Mit 514 Stimmen hat der Bundestag am Donnerstag, 20. Oktober 2022, den Entwurf der Bundesregierung für ein Achtes Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (20/3708) gebilligt. 92 Parlamentarier stimmten namentlich gegen die Initiative, zwei enthielten sich. Der Rechtsausschuss hatte zur Abstimmung eine Beschlussempfehlung vorgelegt (20/4085).
Im parlamentarischen Verfahren wurde der Entwurf im federführenden Rechtsausschuss um eine sachfremde Änderung im Strafgesetzbuch ergänzt. Danach soll künftig die Strafbarkeit der öffentlichen Billigung, Leugnung und gröblichen Verharmlosung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen explizit im Strafgesetzbuch (StGB) genannt werden. Vorgesehen ist, den Paragrafen 130 StGB (Volksverhetzung) um einen neuen Absatz zu ergänzen. AfD und Linke stimmten in der zweiten Beratung gegen diese Änderung im Strafgesetzbuch.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Ziel der beschlossenen Änderungen ist nach Regierungsangaben die Anpassung des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) an die Bestimmungen des Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Union und Großbritannien. „Das Abkommen enthält Regelungen zum Austausch zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich über Informationen in den jeweiligen Strafregistern“, führt die Bundesregierung aus.
Außerdem soll durch die Änderung im BZRG eine EU-Verordnung in deutsches Recht umgesetzt werden, wie es weiter heißt. Dabei handele es sich um die EU-Verordnung vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung EU-Verordnung 2018/1726.
Ferner sollen laut Gesetzentwurf mit Einzeländerungen im BZRG und in der Gewerbeordnung „Anpassungen an Digitalisierungsvorhaben des Bundes sowie die Verbesserung des Datenschutzes“ angegangen werden.
Stellungnahme des Bundesrates
In seiner Stellungnahme ging der Bundesrat unter anderem auf die Auslegung der sogenannten Flagging-Regelung in der EU-Verordnung ein. Die Länderkammer forderte, die Bundesregierung möge sich weiter dafür einsetzen, „dass nur solche strafrechtlichen Verurteilungen gekennzeichnet werden müssen, die nach Inkrafttreten des § 58d BZRG rechtskräftig geworden sind“. In ihrer Gegenäußerung führte die Bundesregierung aus, dass sie das Anliegen zur Kenntnis genommen habe und die „Belange der Länder weiterhin umfassend berücksichtigen“ würden.
Der Nationale Normenkontrollrat schrieb in seiner Stellungnahme, dass die Darstellung der Regelungsfolgen „nachvollziehbar und methodengerecht“, aber nicht vollständig sei. Mangels Angaben der Länder habe das Bundesministerium für Justiz „den Erfüllungsaufwand der Verwaltung (Länder) nur grob und lückenhaft abschätzen“ können, monierte der Normenkontrollrat.
Änderungen im Ausschuss
Der Rechtausschuss beschloss am Mittwoch, 19. Oktober, den Gesetzentwurf der Bundesregierung um einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zu ergänzen, der eine Änderung in Paragraf 130 Strafgesetzbuch vorsieht. Wie die Koalitionsfraktionen in ihrem Änderungsantrag ausführten, erfolgte die Änderung aufgrund eines von der EU-Kommission im Dezember 2021 angestrengten Vertragsverletzungsverfahrens. Die Kommission habe gerügt, dass Deutschland den „Rahmenbeschlusses 2008 / 913 / JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ insbesondere bezüglich des öffentlichen Leugnens und gröblichen Verharmlosen unzureichend umgesetzt habe. Wie die Fraktionen schrieben, sind diese beiden Handlungen – außer beim Bezug auf Taten unter der Herrschaft des Nationalsozialismus (§ 130 Absatz 3 StGB) – bisher nicht explizit in einer Strafvorschrift genannt. „In aller Regel dürften solche Handlungen vom Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Absatz 1 Nummer 1 StGB erfasst werden“, schrieben die Fraktionen. Mit der Klarstellung solle nun klargestellt werden, dass die öffentliche Billigung, Leugnung und gröbliche Verharmlosung „ausdrücklich pönalisiert“ werden.
Nach dem neuen Absatz 5 in Paragraf 130 StGB sollen diese Taten mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe belegt werden können. Voraussetzung ist, dass sich die öffentliche Billigung, Leugnung beziehungsweise gröbliche Verharmlosung von Völkerstraftaten (§§ 6 bis 12 Völkerstrafgesetzbuch) auf die in Absatz 1 Nummer 1 des Paragrafen genannten Personenmehrheiten bezieht „oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten“. In Absatz 1 werden die Personenmehrheiten als „eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe“ und „Teile der Bevölkerung“ benannt. Ferner muss die Billigung, Leugnung beziehungsweise gröbliche Verharmlosung in einer Weise erfolgen, „die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören“.
Höhere Strafandrohung für die Verharmlosung des Holocaust
Wie die Koalitionsfraktionen ausführten, weicht die neue Strafvorschrift in zwei Aspekten von der Strafvorschrift zur Billigung, Leugnung und Verharmlosung des Völkermords unter der Herrschaft des Nationalsozialismus ab. So ist der neuen Strafvorschrift zum einen nur die „gröbliche Verharmlosung“ strafbar. Die im Vergleich erhöhten Anforderungen begründeten die Fraktionen damit, dass es vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte gerechtfertigt sei, „dass der Bereich strafbarer Äußerungen in Bezug auf die Verharmlosung des Holocausts in Paragraf 130 Absatz 3 StGB etwas weiter gesteckt ist als derjenige für verharmlosende Äußerungen zu anderen Völkerrechtsverbrechen“. Ähnlich wurde im Änderungsantrag die höhere Strafandrohung für die Verharmlosung des Holocaust von fünf Jahren Freiheitsstrafe begründet: „Wegen der Einzigartigkeit des Holocausts müssen für dessen Billigung, Leugnung und Verharmlosung im Einzelfall höhere Strafen möglich sein als für vergleichbare Äußerungen betreffend andere Völkerrechtsverbrechen.“
Ferner führten die Koalitionsfraktionen aus, dass durch die Einbeziehung von Äußerungen in einer Versammlung die neue Vorschrift „geringfügig über die Mindestanforderungen des Rahmenbeschlusses“ hinausgehe. Dies sei „zur Vermeidung von systematischen Widersprüchen geboten“. Zudem wurde nach Darstellung der Fraktion kein Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, die Strafbarkeit der Leugnung und der gröblichen Verharmlosung nur auf solche Völkerstraftaten zu beschränken, die von einem nationalen oder internationalen Gericht endgültig festgestellt wurden. „Es wäre nicht zu rechtfertigen, dass ein Völkerrechtsverbrechen im Falle des Leugnens und gröblichen Verharmlosens gerichtlich endgültig festgestellt sein muss, während es bei einem Billigen desselben tatsächlichen Geschehens auf eine solche gerichtliche Feststellung nicht ankommen soll“, hieß es zur Begründung. (scr/vom/20.10.2022)