Der Bundestag hat am Mittwoch, 21. Juni 2017, der Verlegung des Bundeswehrkontingents vom türkischen Incirlik in das jordanische Al Azraq zugestimmt. In namentlicher Abstimmung nahm er einen Antrag von CDU/CSU und SPD (18/12779) mit 458 Ja-Stimmen bei 85 Gegenstimmen und 23 Enthaltungen an. Den gemeinsamen Antrag von Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen (18/12372), in dem der sofortige Abzug der Bundeswehr aus Incirlik gefordert wird, lehnte er auf Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses (18/12817) mit 457 Stimmen bei 109 Gegenstimmen ab.
„Bundeswehr ist Parlamentsarmee“
In ihrem Antrag bedauern die Koalitionsfraktionen es, dass die Voraussetzung zur weiteren Stationierung der Bundeswehr in Incirlik nicht gegeben sei. „Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, die der Kontrolle des Bundestages unterliegt“, schreiben sie. Zur Erfüllung seiner verfassungsgemäßen Aufgaben müsse der Besuch von Mitgliedern des Bundestages bei im Auslandseinsatz stationierten Soldaten und grundsätzlich möglich sein. Dieses Besuchsrecht hatte die türkische Regierung jedoch verweigert, nachdem Deutschland türkischen Soldaten Asyl gewehrt hatte.
SPD: Einmaliger Vorgang
Dass die Bundeswehr aus einem laufenden Einsatz Soldaten aus einem Nato-Mitgliedsland abziehen müsse, bezeichnete der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niels Annen, als einen „einmaligen Vorgang“. Die Beziehungen zur Türkei seien damit auf ihrem vorläufigen Tiefpunkt angekommen. Dennoch sei die Abzugsentscheidung „richtig und überfällig“. Einen Grund zur Genugtuung gebe es jedoch nicht, dafür seien die Beziehungen zur Türkei zu wichtig.
Präsident Recep Tayyip Erdoğan warf der SPD-Abgeordnete vor, mit dem Thema vor dem Verfassungsreferendum im April innenpolitisch polarisiert zu haben. „Das hat mit staatsmännischem Verhalten nichts zu tun.“ Zugleich dankte Annen Jordanien, das sich als stabiler und zuverlässiger Partner erwiesen habe.
Besuchsrecht nicht verhandelbar
Henning Otte (CDU/CSU) sagte, „das Besuchsrecht ist für uns nicht verhandelbar“. Die Bundeswehr werde am neuen Stützpunkt schon im Oktober wieder einsatzfähig sein.
Dass dies so schnell gehe, sei der Tatkraft der Soldaten zu verdanken, und Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU), die vorbeugend neue Standorte habe prüfen lassen.
Grüne: Zu späte Reaktion
Es sei gut, dass die Bundesregierung endlich reagiere, sagte der Grünen-Parteivorsitzende Cem Özdemir.
Schon vor einem Jahr habe die Türkei Abgeordneten das Besuchsrecht in Incirlik verweigert, aber damals sei die Koalition noch nicht imstande gewesen, „die nötigen Konsequenzen zu ziehen“. Das habe Erdoğan ausgenutzt, um seine Agenda weiterzuverfolgen.
Linke werfen Bundesregierung zwiespältige Rolle vor
Dr. Gregor Gysi (Die Linke) nannte es eine „Frechheit“, dass die Türkei die Abgeordneten nicht ins Land lasse. Zugleich warf er die Bundesregierung vor, selbst „Kriegspartei“ zu sein. Die Bilder, die deutsche Aufklärungstornados über Syrien machten, würden sowohl von den USA im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ als auch von der Türkei genutzt, die im Nordirak gegen die Kurden kämpfe.
Damit würden die Kurden geschwächt, die ein wichtiger Partner im Kampf gegen die Terrormiliz seien. „Merken Sie nicht, dass diese zwiespältige Rolle aufhören muss?“, fragte Gysi. Er urteilte, dass die Bundeswehr in der gesamten Region nichts zu suchen habe. (joh/21.06.2017)