Mit der Mehrheit beinahe aller Stimmen aus den Reihen der Koalitionsfraktionen hat der Bundestag am Donnerstag, 10. November 2022, das Infektionsschutzgesetz (IfSG) angepasst, um der sogenannten „Triage-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen. Mit dem entsprechend angenommenen Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/3877, 20/3953, 20/4145 Nr. 4) soll die bestehende Schutzpflicht, die sich aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes ergibt, umgesetzt werden. Zur Abstimmung lag den Abgeordneten eine Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses vor (20/4359). In der zweiten Beratung wurde namentlich über die Initiative entschieden. 366 Parlamentarier stimmten für das Gesetz, 284 dagegen und fünf enthielten sich. Ein Entschließungsantrag, den die Unionsfraktion zu dem Gesetzentwurf eingebracht hatte (20/4368), wurde mehrheitlich abgelehnt.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Gesetzentwurf diene dazu, das Risiko einer Benachteiligung insbesondere aufgrund einer Behinderung bei der Zuteilung aufgrund einer übertragbaren Krankheit nicht ausreichend vorhandener überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten zu reduzieren, heißt es in der Vorlage. Demnach darf die Zuteilungsentscheidung nur nach der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patienten getroffen werden.
Mit der Neuregelung werde klargestellt, dass bei der Zuteilungsentscheidung niemand benachteiligt werden dürfe, insbesondere nicht wegen einer Behinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. Das Gesetz enthält ferner Regelungen zum Verfahren bei der Zuteilungsentscheidung.
Menschen mit Behinderung vor Benachteiligung bewahren
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember 2021 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie entschieden, dass sich aus dem Grundgesetz für den Staat der Auftrag ergibt, Menschen mit Behinderung bei knappen intensiv-medizinischen Kapazitäten vor Benachteiligung zu bewahren.
Bestehe das Risiko, dass Menschen bei der Zuteilung knapper Ressourcen wegen einer Behinderung benachteiligt werden, verdichte sich der Schutzauftrag zu einer konkreten Schutzpflicht, heißt es unter Verweis auf die Gerichtsentscheidung in der Vorlage. Entscheidend sei es, dass eine gesetzliche Regelung hinreichend wirksamen Schutz vor einer Benachteiligung wegen Behinderung bewirke.
Änderungen im Ausschuss
Der Gesundheitsausschuss beschloss in seinen Beratungen drei Änderungsanträge. So wurde konkretisiert, wann überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungskapazitäten in einem Krankenhaus nicht ausreichend vorhanden sind. Ferner sollen Krankenhäuser dazu verpflichtet werden, eine Zuteilungsentscheidung unverzüglich der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde anzuzeigen. Zudem ist eine Evaluation der Neuregelung geplant. (pk/hau/ste/10.11.2022)