Eine von der Fraktion Die Linke vorgeschlagene Übergewinnsteuer nach italienischem Vorbild ist bei den anderen Fraktionen auf Ablehnung gestoßen. In einer Debatte des Deutschen Bundestages am Donnerstag, 22. September 2022, über einen entsprechenden Antrag der Fraktion Die Linke (20/1849) sprach Markus Herbrand (FDP) von einer „Schnapsidee“. Es gebe keine objektiv anwendbaren Abgrenzungskriterien, welche Unternehmen überhaupt in Frage kämen und welche Teile des Gewinns der Unternehmen über Übergewinne versteuert werden sollen. „Diese Schwierigkeiten alleine führen schon dazu, dass die Übergewinnsteuer rechtlich kaum durchsetzbar ausgestaltet werden kann, denn nicht zu Unrecht stößt eine solche Willkürmaßnahme auf massive verfassungsrechtliche Bedenken.“ In Italien scheitere eine auf Umsätze basierende Übergewinnsteuer gerade „krachend“. Bei der namentlichen Abstimmung votierten 621 Abgeordnete für die vom Finanzausschuss vorgelegte Beschlussempfehlung (20/2450), in der die Ablehnung des Antrags empfohlen wurde. 38 Parlamentarier stimmten dagegen, einer enthielt sich.
FDP für Eingriff in das Strommarktdesign
Allerdings räumte Herbrand ein, dass es keinen funktionierenden Markt im Energiebereich gebe. Daher müsse es Maßnahmen zur Begrenzung von Gewinnen geben, die ohne eigens unternehmerisches Handeln derzeit geradezu explodierten. Den Menschen müsse ein Signal gegeben werden, dass sie mit ihren Sorgen wegen der hohen Preise nicht allein gelassen würden.
Daher solle es eine Strompreisbremse geben, die nicht über das Steuerrecht, sondern über einen Eingriff in das Strommarktdesign geregelt werde. Auf der Basis von festgelegten Erlösobergrenzen sollten Gewinne definiert werden, die keine operative Ursache hätten. Die Mehrerlöse sollten zu Energiepreissenkungen für den Mittelstand genutzt werden.
CDU/CSU: Strompreise „ehrlich und fair“ ermitteln
Das Problem liege nicht im Steuerrecht, sondern in der Findung der Strompreise. Die Strompreise müssten „ehrlich und fair“ ermittelt werden: „Dann hätten wir das Problem gar nicht, dass die Linken hier adressieren“, sagte Fritz Güntzler (CDU/CSU). Höhere Gewinne würden doch bereits heute besteuert. Und die Befürworter der Steuer sollten sich die Frage stellen, ob man bei ausländischen Konzernen überhaupt an diese Gewinne herankommen könne.
Außerdem habe zum Beispiel in Großbritannien die „Übergewinnsteuer“ dazu geführt, dass die Konzerne ihre Investitionen in erneuerbare Energien zurückfahren wollten. Daher sei diese Steuer das falsche Instrument.
SPD: Zufallsgewinne über die Strompreisbremse abschöpfen
Parsa Marvi (SPD) sagte, Unternehmen in einer sozialen Marktwirtschaft sollten mit Leistung, Anstrengung, Pioniergeist und Innovation Gewinne machen – wie zum Beispiel Biontech. „Was wir aber in dieser Lage gar nicht gebrauchen können, sind Energiekonzerne, die nicht wegen außerordentlicher Innovation und Leistung, sondern aus dem Zufall dieser Krise heraus die Taschen vollmachen auf Kosten der Allgemeinheit.“ Was hier zu erleben sei, lasse Anstand vermissen, sei unsolidarisch und breche mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft.
Daher habe die Ampelkoalition eine gemeinsame Linie gefunden, Zufallsgewinne über die Strompreisbremse abzuschöpfen. Der EU-Vorschlag werde zu Sondereinnahmen von über 140 Milliarden Euro führen – „Geld, das in den Haushalten dringend zur Krisenbewältigung gebraucht wird“, so Marvi.
AfD: Ursache ist eine verkorksten Energiepolitik
Albrecht Glaser (AfD) nannte das Abschöpfen von Gewinnen das „Steckenpferd der Linken“. Es gebe inzwischen eine Staatsquote von über 50 Prozent. Man könne den Privatsektor so schmal machen, dass er den Staatssektor nicht mehr ernähren könne. In sozialistischen Systemen sei das Standard. Die Folgen seien bekannt. Dass die Energiepreise explodiert seien, liege an einer verkorksten Energiepolitik.
Glaser warb für die Atomkraft zur Energiesicherheit und für niedrigere Strompreise: „Diese Regierung wird nicht umhin kommen, den grünen Elefanten durch das Nadelöhr der Kernkraft zu schieben, wenn sie dieses Land nicht vollends in den Ruin treiben will.“
Grüne wollen Kartellrecht verschärfen
Katharina Beck (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte, Gewinne gehörten zur Marktwirtschaft, denn sie seien ein Motor für Ideengenerierung, Experimentierfreude und Innovation für die Zukunftssicherung des Landes. Wichtig sei jedoch, dass diese Gewinne auf funktionierenden Märkten erzielt würden.
Was passiere, wenn Märkte dysfunktional seien, habe man schmerzlich an den Energiemarkten sehen können. Zur Lösung der Zufallsgewinnproblematik im Strommarkt sei die Strompreisbremse der richtige Schritt. Angesichts der hohen Gewinne der Mineralölkonzerne müsse das Kartellrecht verschärft werden. Man habe es mit einem Oligopol und mangelndem Wettbewerb zu tun.
Linke begrüßt EU-Pläne
Christian Görke (Die Linke) sah einen Sinneswandel in der Koalition im dritten Entlastungspaket, in dem eine „Fake-Überwinnsteuer“ anmoderiert werde.
Für den Sinneswandel habe offenbar die EU-Kommission mit dem Vorschlag der Solidarabgabe zur Abschöpfung von Übergewinnen gesorgt. Die Linksfraktion begrüße die EU-Pläne ausdrücklich.
Antrag der Linksfraktion
In ihrem Antrag forderte die Linksfraktion, die Bundesregierung solle einen Gesetzentwurf nach dem Vorbild der italienischen Übergewinnsteuer erarbeiten. Ziel sollte es sein, den Teil der Unternehmensgewinne von Energiekonzernen im Geschäftsjahr 2022, der die Gewinne des Vorjahres um mehr als zehn Millionen Euro übersteigt, zusätzlich einer Übergewinnsteuer von 25 Prozent zu unterwerfen.
Die Fraktion schrieb in dem Antrag, „marktmächtige Energiekonzerne“, die ihre Einkaufspreise langfristig gesichert hatten, hätten durch die steigenden Energiepreise in Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine „außerordentliche Gewinne“ erwirtschaften können. Die Rechnung zahlten nun die Verbraucherinnen und Verbraucher. (emu/hau/23.09.2022)