Parlament

Eduard von Simson - Präsident in sieben Parlamenten

(DBT/Julia Nowak)

Zur Kunstsammlung des Deutschen Bundestages gehört eine repräsentative Marmorbüste Eduard von Simsons. Otto von Simson, sein Urenkel und ein bedeutender Kunsthistoriker, hatte sie 1967 Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier für den Deutschen Bundestag gestiftet. Die Bedeutung des staatspolitischen Wirkens von Eduard von Simson fand durch diese Geste eine angemessene Würdigung, hatten die Nationalsozialisten sich doch bemüht, die Erinnerung an Simson aufgrund seiner jüdischen Abstammung zu tilgen.

 Die Aktualität Eduard von Simsons wurde durch ein Projekt des Kunstbeirates des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 2017 herausgestellt: Der Zeichner Simon Schwartz erhielt den Auftrag, ein Blatt mit der Biographie Eduard von Simsons für einen Graphic Novel-Band zu zeichnen. So treffen in der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages die repräsentative Bildniskultur des 19. Jahrhunderts und aktuelle Comic-Kunst aufeinander.

Beide Arbeiten führen die staatspolitische Bedeutung Eduard von Simsons vor Augen: Wenige Persönlichkeiten verkörpern so wie er das jahrzehntelange Ringen Deutschlands um Parlament und Nation. Geboren in Königsberg als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, absolvierte er rasch eine steile Karriere als Jurist, die ihn im Jahre 1848 in die Politik führte, und zwar als Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Er war wesentlich an der Ausarbeitung der Frankfurter Reichsverfassung beteiligt, wurde bereits 1848 zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt und leitete die Kaiserdeputation von 1849 zu König Friedrich Wilhelm IV. Bis zur Reichsgründung von 1871 gab es kein Parlament von Bedeutung, sei es das Erfurter Unionsparlament, das Zollparlament oder der Norddeutsche Reichstag, dem er nicht als Präsident vorgestanden hätte. Dass es erneut Eduard von Simson war, der die Kaiserdeputation leitete, die am 18. Dezember 1870 in Versailles bei König Wilhelm I. eintraf, war von hoher symbolischer Bedeutung. Aber auch politisch war sein Wirken im Norddeutschen Reichstag grundlegend: Sein Einsatz für die Stärkung der Rechte des Parlamentes und seine Vermittlung bei der Ratifizierung des Beitritts der süddeutschen Königreiche und Großherzogtümer schufen entscheidende Voraussetzungen für die Gründung des Kaiserreiches und die Konstituierung des ersten deutschen Reichstags.

Bei dessen Eröffnung am 21. März 1871 im Weißen Saal des Berliner Schlosses stand er den am 3. März 1871 gewählten Abgeordneten vor. Die Abgeordneten wählten Simson am 23. März 1871 mit überwältigender Mehrheit (276 von 284 abgegebenen Stimmen) zum Präsidenten des deutschen Reichstags.

Obwohl er bereits 1874 aus gesundheitlichen Gründen das Amt des Reichstagspräsidenten niederlegte, wurde er von Bismarck gebeten, das neu gegründete Reichsgericht in Leipzig zu leiten, eine der wichtigsten Institutionen für die Gewinnung der Rechtseinheitlichkeit in Deutschland. Zuverlässig und souverän übernahm er als einer der besten Juristen seiner Zeit auch diese Herausforderung.

Der Deutsche Bundestag und der Bundesgerichtshof in Karlsruhe dürfen sich in ihrem Wirken auf Eduard von Simson als einen der großen deutschen Staatsmänner des 19. Jahrhunderts berufen.


Text: Dr. Andreas Kaernbach, Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages

Marginalspalte