne erklärte. In seiner Festansprache appellierte er: „Einigkeit und Recht und Freiheit! Dieser Dreiklang aus dem Liede des Dichters gab in Zeiten innerer Zersplitterung und Unterdrückung der Sehnsucht aller Deutschen Ausdruck; es soll auch jetzt unseren harten Weg zu einer besseren Zukunft begleiten.“ Kurz zuvor, am 24. Juni 1922, war Außenminister Walther Rathenau von rechtsradikalen Paramilitärs ermordet worden. Das Attentat auf Rathenau erschütterte die junge Republik, deren Vertreter den Zusammenhalt der Bürger durch gemeinsame, verbindende Symbole und Rituale, wie die Nationalhymne, stärken wollten.

So verbindet sich mit dem 100. Jahrestag der Erklärung des Deutschlandliedes zur Nationalhymne beides: die freudige Erinnerung an diese allen Deutschen und Demokraten gemeinsame Hymne als auch die schmerzhafte Erinnerung an immer noch aktuelle Gefahren für die Demokratie durch politischen Extremismus.

Die Kompositionen

Zu Beginn folgen Oli Bott am Vibraphon und Anna Carewe am Cello musikalisch dem Wandel von der „Kaiserhymne“ zum „Lied der Deutschen“ bis in die Gegenwart. So ringen in der Komposition Motive der „Kaiserhymne“, die gleichzeitig als britische Nationalhymne oder norwegische Königshymne über Deutschland hinausweist, mit denen des Deutschlandliedes. Mal übernimmt das Vibraphon, mal das Cello die jeweilige Melodieführung. Den expressiven, dynamischen Partien, in denen sich die Auseinandersetzung um Einheit und Freiheit spiegelt, folgen ruhigere, kontemplative Momente, die Gelegenheit bieten, über den zurückgelegten Weg und auch über Leid und Opfer auf dieser Wegstrecke nachzusinnen. Die Komposition klingt in der Melodie des Deutschlandliedes aus, ruhig, besonnen und innig: Ausdruck freudigen Stolzes über die gemeinsamen Errungenschaften, aber zugleich getragen von Nachdenklichkeit und Besinnlichkeit.

Zusammen mit Markus Stockhausen (Trompete), Eric Schaefer (Schlagzeug) und Oliver Potratz (Bass) weitet sich sodann das Spektrum der Motive: Atmosphärische Klänge zur ersten deutschen Demokratie, der Weimarer Republik, eine Hommage an Joseph Haydn sowie ein verhaltenes, an ein Requiem gemahnendes Stück zur Erinnerung an den ermordeten Walther Rathenau spiegeln als musikalische Erzählung die wechselvollen, tragischen und freudigen Ereignisse deutscher Geschichte. Auch leidvolle Motive, wie Melodien aus dem Theresienstädter KZ, in das die bedeutendsten jüdischen Avantgardekomponisten verschleppt und später ermordet wurden, klingen an.

Die Melodien tragen über den Zweiten Weltkrieg hinaus bis in die Gegenwart und zum Fall der Mauer. Auch konkurrierende Melodien, wie die DDR-Hymne „Auferstanden aus Ruinen“ oder Bertolt Brechts „Kinderhymne“, beide von Hanns Eisler vertont, sind zu hören. Beethovens Chorgesang „An die Freude“ zum Text Friedrich Schillers weist schließlich den Weg nach Europa, ehe zum Schluss noch einmal das Deutschlandlied in der Fassung Joseph Haydns ernst und getragen erklingt.

Andreas Kaernbach

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