Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben am Donnerstag, 17. März 2022, einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Für eine sichere, bezahlbare und souveräne Energieversorgung“ (20/1016) abgelehnt. In namentlicher Abstimmung wurde die Vorlage mit der Mehrheit von 466 Stimmen gegen 174 Stimmen bei einer Enthaltung zurückgewiesen.
CDU/CSU: Wir müssen putinfrei werden
„Wir müssen putinfrei werden“ in der Energieversorgung, „wir haben uns in eine zu große Abhängigkeit begeben“. Das sagte der Unionsabgeordnete Jens Spahn (CDU/CSU). Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine markiere nicht nur eine außen- und sicherheitspolitische Zeitenwende, heißt es darin, sondern bedeute auch eine große energiepolitische Herausforderung: „Sicherheit sowie Souveränität in der Versorgung, Klimaschutz und Kosteneindämmung bei extrem gestiegenen Energiepreisen.“ In dieser Situation müsse die Regierung schnell handeln.
Der Forderungskatalog der Unionsabgeordneten umfasse dabei drei Komponenten, sagte Spahn: Die Zukunft der Gasversorgung, ein Sicherheitskonzept für die Stromversorgung und Maßnahmen zur Abfederung der Kostenexplosion bei den Energiepreisen. Konkret forderte Spahn einen schlüssigen Plan der Bundesregierung, was man tun könne, wenn Russland, alle Lieferungen einstelle; wie ein Ende von Gasimporten über die Pipeline Nordstream-1 ermöglicht werden und wie man sich langfristig von Russlands Lieferungen unabhängig machen könne.
Mit Blick auf die Stromversorgung macht sich die Union stark für eine ergebnisoffene und und ideologiefreie Prüfung längerer Laufzeiten von Atom- und von Kohlekraftwerken stark. Zur Entlastung der Bürger und Unternehmen werden eine Reihe von Steuersenkungen auf Energieprodukte vorgeschlagen. Die Entlastung müsse schnell kommen, unbürokratisch umgesetzt werden und die Steuersenkung bei Kraftstoffen mindestens 40 Cent betragen. „Tun Sie was“ rief Spahn der Bundesregierung zu.
SPD betont Bedeutung erneuerbarer Energien
Nina Scheer (SPD) strich heraus, dass aus Sicht der Ampelkoalition die Zukunft nicht der Atom- oder Kohlenergie gehöre, sondern die Erneuerbaren den Weg wiesen in eine günstigere, sicherere und von Russland wie auch von den fossilen Energieträgern unabhängige Zukunft wiesen. „Sie haben kein einziges Mal das Wort erneuerbare Energien in den Mund genommen“, warf sie Spahn vor.
Zudem gab man aus der SPD-Fraktion zu bedenken, dass seit ein paar Tagen schon der Rohölpreis sinke, die Benzinpreise aber weiter stiegen, offenbar, weil die Mineralölkonzerne sie hochhielten – in dieser Situation, wie im Unionsantrag gefordert, den Staat einspringen zu lassen, sei absurd.
AfD kritisiert „jede Menge Klimagedöns“ im Unionsantrag
Karsten Hilse (AfD) warf der Union vor, in ihrer Regierungszeit eine Politik verfolgt zu haben, die darauf hinauslief, die Energien zu verteuern, um den Verbrauch zu verringern, und das alles auf der Basis der These eines menschengemachten Klimawandels.
Die AfD-Fraktion schließe sich der Forderung nach längeren Laufzeiten für Atom- und Kohlekraftwerke an, aber nicht nur als vorübergehende, sondern als mögliche Dauerlösung – dem vorgelegten Antrag werde man aber nicht zustimmen, weil er „jede Menge Klimagedöns“ enthalte.
Grüne: Unionsgeführte Regierung hätte 16 Jahre Zeit gehabt
Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen) hielt dem früheren Bundesgesundheitsminister Spahn vor, die Vorgängerregierung habe 16 Jahre, genauer: 5168 Tage Zeit gehabt, um Deutschland auf den Weg der Energiesicherheit und –Souveränität zu bringen: „Das haben Sie gründlich versemmelt“.
Hohe Preise und starke Abhängigkeiten seien das Ergebnis der Politik der vorigen Koalition, die den Ausbau der Windenergie blockiert und die Photovoltaik-Industrie aus dem Land getrieben habe.
Linke: Minister Habeck nutzt Spielräume nicht
Auch Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) wunderte sich, dass die Union nach 16 Regierungsjahren, in denen sie den Ausbau erneuerbarer Energien ausgebremst und blockiert habe, jetzt einen solchen Forderungskatakog vorlege ohne ein Wort der Selbstkritik.
Dem amtierenden Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) warf sie vor, bei der Entlastung von Bürgern und Bürgerinnen zu wenig von Spielräumen Gebrauch zu machen, die das EU-Recht durchaus eröffne, wie das Abschöpfen übergroßer Unternehmensgewinne oder die Festlegung eines Strompreises in Krisensituationen.
FDP: Energiepolitik muss Friedenspolitik sein
Michael Kruse (FDP) stellte für die Ampelkoalition fest, „unsere Wirtschaftspolitik muss in diesen Zeiten Freiheitspolitik sein; unsere Energiepolitik muss Friedenspolitik sein.“ Erneuerbare Energien seien Freiheitsenergien im Sinne eine größeren Unabhängigkeit von zum Beispiel Russland.
Kruse verteidigte Minister Habeck und sein Haus: Es nötige ihm Respekt ab, wie der als grüner Minister hergegangen sei, mit einem Tabu seiner Partei gebrochen und ergebnisoffen habe prüfen lassen, ob längere Laufzeiten von Atomkraftwerken in der aktuellen Krise hilfreich sein könnten.
Antrag der Unionsfraktion
Die aktuelle Situation stellt Deutschland bei der Energieversorgung aus Sicht der Unionsfraktion vor mehrere Herausforderung: Sicherheit sowie Souveränität in der Versorgung, Klimaschutz und Kosteneindämmung bei extrem gestiegenen Energiepreisen. Hier müsse die Regierung jetzt handeln. Für die Energieversorgung brauche es einen klaren Fahrplan und zur Entlastung benötigen Bürgerinnen, Bürger und Betriebe Sofort-Maßnahmen. Um dem aktuellen Preisanstieg entgegenzuwirken, müsse der Steueranteil bei Kraftstoffen um etwa 40 Cent sinken.
Die Unionsfraktion fordert die Regierung auf, für die Zukunft eine Gasversorgung sicherzustellen, die nicht von Gasimporten aus Russland abhängig ist und Souveränität gewährleistet - etwa durch Abstimmung mit den europäischen Partnern und Energieversorgern, durch den Aufbau neuer Lieferbeziehungen und Partnerschaften sowie durch vereinfachte Genehmigungsverfahren für LNG-Terminals. Kurzfristig solle die Bundesregierung ein nationales Sicherheitskonzept für die gesicherte Stromversorgung vorlegen. Dazu sollte die Prüfung des Weiterbetriebs von Kernkraft- und Kohlekraftwerken ebenso gehören wie die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit der EU bei Technologien zur Abscheidung, Nutzung und unterirdischen Speicherung von CO2. Außerdem solle die Bundesregierung dauerhafte als auch vorübergehende Maßnahmen ergreifen, um die Kostenexplosion bei den Energiepreisen abzufedern. Die Abgeordneten nennen hier unter anderem die Senkung von Strom-, Energie- und Umsatzsteuern auf Energieerzeugnisse, die Erhöhung des Heizkostenzuschusses und die Prüfung der Einführung eines Industriestrompreises. (mis/eis/irs/17.03.2022)