Ab 2025 gilt bundesweit ein einheitliches Rentenrecht. Das hat der Bundestag am Donnerstag, 1. Juni 2017, beschlossen, als er den Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Abschluss der Rentenüberleitung (18/11923) in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung (18/12584) annahm. In namentlicher Abstimmung votierten 462 Abgeordnete für und 56 Abgeordnete gegen den Regierungsentwurf, der die Angleichung des bisher unterschiedlichen Rentenrechts in Ost und West in sieben Schritten vorsieht. Es gab 48 Enthaltungen. Der aktuelle Rentenwert (Ost) steigt zum 1. Juli 2017 von 94,1 Prozent auf 95,7 Prozent des Westwerts. Im ersten Schritt der Angleichung zum 1. Juli 2018 wird der aktuelle Rentenwert (Ost) auf 95,8 Prozent des Westwerts angehoben.
Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente
Einstimmig nahm der Bundestag darüber hinaus den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (18/11926) auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (18/12590) an. Dieser sieht konkret vor, dass die sogenannte Zurechnungszeit für Rentenzugänge schrittweise auf das vollendete 65. Lebensjahr verlängert wird.
Wer aus gesundheitlichen Gründen nur noch teilweise oder gar nicht mehr arbeiten kann, wird bei der Höhe der Erwerbsminderungsrente künftig so gestellt, als hätte er bis zum Alter von 65 Jahren (bisher 62 Jahre) mit dem bis zur Erwerbsminderung erzielten durchschnittlichen Einkommen weitergearbeitet. Die schrittweise Erhöhung gilt für Rentenneuzugänge ab 2018 und soll 2024 abgeschlossen sein. Zu beiden Gesetzentwürfen der Bundesregierung liegen zusätzlich Berichte des Haushaltsausschusses nach Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages vor (18/12614, 18/12615).
Regierung: Heute vollenden wir die Renteneinheit
„Heute vollenden wir die Renteneinheit in unserem Land und verbessern die Absicherung bei Erwerbsminderung noch einmal deutlich“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) zu Beginn der Debatte. 27 Jahre nach der Deutschen Einheit erscheine es doch „aus der Zeit gefallen“, dass die Renten bundesweit noch nicht einheitlich berechnet werden, befand sie. Besonders in Berlin werde die Problematik deutlich: Sitzt der Arbeiter in Friedrichshain, gelte der Rentenwert Ost – sitzt er auf der anderen Seite der Oberbaumbrücke in Kreuzberg, gelte der Rentenwert West.
Lösekrug-Möller verwies zudem darauf, dass auch ohne die gesetzliche Regelung der Rentenwert Ost sich zum 1. Juli 2017 von 94,1 auf 95,7 Prozent des Westwertes erhöht habe, was nichts anderes bedeute, als das sich die Löhne in Ost und West angleichen. „Das ist ein gutes Zeichen“, sagte sie.
Linke: Richtig und längst überfällig
Von gleichen Löhnen könne keine Rede sein, befand hingegen Sabine Zimmermann (Die Linke). Vollzeitbeschäftigte verdienten im Osten noch immer 24 Prozent weniger als im Westen, sagte sie. Insofern sei die Angleichung der Rentenwerte zwar richtig und längst überfällig. Die ersatzlose Streichung der Hochwertung der Ostlöhne sei jedoch „völlig inakzeptabel“.
Der Umrechnungsfaktor stelle eine wichtige sozialpolitische Ausgleichsfunktion dar, die man nicht ersatzlos wegstreichen dürfe. Kritik übte die Linksabgeordnete auch an den Regelungen zur Erwerbsminderungsrente. Das Gesetz ändere nichts daran, dass man in Deutschland in Armut abrutsche, wenn man schwer erkrankt, sagte Zimmermann.
CDU/CSU: Wir wollen keine neue Ungerechtigkeit
Peter Weiß (CDU/CSU) sagte, folge man den Vorstellungen der Linksfraktion, wonach es einen gleichen Rentenwert aber im Osten eine Höherrechnung der Löhne geben soll, hätte ein Rentner im Osten für die gleiche Lebensleistung eine höhere Rente als der Rentner im Westen. „Das kann im Osten wie im Westen niemand für gerecht halten“, befand er. „Wir wollen aber keine neue Ungerechtigkeit, sondern ein gerechtes Rentensystem für alle in Deutschland“, betonte er.
Die Linke hingegen wolle offenbar die Spaltung im Rentenrecht „über Jahrzehnte beibehalten“. Benötigt werde aber ein möglichst schonender Übergang, „wobei die einen nicht zu viel verlieren und die anderen nicht zu viel dazugewinnen“, sagte Weiß.
Grüne: Nicht aus Beitragsmitteln finanzieren
Die rentenpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung stellten teure Maßnahmen zulasten der Beitragszahler dar, kritisierte Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen). Richtig wäre es aus seiner Sicht gewesen, diese aus Steuermitteln zu finanzieren. Darauf hätten auch Experten während einer Anhörung des Ausschusses hingewiesen, sagte Kurth. Die Vereinheitlichung des Rentenrechts sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und dürfe nicht mit Beitragsmitteln finanziert werden, habe der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geurteilt und vor einem Beitragsanstieg gewarnt.
Der Grünen-Abgeordnete ging auf den vorhandenen finanziellen Spielraum im Bundeshaushalt ein. Statt Steuern für Reiche zu senken, sollten Familien über gesenkte Sozialversicherungsbeiträge entlastet werden, forderte er. Außerdem sprach er sich für eine sofortige Angleichung der Rentenwerte verbunden mit einer Abschaffung der Höherrechnung aus. Lohnunterschiede, so Kurth, gebe es schließlich nicht nur im Vergleich Ost mit West sondern auch unter anderen Regionen.
SPD: Ende einer unendlichen Geschichte
Für Waltraud Wolff (SPD) findet mit dem Gesetz eine „unendliche Geschichte ihr Ende“. Auch sie habe gehofft, das Ganze eher hinzubekommen. Es sei gut, dass Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) „nicht locker gelassen hat“. Zwei Wermutstropfen gebe es aber, sagte Wolff. Statt 2020 - wie von der SPD gefordert - komme die Angleichung erst 2025.
Außerdem sei es ihrer Partei nicht gelungen, dafür zu sorgen, dass die Finanzierung über Steuermittel erfolgt, räumte sie ein. Klarmachen müsse man sich aber auch, dass das Gesetz „nicht alle Probleme der Rentner im Osten lösen kann“. Für spezielle Berufsgruppen und andere Sonderfälle müsse es daher einen Härtefallfonds geben, forderte die SPD-Abgeordnete.
Entschließungsantrag der Linken abgelehnt
Gegen die Stimmen der Antragsteller lehnte der Bundestag einen Entschließungsantrag der Linken (18/12618) ab, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, Schritte zum Abschluss der Rentenüberleitung vorzuschlagen. Dazu gehöre das Schließen von Überführungslücken, die dadurch entstanden seien, dass DDR-typische Sachverhalte des Rentenrechts fallen gelassen wurden, weil sie bundesdeutschen Regelungen nicht entsprachen.
Auch müsse das „Versorgungsuntrecht“ beseitigt werden, dass dadurch entstanden sei, dass die Versorgungen der DDR für die wissenschaftliche, medizinische, pädagogische, ingenieurtechnische und künstlerische Intelligenz, die Versorgungen für den öffentlichen Dienst, für Armee, Polizei und Zoll sowie für Reichsbahn und Deutsche Post größtenteils gelöscht worden seien.
Antrag der Linken abgelehnt
In ihrem Antrag zur Renteneinheit (18/10862), der gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt wurde, hatte Die Linke unter anderem verlangt, einen steuerfinanzierten Zuschlag einzuführen, mit dem der Unterschied zwischen den Rentenwerten Ost und West für im Osten erworbene Rentenanwartschaften bis 2018 sukzessive ausgeglichen werde. Der Zuschlag sollte so lange gewährt werden, bis der Unterschied zwischen dem jeweiligen aktuellen Rentenwert (Ost) und dem jeweiligen aktuellen Rentenwert (West) im Zuge der Angleichung der Löhne und Gehälter überwunden sei.
Antrag der Grünen abgelehnt
Ein gleiches Rentenrecht in Ost und West forderte auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag (18/10039), dem nur die Antragsteller selbst zustimmten. Die Fraktion hatte gefordert, den aktuellen Rentenwert Ost und die Beitragsbemessungsgrenze Ost auf die jeweiligen Werte im Westen anzuheben. Die bereits erworbenen Rentenansprüche sollten unverändert erhalten bleiben. Entgeltpunkte sollten ab einem Stichtag bundesweit einheitlich berechnet und danach auf eine gesonderte Hochwertung von Entgeltpunkten in Ostdeutschland verzichtet werden.
Antrag der Linken abgelehnt
Bei Enthaltung der Grünen lehnte der Bundestag einen weiteren Antrag der Linken (18/12087) ab, den Zugang zur Erwerbsminderungsrente zu erleichtern und die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente abzuschaffen.
Außerdem sollte die geltende Regelung, nach der in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre mit Pflichtbeiträgen liegen müssen, so geändert werden, dass lediglich zwei Jahre mit Pflichtbeiträgen nötig sind. Alternativ könne als Zugangsvoraussetzung eine Mindestbeitragszeit von 20 Jahren eingeführt werden, heißt es in der Vorlage weiter. (hau/nal/01.06.2017)