Gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen sowie von elf SPD-Abgeordneten hat der Bundestag am Freitag, 18. Januar 2019, die Einstufung Georgiens sowie der drei Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten beschlossen. In namentlicher Abstimmung votierten 509 Abgeordnete für einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/5314) in der vom Innenausschuss geänderten Fassung (19/6538). Dagegen stimmten 138 Parlamentarier; vier Sozialdemokraten enthielten sich. Ein Entschließungsantrag der FDP-Fraktion (19/7065) zu dem Gesetzentwurf wurde mit 495 gegen 150 Stimmen abgelehnt.
Bundesrat muss noch zustimmen
Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates, wozu auch die Stimmen mehrerer Länder mit Regierungsbeteiligung der Grünen erforderlich wäre. Es sieht zudem vor, Asylbewerbern aus den vier Staaten, die am 18. Juli 2018 – dem Tag des Kabinettbeschlusses zu der Vorlage – bereits mit Zustimmung der Ausländerbehörde in einem Beschäftigungsverhältnis standen, die Weiterbeschäftigung und Aufnahme weiterer Beschäftigungen zu ermöglichen.
Davon umfasst sein sollen auch alle in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübten Formen der Berufsausbildung. In einer vom Innenausschuss beschlossenen Modifizierung des Entwurfs für bestimmte Ausländergruppen aus sicheren Herkunftsstaaten wurde ferner ein Zugang zu einer speziellen Rechtsberatung festgeschrieben.
Minister: Von vornherein geringe Anerkennungschancen
In der Debatte betonte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), dass bei Asylanträgen von Antragstellern aus sicheren Herkunftsstaaten von vornherein sehr geringe Anerkennungschancen bestünden. Bei Antragstellern aus Algerien habe die Anerkennungsquote im vergangenen Jahr 1,2 Prozent betragen, bei Marokkanern 2,3 Prozent, bei Tunesiern 1,9 Prozent und bei Georgiern 0,3 Prozent. Mehr als 97 Prozent der Asylanträge aus diesen Ländern hätten also von vornherein sehr geringe Erfolgsaussichten. Deshalb sei es richtig und notwendig, diese vier Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen.
Dies beschleunige die Asylverfahren und trage gegebenenfalls zu einer schnelleren Aufenthaltsbeendigung bei. Dabei bleibe der individuelle Anspruch auf Asyl auch für Menschen aus diesen Staaten erhalten. Zugleich könne man sich besser „auf die wirklich berechtigten Asylanträge“ und auf die „Integration der wirklich Schutzbedürftigen“ konzentrieren. Daneben wolle die Bundesregierung mit dem geplanten Fachkräftezuwanderungsgesetz „eine legale Möglichkeit der Zuwanderung beim Arbeitskräftebedarf“ eröffnen.
AfD: Überfällig und dringend geboten
Der AfD-Abgeordnete Lars Herrmann nannte die Einstufung der vier Staaten „überfällig und dringend geboten“. Das erhoffte Ziel werde jedoch nur im Ansatz erreicht werden. Zwar werde durch das Gesetz die Möglichkeit eröffnet, Asylverfahren „recht flott“ mit einer Ablehnung abzuschließen. Ein abgelehnter Asylantrag bedeute aber nicht eine gleichzeitige Ausreise oder Abschiebung. Antragsteller aus den Maghreb-Staaten könnten auch nach einer Ablehnung nicht abgeschoben werden oder seien „innerhalb kürzester Zeit wieder hier“. Die Ziele der Neuregelung würden daher nicht erreicht, solange keine konsequente Rückführungspolitik betrieben und kein effektiver Grenzschutz gewährleistet werde. Ohnedies zweifele er an der erforderlichen Mehrheit im Bundesrat, „da die Länderregierungen unter rot-grüner Beteiligung ihre Zustimmung verweigern werden“.
SPD: Aussichtslosen Bewerbern keine Hoffnung machen
Der SPD-Parlamentarier Helge Lindh betonte, es sei „nicht sinnvoll, Menschen Perspektiven in Aussicht zu stellen, die realistisch nicht existieren“. Dies sei für ihn das größte Argument für die Neuregelung. In vielen Fällen hätten Menschen aus den vier Staaten „keinerlei Aussicht auf Anerkennung als Asylbewerber“, und es wäre falsch, „ihnen die Hoffnung zu machen, dass sie es irgendwie dann doch hier schaffen könnten“. Angesichts von Menschenrechtsverletzungen in den betreffenden Ländern müssten jedoch Einzelne in Deutschland Asyl finden können. Daher stehe nun im Gesetzestext „eine spezielle Rechtsberatung für sogenannte vulnerable Gruppen“. Zugleich ermögliche die Neuregelung mit einer Stichtagsregelung denjenigen aus diesen Ländern, die schon in Deutschland eine Beschäftigung haben, aber nicht asylberechtigt sind, dass sie hier weiter beschäftigt werden können.
FDP: Instrument noch konsequenter nutzen
Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg wertete es als „gute Nachricht“, dass der Bundestag die Einstufung der vier Länder als sichere Herkunftsstaaten beschließt. Sie befürchte jedoch, dass die Union und die SPD „nicht die Kraft haben werden“, die Neuregelung gegen „die Blockade der Grünen im Bundesrat“ durchzusetzen. Dabei sei es ein „trauriges Schauspiel“, wie sich „vor allem die Union bei diesem Thema von den Grünen an dem Nasenring durch die Arena ziehen lässt“, fügte Teuteberg hinzu.
So habe die CDU in Hessen einem Koalitionsvertrag mit den Grünen zugestimmt, „der die weitere Blockade im Bundesrat nur wahrscheinlicher macht“. Dabei sei die Einstufung der Maghreb-Staaten und Georgiens als sichere Herkunftsstaaten nur ein Minimalziel. Vielmehr müsse das Instrument der sicheren Herkunftsstaaten insgesamt konsequenter genutzt werden.
Linke: Angriff auf humanitären Schutzgedanken
Für Die Linke kritisierte ihre Parlamentarierin Ulla Jelpke das Gesetz als „Angriff auf den humanitären Schutzgedanken des Asylrechts“. Wenn pauschal angenommen werde, dass in einem Land keine Verfolgung stattfindet, könne keine unvoreingenommene Prüfung der Asylgesuche stattfinden. Jeder einzelne Geflüchtete müsse aber ein Recht auf ein faires Asylverfahren haben.
Besonders verwerflich sei es, Länder als sicher einzustufen, in denen es gravierende Menschenrechtsverletzungen gebe. Dabei gebe es in den drei Maghreb-Staaten gravierende Repressionen etwa gegenüber Oppositionellen oder Angehörigen ethnischer oder sexueller Minderheiten. Auch sei die Behauptung, in Georgien gebe es keine asylrelevante Verfolgung, eine „Weißwäscherei schlimmster und brutaler Menschenrechtsverletzungen“.
Grüne: Sinnlose Ersatzhandlung
Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grünen) verwies darauf, dass die Asylbewerber aus den vier Staaten nur einen „verschwindend geringen Anteil“ aller Schutzsuchenden in Deutschland ausmachten. So habe sich die Zahl der aus diesen Ländern beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) noch anhängigen Asylverfahren seit 2016 um 85 Prozent reduziert und die Zahl der Abschiebungen verzehnfacht.
Dazu sei es auch ohne eine Einstufung als sichere Herkunftsstaaten gekommen. Daher werde es Sache nicht gerecht, „diese Frage zur Schicksalsfrage hochzujagen“. Die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten löse kein Problem, sondern sei eine „sinnlose Ersatzhandlung“, die davon ablenken solle, dass die Große Koalition an vielen Baustellen „völlig ideenlos und handlungsunfähig ist“.
CDU/CSU: Die meisten kommen aus ökonomischen Gründen
Der CDU-Parlamentarier Thorsten Frei erinnerte daran, dass die Einstufung der drei Maghreb-Staaten bereits in der vergangenen Legislaturperiode vom Bundestag beschlossen, aber anschließend von den „Grünen im Bundesrat blockiert“ worden sei. Dabei wollten die Grünen „aus dogmatischen, aus ideologischen, auch aus populistischen Gründen die Wahrheit nicht sehen“, kritisierte Frei.
Im vergangenen Jahr hätten aus diesen Ländern 9.355 Menschen in Deutschland Asylanträge gestellt und davon mit 188 „gerade mal zwei Prozent“ einen Schutzstatus erhalten. Es sei „evident, dass die Mehrzahl der Menschen, die aus diesen Ländern zu uns kommen, eben aus ökonomischen Gründen hierherkommen“. Darauf müsse man reagieren. Auch stellten Menschen aus den Maghreb-Staaten etwa 2,4 Prozent der Asylbewerber in Deutschland, während ihr „Anteil an Tatverdächtigen“ bei 13 Prozent liege.
Entschließungsantrag der FDP abgelehnt
Die FDP wollte mit ihrem Entschließungsantrag die Bundesregierung auffordern, erstmalig bis Ende 2019 zu prüfen, inwieweit jene Staaten, deren Anerkennungsquote bei Asylbewerbern seit mindestens fünf Jahren sowie im Durchschnitt der letzten zehn Jahre unter fünf Prozent liegt, die aber bisher nicht als sichere Herkunftsstaaten eingestuft waren, mit hoher Wahrscheinlichkeit die Voraussetzungen für eine entsprechende Einstufung erfüllen oder warum dies nicht wahrscheinlich ist.
Für Staaten, bei denen die Vorprüfung eine positive Einschätzung für die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat erbracht hat, sollte die Regierung eine vollständige Prüfung veranlassen. Im Anschluss sollte sie dem Bundestag einen Gesetzentwurf zur Einstufung der Staaten vorlegen, die die Voraussetzungen für eine Einstufung als sicherer Herkunftsstaat erfüllen. (vom/18.01.2019)