Der Bundestag hat am Donnerstag, 24. Juni 2021, den Entwurf der Bundesregierung für ein drittes Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (19/28182) in namentlicher Abstimmung mit 355 Ja-Stimmen bei 276 Gegenstimmen und vier Enthaltungen angenommen. In zweiter Beratung hatten die Koalitionsfraktionen für, die Oppositionsfraktionen gegen den Entwurf gestimmt. Er basiert auf dem Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung (19/13031, 19/13637 Nummer 3).
Zur Abstimmung über die vom Umweltausschuss geänderte Fassung (19/30713) lag ein Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit (19/30721) vor. Sechs Anträge aus den Reihen der Opposition fanden im Anschluss an die Aussprache keine Mehrheit.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Schutz von Insekten ist das Ziel des nun beschlossenen Regierungsentwurfs (19/28182). Er basiert auf dem im September 2019 vom Bundeskabinett verabschiedeten Aktionsprogramm Insektenschutz, mit dem es sich die Bundesregierung zur Aufgabe gemacht hat, das Insektensterben umfassend zu bekämpfen. Insekten seien integraler Bestandteil der biologischen Vielfalt und spielten in Ökosystemen eine wichtige Rolle, schreibt die Bundesregierung zur Begründung.
Allerdings seien sowohl die Gesamtmasse der Insekten als auch die Vielfalt der Arten in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen, so die Regierung. Um die Lebensbedingungen der Insekten zu verbessern, sei die zügige Umsetzung konkreter Maßnahmen erforderlich. Der Gesetzentwurf zielt dabei unter anderem auf die Eindämmung von Lichtverschmutzung sowie die Erweiterung der Liste gesetzlich geschützter Biotope.
Entschließung angenommen
Mit den Stimmen der Koalition und der Linksfraktion hat der Bundestag zudem eine Entschließung zu dem Gesetzentwurf angenommen, wonach die Bundesregierung aufgefordert wird, den Insektenschutz bei Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen stärker zu berücksichtigen – etwa mit Blick auf den Bau geplanter Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Leitungen. AfD und FDP stimmten dagegen, die Grünen enthielten sich.
Auch soll die „Förderung für die Entwicklung robuster Sorten und die Implementierung robuster Anbausysteme“ erhöht werden, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft zu reduzieren, heißt es. In Zusammenarbeit mit den Ländern soll die Regierung außerdem Anreize für das Anlegen, die Pflege und den Erhalt von Streuobstwiesen und „anderen besonders wertvollen Biotopen“ schaffen. Verbessert werden sollen in diesem Zuge auch die Möglichkeiten zur Vermarktung von Produkten aus solchen Biotopen.
Aktionsprogramm der Bundesregierung
Das Aktionsprogramm Insektenschutz „Gemeinsam wirksam gegen das Insektensterben“ (19/13031, 19/13637 Nr. 3) soll eine Trendumkehr einleiten und den zentralen Ursachen des Insektensterbens entgegenwirken, schreibt die Bundesregierung. Sowohl die Gesamtmenge der Insekten als auch die Vielfalt der Insektenarten sind in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen. Das Aktionsprogramm enthält Erläuterungen zu den Zielen und den Bezügen zu anderen Strategien. Weiter definiert es konkrete Maßnahmen des Bundes in neun Handlungsbereichen. Um das Insektensterben zu stoppen, sei darüber hinaus Unterstützung auf Länder- und kommunaler Ebene sowie aus der Gesellschaft wichtig, schreibt die Regierung.
Bestandteil der Maßnahmen sollen ein Insektenschutzgesetz und parallele Rechtsverordnungen sein, durch die Insektenlebensräume und Strukturvielfalt gefördert und Schutzgebiete gestärkt werden sollen. 100 Millionen Euro sollen jährlich für die Förderung von Insektenschutz und den Ausbau der Insektenforschung bereitgestellt werden. Auch gehe es darum, „klare Vorgaben für eine umwelt- und naturverträgliche Anwendung von Pestiziden“ und eine deutliche Reduzierung des Eintrags von Pestiziden und anderen Schadstoffen in Böden und Gewässer zu erreichen, schreibt die Bundesregierung.
Oppositionsanträge abgelehnt
Im Anschluss an die Aussprache abgelehnt wurden zwei Anträge der FDP mit den Titeln „Ergebnisorientierten Insektenschutz mit Landwirten umsetzen“ (19/26779) und „Zulassungsprozess von Pflanzenschutzmitteln rechtssicher und transparent ausgestalten“ (19/18603). Beide stießen bei CDU/CSU, SPD, der Linken und Grünen auf Gegenwind, während die AfD mit der FDP dafür stimmte. Zur Abstimmung lagen Beschlussempfehlungen des Umweltausschuss vor (19/30713, 19/26818 Buchstabe a).
Mit allen übrigen Stimmen abgewiesen wurde auch ein Antrag der AfD mit dem Titel „Wissenschaftlich fundierter Insektenschutz statt hektischem Aktionismus – Deutsche Landwirte vor unverhältnismäßigen neuen Belastungen schützen“ (19/28457). Auch hierzu lag eine Beschlussempfehlung des Umweltausschusses vor (19/30713).
Am Votum der Koalition, der AfD und der FDP scheiterte der Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Pflanzenschutz konsequent auf Schutz von biologischer Vielfalt und Imkerei ausrichten“ (19/17767). Die Grünen stimmten für die Vorlage. Ein gemeinsamer Antrag der Linken und Grünen „Gefährliche Pestizidexporte stoppen – Internationale Abkommen zum Schutz vor Pestizidfolgen stärken“ (19/23988) scheiterte an den Stimmen der übrigen Fraktionen. Zum ersten Antrag lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (19/28081 Buchstabe b), zum zweiten eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (19/27438) vor.
Mit den Stimmen der Koalition, der AfD und der FDP wurde schließlich der Antrag der Grünen mit dem Titel „Naturschutz ist Klimaschutz – Mit natürlichem Klimaschutz das Arten-Aussterben und die Klimakrise bekämpfen“ (19/29752) abgelehnt. Die Linke stimmte mit den Grünen dafür. Hierzu lag eine Beschlussvorlage des Umweltausschusses vor (19/30713).
Abgelehnter Antrag der AfD
Viele der Maßnahmen in dem im September 2019 vom Bundeskabinett verabschiedeten Aktionsprogramm Insektenschutz belasteten die landwirtschaftlichen Betriebe unverhältnismäßig stark und gefährdeten die bestmögliche Versorgung der Bevölkerung mit Ernährungsgütern, schrieb die AfD-Fraktion in ihrem abgelehnten Antrag (19/28457).
Sie forderte die Bundesregierung deshalb auf, die Maßnahmen aus dem Aktionsprogramm Insektenschutz nicht umzusetzen, solange keine „validen wissenschaftlichen Fakten“ zu den Ursachen des Insektenrückgangs vorlägen. Außerdem sei die Forschung zu den Ursachen des Insektenrückgangs in Deutschland zu intensivieren, wobei die nicht landwirtschaftlichen Einflussfaktoren wie Windenergieanlagen und Lichtverschmutzung besonders berücksichtigt werden sollten, hieß es.
Erster abgelehnter Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion forderte in ihrem ersten abgelehnten Antrag (19/28457) die Bundesregierung auf, eine wissenschaftliche Grundlage für einen erfolgreichen Insektenschutz zu schaffen. Wo Wissen über Ausgangszustand und Wirkungsmechanismen fehle, müsse geforscht werden, damit die Insektenschutzpolitik kein Schuss ins Blaue werde, schrieben die Liberalen.
Dabei sei zu entscheiden, ob für den Naturschutz eine große Insektenbiomasse, eine große biologische Vielfalt oder ein Kompromiss aus beidem am besten sei. Außerdem sollten nach dem Willen der Abgeordneten alle Maßnahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse und einer Folgenabschätzung unterzogen werden. Dabei sollten erfolgreiche Kooperationen zwischen Landwirtschaft und Naturschutz berücksichtigt werden, um das Miteinander nicht aufs Spiel zu setzen.
Zweiter abgelehnter Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion forderte in ihrem zweiten Antrag (19/18603) einen rechtssicheren und transparenten Zulassungsprozess von Pflanzenschutzmitteln. Sie forderte die Bundesregierung auf, auf europäischer Ebene auf eine Harmonisierung der Wirkstoffgenehmigungen in den Mitgliedstaaten hinzuwirken.
Künftig sollten sämtliche Produktzulassungen für die Dauer der Wirkstoffgenehmigungen in allen Mitgliedstaaten der EU gelten. Nationale Ausnahmen und Verbote, die zu weiteren Wettbewerbsungleichheiten führen, seien zu verhindern, schrieben die Liberalen.
Erster abgelehnter Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke hatte ihren ersten Antrag (19/17767) mit dem Ziel vorgelegt, Pflanzenschutz auf den Schutz von biologischer Vielfalt und Imkerei auszurichten. Die Linke wollte erreichen, dass im Genehmigungsverfahren für Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe Versuche und Studien zur Bewertung von Wirkstoffen, die vom Antragsteller vorzulegen sind, nicht von diesem selbst in Auftrag gegeben und bezahlt werden, sondern dass diese Versuche und Studien von einer unabhängigen Stelle in Auftrag gegeben, transparent gelistet und die Ergebnisse nach Abschluss der Versuche und Studien öffentlich zugänglich gemacht werden.
Diese Versuche und Studien sollten aus einem Fonds finanziert werden, in den die Antragsteller entsprechend dem Prüfumfang einzahlen. Die Fraktion wollte so sicherstellen, dass weder Institutionen der Risikobewertung noch die beteiligten Wissenschaftler Interessenkonflikten unterliegen.
Abgelehnter Antrag der Linken und Grünen
Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen forderten in ihrem gemeinsamen Antrag (19/23988) einen Stopp gefährlicher Pestizidexporte. So sollte die Bundesregierung unter anderem eine Verordnung auf Grundlage des Pflanzenschutzgesetzes erlassen, die den Export von Pestiziden untersagt, die in der EU oder in Deutschland aufgrund von Umwelt- und Gesundheitsrisiken über keine Zulassung verfügen.
Für bereits produzierte Wirkstoffe sollte eine Übergangsfrist von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung gelten.
Abgelehnter Antrag der Grünen
Einen umfangreichen Forderungskatalog für Natur- und Klimaschutz legte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem abgelehnten Antrag (19/29752) vor. Die Abgeordneten forderten die Bundesregierung auf, zur Erreichung der Biodiversitäts- und Klimaschutzziele ein umfassendes Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ zu initiieren, für das jährlich zehn Prozent der Gelder aus dem Energie- und Klimafonds zur Verfügung gestellt werden sollten.
Im Rahmen dieses Aktionsprogramms sollte die Bundesregierung schnellstmöglich das Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie von 2011 umsetzen, 15 Prozent der degradierten Ökosysteme wiederherzustellen. (chb/hau/eis/sas/ste/24.06.2021)