Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben am Donnerstag, 7. Juli 2022, mehrere Gesetzesvorlagen des sogenannten Osterpakets zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes verabschiedet.
In namentlichen Abstimmungen votierten die Abgeordneten mit 379 Ja-Stimmen und 281 Nein-Stimmen für einen Gesetzentwurf zum beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien (20/1630, 20/1979, 20/2137 Nr. 7). Mit 564 Ja-Stimmen, 101 Nein-Stimmen und einer Enthaltung wurde das Windenergie-auf-See-Gesetz (20/1634, 20/1973, 20/2137) beschlossen. Die Abgeordneten haben darüber hinaus mit 379 Stimmen gegen 254 Stimmen bei 31 Enthaltungen der Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (20/2355) zugestimmt und mit 383 Ja-Stimmen bei 287 Nein-Stimmen die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (20/2354) verabschiedet.
Initiativen der Opposition abgelehnt
Hingegen mit 482 Stimmen gegen 187 Stimmen wurde ein von der Union vorgelegter Antrag (20/2345) in namentlicher Abstimmung abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurden zwei weitere Anträge der AfD (20/1344, 20/35) mit der breiten Mehrheit der übrigen Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke gegen die Antragsteller. Zum ersten der beiden AfD-Anträge lag ein Bericht des Umweltausschusses (20/2641) vor.
Außerdem keine Mehrheit gegen das Votum der übrigen Fraktionen fanden drei Entschließungsanträge der AfD-Fraktion (20/26601, 20/2662, 20/266) zum Gesetzentwurf zum Ausbau von Windenergieanlagen an Land, zum Windenergie auf-See-Gesetz und zum beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien sowie ein Entschließungsantrag der CDU/CSU (20/2659) zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Den Abstimmungen lagen mehrere Beschlussempfehlungen aus den Ausschüssen (20/2580, 20/2583, 20/2584, 20/2593, 20/2595) sowie Berichte (20/2642, 20/2643, 20/2645, 20/2654, 20/2655, 20/2656, 20/2657, 20/2658) zugrunde.
Minister nennt „Osterpaket“ notwendig und dringlich
In seinem Eingangsstatement stellte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) fest, die schiere Zahl und der Umfang der Gesetze, die zur Abstimmung standen, zeige, „was Phase ist“: Dies seien Zeiten, in denen Energie und Energiesicherung Politikfelder von höchster Bedeutung seien. Der Minister nannte die Gesetze zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien notwendig und dringlich.
Er bedankte sich für die konstruktive Zusammenarbeit mit großen Teilen der Opposition im Zuge des parlamentarischen Verfahren – verwahrte sich aber gegen Kritik aus der Union, er betreibe Schönwetterpolitik: „Hätten wir diese Pakete vor zehn Jahren durchgezogen, würden wie heute ganz anders dastehen“, sagte Habeck.
Union spricht von „Paket der verpassten Chancen“
Andreas Jung (CDU/CSU) nannte das Bündel an Gesetzen ein „Paket der verpassten Chancen“. Noch nie habe es bei allen Beteiligten eine so große Chance auf eine Einigung gegeben, noch nie habe es eine so große Chance gegeben, bei den erneuerbaren Energien einen so großen Konsens über Parteien und Bundesländer hinweg zu erreichen.
Doch es habe keinen einzigen Versuch von Seiten des Ministers gegeben, diese Bereitschaft abzurufen. „Durchregieren statt Partnerschaft“ – „es ist Ihr formales Recht“, sagte Jung in Richtung Habeck. „Mehrheit ist Mehrheit.“ Aber breitere Mehrheiten hätten einen Mehrwert gehabt – sie hätten mehr Akzeptanz gebracht, „die wir doch brauchen“, sagte Jung.
SPD will Verfahren weiter beschleunigen
Der SPD-Abgeordnete Dr. Matthias Miersch feierte „das größte Gesetzespaket seit Verabschiedung des EEG im Jahr 2000“ und erinnerte die Union daran, dass sie in Sachen Energiepolitik 16 Regierungsjahre lang auf der Bremse gestanden habe. Dies sei der Tag, da erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik der Gesetzgeber feststelle, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im „überragenden öffentlichen Interesse“ stehe. Dies sei ein guter Tag.
Aber es werde weitergehen, es gebe keinen Grund sich zurückzulehnen, sagte Miersch und nannte als Vorhaben herausragender Bedeutung die weitere Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren.
AfD: Wo sollen die Windkraftwerke hin?
Marc Bernhard (AfD) kritisierte die ambitionierten Ausbauziele der Windkraft: Zwei Prozent der Fläche Deutschlands sollen künftig für Windindustrieanlagen ausgewiesen werden. Stand heute gebe es 31.000 Windkraftanlagen, die 0,5 Prozent der Fläche einnähmen. Jetzt solle deren Zahl und Größe vervielfacht werden, auf 120.000 Anlagen – auch in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten. Wo sollen die weiteren 90.000 Windräder hin, fragte Bernhard.
Er fürchte, die Pläne der Ampel führten dazu, dass große Teile deutschen Waldes abgeholzt würden. „Ihnen ist offensichtlich egal“, warf er den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen vor, dass Menschen zum Beispiel durch Infraschall Gesundheitsschäden davontrügen und Tiere geschreddert würden.
FDP begrüßt marktwirtschaftliches Moment im EEG
„Wir beschließen heute das beste EEG, das Deutschland je hatte“, sagte Michael Kruse (FDP). Er könne deshalb die fachliche Kritik der Union nicht teilen. Schon, weil es erstmals eine Verknüpfung vom Produktions- und Netzausbau gebe, „hätte das Paket Ihre Zustimmung verdient“, sagte Kruse in Richtung der Union.
Hinzu komme, dass mit der Gesetzesnovelle die EEG-Umlage nicht nur auf null gesetzt, sondern dauerhaft abgeschafft werde und an deren Stelle ein marktwirtschaftliches Moment in das EEG gelange, sei ein großer Schritt nach vorn.
Linke: Energie ist Daseinsvorsorge
Ralph Lenkert (Die Linke) stellte fest, als Techniker sehe er ein großes Problem: „Für die Stromerzeugungsspitze mittags an heißen Sommertagen und null Strom nachts haben Sie keine Lösung“, warf er der Ampelkoalition vor. Nötig sei ein erneuerbares und bezahlbares System, denn „Energie ist Daseinsvorsorge“, es sei auch möglich.
Dafür fordere die Linke unter anderem, die regionale Produktion zu fördern, Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen und damit die Akzeptanz zu erhöhen. Zudem brauche es einheitliche Netzentgelte – in Ost und West, in Städten und auf dem Land.
Grüne: Kommunen und Länder sind am Zug
Ukraine-Krieg, Energieknappheiten, steigende Preise – die Lage sei ernst, sagte Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen). Aber der Kampf um Unabhängigkeit von fossilen Energien vor allem aus Russland sei nicht alles. Nicht minder ernst sei die Lage beim Klimawandel. Hitze, Überschwemmungen, Gletscherabbrüche – bedrohliche Wetterphänomene aufgrund der Klimaerwärmung würden häufiger und heftiger.
„Noch haben wir es in der Hand“, das Schlimmste zu verhindern, sagte Verlinden, das hänge „maßgeblich von den Entscheidungen in diesem Haus ab“, appellierte sie an die Abgeordneten im Bundestag. Dabei sei Gesetze zu beschließen das eine, jetzt gehe es aber um die Umsetzung, jetzt seien Kommunen und Länder am Zug.
Beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien
Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf „zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor“ (20/1630) soll die Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik auf den 1,5-Grad-Klimaschutz-Pfad ausrichten. Die Stromversorgung soll daher bereits im Jahr 2035 nahezu vollständig auf erneuerbaren Energien beruhen. Um die neuen Ausbauziele zu erreichen, wird das gesamte Erneuerbare-Energien-Gesetz grundlegend überarbeitet.
Um das neue Ausbauziel für 2030 zu erreichen, sollen die Ausbaupfade und Ausschreibungsmengen für die einzelnen Technologien festgelegt und deutlich angehoben werden. Bei der Windenergie an Land auf ein Niveau von 10 GW pro Jahr, so dass im Jahr 2030 insgesamt rund 115 GW Wind-Leistung in Deutschland installiert sein sollen. Bei der Solarenergie auf ein Niveau von 22 GW pro Jahr, so dass im Jahr 2030 insgesamt rund 215 GW Solar-Leistung in Deutschland installiert sein sollen.
Änderungen im Ausschuss
Zuvor hatte der Ausschuss für Klimaschutz und Energie noch Änderungen am Gesetz beschlossen, wonach das Ziel einer klimaneutralen Stromversorgung bis 2035 aufgegeben werden soll; die EEG-Umlage soll nicht nur auf Null gesenkt, sondern dauerhaft abgeschafft werden, und alle erneuerbaren Energien sollen als im überragenden öffentlichen Interesse stehend gelten – inklusive der Wasserkraft.
Weg frei für Windenergie-Ausbau auf See
Der Entwurf eines „Zweiten Gesetzes zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes und anderer Vorschriften“ (20/1634) soll die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, um die Stromversorgung im Jahr 2035 nahezu vollständig auf erneuerbaren Energien zu bestreiten.
Um das zu erreichen, sollen die Ausbauziele für Windenergie auf See auf mindestens 30 Gigawatt bis zum Jahr 2030, mindestens 40 Gigawatt bis zum Jahr 2035 und mindestens 70 Gigawatt bis zum Jahr 2045 erheblich gesteigert werden. Rasches Handeln, so die Bundesregierung, sei wegen der langen Planungs- und Genehmigungszeiträume für Windenergieanlagen auf See und für Offshore-Anbindungsleitungen geboten.
Änderungen im Ausschuss
Im Ausschuss für Klimaschutz und Energie wurde zuvor ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen angenommen, wonach nun vorgesehen ist, dass auch kleinere Flächen für Anlagen ab 500 MW Leistung ausgeschrieben werden können, Naturschutzflächen erst nach allen anderen in Frage kommenden Flächen ausgeschrieben werden und dass Bieter von außerhalb der EU geprüft und gegebenenfalls ausgeschlossen werden können.
Beschleunigter Ausbau von Windkraftanlagen an Land
Den Gesetzentwurf zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land hatten die Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgelegt (20/2355). Die Bundesregierung hat die Ausbauziele für erneuerbare Energien deutlich angehoben. Um die Ziele zu erreichen, seien flankierende Maßnahmen erforderlich, die mit diesem Gesetz getroffen werden, heißt es in dem mittlerweile beschlossenen Entwurf. Sie sollen die wesentlichen Hemmnisse für den Ausbau der Windenergie an Land beseitigen und diesen dadurch deutlich beschleunigen.
Für den Ausbau der Windenergie an Land ist laut Entwurf dem Mangel an verfügbarer Fläche Abhilfe zu schaffen. Zur Erreichung der Ausbauziele müssen zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen werden. Dies erfordert mehr als eine Verdoppelung der aktuell ausgewiesenen Fläche. Derzeit sind nur rund 0,8 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen, tatsächlich verfügbar sind lediglich 0,5 Prozent. Zudem sind die Flächenausweisungen für Windenergieanlagen im Bundesgebiet sehr ungleich verteilt. Mit dem Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) sollen den Ländern verbindliche Flächenziele (sogenannte Flächenbeitragswerte) vorgegeben werden. Das Gesamtziel von zwei Prozent der Bundesfläche soll durch einen Verteilungsschlüssel sachgerecht und transparent zwischen den Ländern verteilt und dabei die vorhandenen Flächenpotenziale für den Ausbau der Windenergie an Land in den Ländern berücksichtigt werden. Die Planungsmethodik und ihre gerichtliche Kontrolle werde vereinfacht, die Planung beschleunigt und die Rechtssicherheit erhöht.
Änderungen im Ausschuss
Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hatte zuvor Änderungen am Entwurf beschlossen, wonach unter anderem das Erreichen der für 2026 angedachten Zwischenziele auf 2027 verschoben wurde und Repowering-Maßnahmen am selben Standort zu privilegieren seien.
Naturschutzgesetzesnovelle für schnelleren Windkraftausbau
Die Koalitionsfraktionen hatten zudem den Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vorgelegt (20/2354), um bis spätestens 2045 in Deutschland Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen. Angesichts der Klimakrise und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bestehe eine doppelte Dringlichkeit, für einen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien und dabei insbesondere auch der Windenergie an Land zu sorgen, heißt es im Entwurf.
Der Entwurf beinhaltet Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Durch eine Ergänzung des Paragrafen 26 BNatSchG wird rechtlich sichergestellt, dass auch Landschaftsschutzgebiete in angemessenem Umfang in die Suche nach Flächen für den Windenergieausbau einbezogen werden können. Um Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen an Land zu vereinfachen und zu beschleunigen, sieht der vorliegende Entwurf weiterhin bundeseinheitliche Standards für die in diesem Zusammenhang durchzuführende artenschutzrechtliche Prüfung vor. Zusätzliche artenschutzbezogene Erleichterungen sind vorgesehen für den Fall des Repowerings von Windenergieanlagen an Land (neuer Paragraf 45c BNatSchG).
Union forderte Turbo-Ausbau erneuerbarer Energien
Die Unions-Fraktion CDU/CSU kritisierte das sogenannte „Osterpaket“ der Bundesregierung: Zu oft mache es den Ausbau der Erneuerbaren schwerer, es verpasse das Beseitigen bürokratischer Hürden und verhindere den „dringend nötigen Turbo bei den Erneuerbaren“.
Die Erreichung der Klimaziele und eine Steigerung sicherer Energieversorgung vor Ort müssen oberste Priorität haben, forderten die Abgeordneten von CDU und CSU in ihrem angelehnten Antrag (20/2345) mit dem Titel: „Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien - Potenziale nutzen, Bürokratie abbauen, Anreize schaffen“.
AfD: Keine Begünstigung für Windkraftanlagen
Angesichts des verstärkten Ausbaus der erneuerbaren Energien drang die AfD-Fraktion mit ihrem zurückgewiesenen Antrag (20/1344) auf den Schutz von Umwelt und Natur. So verlangen die Abgeordneten von der Bundesregierung unter anderem sicherzustellen, dass Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität aus erneuerbare Energien „wie jede andere Industrieanlage in Deutschland“ eingestuft und behandelt werden.
Windkraftanlagen zum Beispiel dürften „auf keinen Fall eine Bevorzugung oder Begünstigung bei der Betriebsgenehmigung erhalten“, hieß es in der Vorlage der Fraktion.
AfD will Energiewende rückgängig machen
Die AfD-Fraktion wollte zudem die Energiewende rückgängig machen. Sie verlangt in ihrem abgelehnten Antrag (20/35), alle Zahlungen und Begünstigungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität „aus sogenannten erneuerbaren Energien“, die neu oder erneut in Betrieb genommen werden, vollständig und ersatzlos zu streichen.
Bereits gewährte Zahlungen und Begünstigungen für bestehende Anlagen seien „unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes“ schnellstmöglich zu beenden, hieß es in dem Antrag.(mis/eis/hau/ste/07.07.2022)