Der Bundeswehreinsatz im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) wird ausgeweitet. In namentlicher Abstimmung votierten am Donnerstag, 10. November 2016, 445 Abgeordnete für einen entsprechenden Antrag der Bundesregierung (18/9960), 139 Abgeordnete stimmten dagegen, zwei enthielten sich. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (18/10244) zugrunde. Zudem lag ein Bericht des Haushaltsausschusses dazu vor (18/10275).
AWACS-Flugzeuge im Luftraum über Syrien
Bundeswehrsoldaten werden somit künftig auch in AWACS-Aufklärungsflugzeugen der Nato den Luftraum in Syrien überwachen. Vom Einsatz dieser Aufklärungsflugzeuge verspricht sich die Bundesregierung „eine Verdichtung des Lagebildes unter Weitergabe der dabei gewonnenen Erkenntnisse in Echtzeit an die internationale Anti-IS-Koalition“.
Sie beruft sich dabei auf einen entsprechenden Beschluss des Nato-Gipfels vom Juli dieses Jahres, die internationale Koalition mit AWACS-Flügen vom türkischen und internationalen Luftraum aus zu unterstützen. Vorgesehen ist laut Antrag, wie bisher bis zu 1.200 Soldaten der Bundeswehr zur Unterstützung „Frankreichs, Iraks und der internationalen Koalition in ihrem Kampf gegen IS“ zu entsenden. Sie sollen weiterhin Aufgaben der Luftbetankung, der Aufklärung („insbesondere luft-, raum- und seegestützt“), des „seegehenden Schutzes“ sowie als Teil des Stabspersonals übernehmen.
SPD: Terrororganisation in der Defensive
Niels Annen (SPD) betonte in der Debatte, dass dieses Mandat „kein Einsatz für die Türkei und erst recht nicht für die türkische Regierung“ sei. Es diene einzig der Bekämpfung der Terrormiliz IS – und „damit auch unserer eigenen Sicherheit“. Die Terrororganisation sei durch das militärische Vorgehen der internationalen Koalition in der Defensive.
Nun müsse es darum gehen, dass bei der Rückeroberung der Stadt Mossul durch „irakische Kräfte“ nicht alte Fehler wiederholt würden. „Die Befreiung Mossuls darf nicht dazu führen, dass sich die Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten weiter zuspitzen“, sagte Annen. Auf dem Spiel stehe sonst die Fortexistenz des Iraks als souveräner Staat.
Linke: Nicht verfassungs- und völkerrechtskonform
Dr. Alexander S. Neu (Die Linke) nannte den Einsatz „nicht verfassungs- und völkerrechtskonform“ und sprach von einer „Realsatire“ rund um den Nato-Luftwaffenstützpunkt im türkischen Incirlik: Bundestagsabgeordneten seien durch türkische Behörden am Besuch der dort stationierten Bundeswehrsoldaten im Rahmen des Anti-IS-Mandats gehindert worden.
Bis heute könne der Bundestag seine Kontrollfunktion nicht kontinuierlich wahrnehmen, argumentierte Neu. „Erdoğan führt die Bundesrepublik Deutschland am Nasenring durch die Arena“, Bundeskanzlerin Angela Merkel zeige sich darüber aber lediglich „besorgt“. Das Besuchsrecht von Abgeordneten sei Voraussetzung „und keine Verhandlungsmasse“, betonte Neu.
CDU/CSU: „Daesh“ weder islamisch noch ein Staat
Gisela Manderla (CDU/CSU) warf ihrem Vorredner vor, das „schwerwiegende Thema“ für die Parteipolitik zu instrumentalisieren. Die „Daesh“ genannte Terrororganisation „IS“ sei weder islamisch noch ein Staat – sie wolle mit „kaum für möglich gehaltener Brutalität“ ein Regime nach dem Vorbild das Kalifats im Vorderen Orient errichten und sei damit klar eine Gefahr für den Weltfrieden.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen habe diese Bedrohung ausdrücklich betont – und die Staaten zu Gegenmaßnahmen aufgerufen. „Der internationalen Koalition gegen Daesh gehören mehr als 60 Staaten an“, sagte Manderla. „Ich glaube nicht, dass all diese Staaten in ihre Bewertung daneben liegen.“
Grüne: Gründe für unser Nein haben sich verstärkt
Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) argumentierte, dass man den IS militärisch nicht besiegen könne – wenngleich man ihn militärisch aufhalten könne und auch dürfe. Allerdings leiste das Mandat dazu keinen Beitrag – und „die Gründe für unser Nein haben sich noch verstärkt“. Die Tragik liege darin, dass sich die Kräfte innerhalb der Anti-IS-Koalition mittlerweile gegenseitig bekämpfen würden.
Die Türkei bombardiere „täglich die Standorte von kurdischen Milizen im Nordirak“, die ihrerseits von westlichen Staaten unterstützt würden. „Was geschieht mit unseren Aufklärungsdaten?“ fragte Nouripour. Es lasse sich nicht ausschließen, dass die türkische Seite diese von der Bundeswehr erhobenen Daten im Kampf gegen kurdische Kräfte nutze.
Entschließungsanträge der Linken abgelehnt
Gegen das Votum der Antragsteller lehnte der Bundestag zwei Entschließungsantrag der Linken (18/10293, 18/10294) ab. Im ersten wurde die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, alle in der Türkei stationierten Soldaten der Bundeswehr sofort abzuziehen und den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte in Syrien und im Irak nicht zu verlängern.
Im zweiten Entschließungsantrag wurde unter anderem verlangt, dass die Bundesregierung auf die USA und Russland einwirken soll, um eine schnelle Waffenruhe ohne Vorbedingungen zu erreichen. Auch sollte sie darauf dringen, dass mit der syrischen Regierung und weiteren bewaffneten Akteuren Vereinbarungen über Korridore und Hifskonvois getroffen werden, um die Not der syrischen Bevölkerung mit Hilfsgütern zu lindern. (ahe/10.11.2016)