Die Bundeswehr wird sich wieder an der EU-Operation EUFOR Althea in Bosnien-Herzegowina beteiligen. Mit 516 Ja-Stimmen votierte der Bundestag am Freitag, 7. Juli 2022, in namentlicher Abstimmung mehrheitlich für die Wiederaufnahme des Einsatzes. 96 Abgeordnete stimmten dagegen, drei enthielten sich. Zu dem entsprechenden Antrag der Bundesregierung (20/2242), der eine Entsendung von bis zu 50 Soldatinnen und Soldaten vorsieht, hatte der Auswärtige Ausschuss eine Beschlussempfehlung (20/2649) und der Haushaltsausschuss einen Bericht gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit (20/2650) vorgelegt.
Angenommen wurde zudem einen Antrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (20/2035) mit dem Titel „Bosnien und Herzegowina beim Aufbruch in eine bessere Zukunft unterstützen“. Zugestimmt hatte auch die CDU/CSU-Fraktion, AfD und Linke votierten gegen die Initiative, zu der ebenfalls eine Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (20/2651) vorlag.
Antrag der Bundesregierung
Zu den vorgesehenen Aufgaben gehören die Unterstützung und Koordination der Ausbildung der bosnischen Streitkräfte, die Unterstützung zur Schaffung eines sicheren Umfelds sowie die Wahrnehmung von Führungs-, Verbindungs-, Beratungs-, Beobachtungs- und Unterstützungsaufgaben. Der Einsatz ist den Angaben zufolge ein Beitrag zur Einhaltung der Dayton-Friedensvereinbarung von 1995.
Die Bundesregierung habe 30 Jahre nach Kriegsbeginn weiterhin großes Interesse an der nachhaltigen Stabilisierung Bosnien und Herzegowinas, verbunden mit einer Entwicklung hin zu einem friedlichen und demokratischen Rechtsstaat, der selbstständig die Freiheit und Sicherheit seiner Bürger gewährleisten könne. Ziel sei neben Versöhnung und Überwindung der ethnischen Spaltung die Einbindung Bosnien und Herzegowinas in die EU und die euro-atlantische Gemeinschaft.
„Aktuelle politische Entwicklungen gibt Grund zur Sorge“
Die aktuellen politischen Entwicklungen in Bosnien und Herzegowina gäben Grund zu großer Sorge, schreibt die Bundesregierung. „Ethnische Spaltungen prägen noch immer den Alltag, dominieren die Politik und blockieren Fortschritte und Reformprozesse. Nationalistische und hetzerische Rhetorik sind heute wieder Teil des politischen Diskurses.“
Zusätzlich habe das Parlament der bosnisch-serbischen Entität Republika Srpska in den vergangenen Monaten konkrete rechtliche Schritte eingeleitet, die Region weiter vom Gesamtstaat abzuspalten. Zusätzlich bestehe die Gefahr, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und mittelbar die Konfrontation zwischen der westlichen Werte- und Staatengemeinschaft und Russland von der russischen Seite als Katalysator für eine weitere Destabilisierung Bosnien und Herzegowinas genutzt werden könnte. Insbesondere die engen Beziehungen der serbischen Regierung zur russischen Föderation und ihr Einfluss auf die bosnisch-serbische Entität Republika Srpska trügen zu diesen Befürchtungen bei, heißt es in der Vorlage weiter.
Antrag der Koalitionsfraktionen
Die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP fordern in ihrem beschlossenen Antrag angesichts wachsender Spannungen und Separationsbestrebungen in Bosnien und Herzegowina die Bundesregierung zur stärkeren Unterstützung des Landes auf. „Vermeintlich ethnische Differenzen werden von der nationalistischen politischen Elite des Landes in den serbischen, kroatischen und bosniakischen Parteien gezielt instrumentalisiert, verstärkt und zur Selbstbereicherung und Erhalt der eigenen Macht ausgenutzt“, schreiben die Abgeordneten in ihrem Antrag.
Jahrzehntelang seien Reformen blockiert worden, um ein günstiges Umfeld für Korruption und Klientelismus zu erhalten. Nunmehr setzten einzelne politische Führer immer stärker auf Separatismus, Hass und Hetze – nicht zuletzt, um von Stillstand und gesellschaftlicher Frustration abzulenken, die eben jene politischen Kräfte selber zu verantworten hätten.
Gefahr für den Frieden in Südosteuropa
„Insbesondere das politische Agieren völkisch-nationalistischer Politiker wie Milorad Dodik, gegenwärtig Mitglied des Staatspräsidiums, und Dragan Čović, Vorsitzender der Partei HDZ BiH, ist darauf angelegt, Bosnien und Herzegowina als Staat und Heimat einer vielfältigen Bevölkerung zu zerstören.“ Diese Politik sei eine Gefahr für den Frieden in Südosteuropa; sie sei inakzeptabel und erfordere „entschiedene, harte Gegenwehr“ der Europäischen Union, ihrer Mitgliedsstaaten sowie der internationalen Gemeinschaft.
Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung unter anderem dazu auf, „die politische Führung Bosnien und Herzegowinas mit Nachdruck zur Deeskalation und dem Abbau innerer Spannungen aufzurufen“. Auch solle sie sich in der EU weiterhin mit Nachdruck für Sanktionen einzusetzen, die gezielt auf Personen, Institutionen und Unternehmen zu richten sind, die „die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit, die verfassungsmäßige Ordnung und die internationale Rechtspersönlichkeit von Bosnien und Herzegowina untergraben“. Außerdem sollten die politischen Führungen Serbiens, auch mit Blick auf das laufende EU-Beitrittsverfahren, und Kroatiens in aller Deutlichkeit zur Distanzierung von den völkisch-separatistischen Kräften in Bosnien und Herzegowina aufgefordert werden. (ahe/hau/08.07.2022)