Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag
Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drucksachen 20/9049 und 20/11004)
Änderungen beim Geschlechtseintrag werden einfacher
Der Bundestag hat am Freitag, 12. April 2024, den Plänen der Bundesregierung für ein „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften“(20/9049) in einer vom Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geänderten Fassung (20/11004) zugestimmt. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) möchte die Koalition einen Kerngedanken des Grundgesetzes, den Schutz der geschlechtlichen Identität, umsetzen, indem Menschen künftig die Möglichkeit haben sollen, ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen diskriminierungsfrei ändern zu können. Für die Vorlage votierten in namentlicher Abstimmung 372 Abgeordnete, dagegen 251. Es gab elf Enthaltungen.
Keine Mehrheit fand hingegen ein Entschließungsantrag, den Die Linke zu dem Regierungsentwurf eingebracht hatte (20/11029). Darin kritisieren die Abgeordneten, die Vorlage drücke „ein Misstrauen“ gegen bereits diskriminierte Personengruppen aus und fordern zum Beispiel einen Entschädigungsfonds, der es trans- und intergeschlechtlichen Menschen ermöglicht, „Entschädigungsleistungen für die erheblichen Grundrechtsverstöße in der Vergangenheit“ zu erhalten.
Schutz der geschlechtlichen Identität
Mit dem Gesetz sollen volljährige Menschen ihren Geschlechtseintrag (männlich, weiblich, divers oder keine Angabe) und ihre Vornamen künftig per Selbstauskunft beim Standesamt ändern können. Dies soll nun für trans- und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre Personen einheitlich geregelt werden, also nicht mehr in zwei verschiedenen Gesetzen mit unterschiedlichen Voraussetzungen.
Die Änderung des Geschlechtseintrags muss drei Monate vorher beim Standesamt angemeldet werden. Nach der Änderung soll für eine erneute Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr gelten. Damit soll verhindert werden, dass Entscheidungen übereilt getroffen werden. Für Minderjährige bis 14 Jahre gilt: Nur die Sorgeberechtigten können die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben. Ab dem Alter von 14 Jahren können es die Minderjährigen selber tun, benötigen aber die Zustimmung der Sorgeberechtigten. Diese dürfen nicht über den Kopf des Minderjährigen hinweg einen Geschlechtseintrag ändern, in einem solchen Streitfall würde ein Familiengericht nach Maßgabe des Kindeswohls entscheiden.
Änderungen bei Vorgaben zur Beratungspflicht
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hatte dem Gesetzentwurf in seiner Sitzung am Mittwoch, 10. April 2024, mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP und der Gruppe Die Linke in geänderter Fassung zugestimmt. Die nachträglichen Änderungen beziehen sich unter anderem auf Vorgaben zur Beratungspflicht. So soll die Versicherung einer beschränkt geschäftsfähigen minderjährigen Person, die das 14. Lebensjahr vollendet hat, auch die Erklärung enthalten, dass sie beraten worden ist. Vor Vollendung des 14. Lebensjahres muss die Versicherung des gesetzlichen Vertreters eine Erklärung über die Beratung enthalten.
Für die Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags des gesetzlichen Vertreters einer minderjährigen Person, die geschäftsunfähig ist oder das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soll außerdem das Einverständnis des Kindes, wenn es das fünfte Lebensjahr vollendet hat, nötig sein. Deshalb wird im Personenstandsrecht geregelt, dass die minderjährige Person bei dieser Erklärung im Standesamt anwesend sein muss.
Es wird außerdem sichergestellt, dass bereits zu amtlichen Registern eingereichte Dokumente erhalten bleiben und nicht neu ausgestellt und eingereicht werden müssen. Gleichzeitig wird der Anspruch auf Neuausstellung von Dokumenten zukunftsoffen ausgestaltet. Die Regelung zur automatisierten Datenweitergabe wird ersatzlos gestrichen. Dadurch sollen unterschiedliche Regelungen insbesondere im Vergleich zu sonstigen Namensänderungen vermieden werden.
Das Offenbarungsverbot, also die Weitergabe von Informationen zum geänderten Geschlechtseintrag ohne Zustimmung der betreffenden Person, wird auf die in Paragraf 13 genannten privilegierten Familienangehörigen ausgeweitet, für den Fall, dass sie in Schädigungsabsicht handeln.
Zweistufiges Inkrafttreten des Gesetzes
Es wird ferner möglich sein, dass Personen, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden können und im Geburtseintrag mit der Geschlechtsangabe „divers“ oder ohne Geschlechtsangabe eingetragen sind, einen Pass mit der Angabe „männlich“ oder „weiblich“ erhalten können.
Durch ein zweistufiges Inkrafttreten des Gesetzes soll sichergestellt werden, dass bereits ab dem 1. August 2024 eine Anmeldung der Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen abgegeben werden kann, sodass die dreimonatige Anmeldefrist zu laufen beginnt. Ab 1. November 2024 löst das SBGG dann das Transsexuellengesetz von 1980 endgültig ab. (che/12.04.2024)
Antrag der AfD
Darüber hinaus lag den Abgeordneten ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Transsexuellengesetz erhalten und den Schutz von Menschen mit Geschlechtsdysphorie verbessern“ (20/8203) zur Abstimmung vor. Auf Grundlage einer Empfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (20/11002) wies das Parlament die Vorlage gegen die Stimmen der Antragsteller zurück.
In ihrem Antrag forderten die Abgeordneten die Regierung auf, von der Einführung des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes abzusehen. Stattdessen sollte sie eine Gesetzesnovelle vorlegen, wonach der Wechsel des Geschlechts nur nach Zustimmung einer interdisziplinären Kommission erlaubt sein soll. Nach Vorstellung der AfD sollten diesem Gremium „zumindest drei Personen“ angehören, die eine medizinische, psychologische (oder psychotherapeutische und psychiatrische) und sozialpädagogische (oder vergleichbare) Berufsqualifikation haben. Darüber hinaus sprach sich die Fraktion dafür aus, „Forschungsprojekte zu initiieren, die psychische, physische und soziale Folgen 'geschlechtsangleichender' Behandlungen“ zu untersuchen.
Zur Begründung für ihren Vorstoß verwies die AfD im Antrag auf Statistiken, denen zufolge die Zahl geschlechtsdysphorischer Patienten in den vergangenen Jahren gestiegen sei. Als „geschlechtsdysphorisch“ werden Personen bezeichnet, die sich mit ihrem angeborenen biologischen Geschlecht nicht identifizieren können und unter dieser Körper-Geschlechtsinkongruenz leiden. „Therapeutische Erfahrungen von Psychiatern“ deuteten darauf hin, dass „Transidentität“ zunehmend als Selbstdiagnose von Menschen in Lebenskrisen gewählt werde, so die Fraktion. Viele Patienten seien der „irrigen Auffassung“, dass köperverändernde Maßnahmen „ein Wundermittel“ für ihre Lebensprobleme darstellen. (scr/eis/12.04.2024)