Antrag Die Linke: Klimanotstand anerkennen
Antrag der Fraktion DIE LINKE.: Klimanotstand anerkennen - Klimaschutz-Sofortmaßnahmen verabschieden, Strukturwandel sozial gerecht umsetzen (Drucksache 19/10290)
Antrag der Fraktion DIE LINKE.: Klimanotstand anerkennen - Klimaschutz-Sofortmaßnahmen verabschieden, Strukturwandel sozial gerecht umsetzen (Drucksache 19/10290)
Die Opposition macht Druck beim Klimaschutz. Insgesamt zehn klima- und energiepolitische Anträge sowie drei Gesetzentwürfe der Opposition zu denselben Themen hat der Bundestag am Freitag, 28. Juni 2019, beraten. Die zur Abstimmung vorliegenden Anträge und Gesetzentwürfe wurden allesamt mehrheitlich abgelehnt, ein Antrag der Fraktion Die Linke sowie ein Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jeweils in namentlicher Abstimmung. Die übrigen Vorlagen wurden zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Während der Debatte protestierten rund um das Reichstagsgebäude Schülerinnen und Schüler im Rahmen der „Fridays for Future“-Demonstrationen und versuchten, mit einer Menschenkette den Bundestag symbolisch zu umzingeln.
In der Debatte warf Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) insbesondere der Union vor, „Bremser des Klimaschutzes“ zu sein. Sie umriss die wesentlichen Forderungen der diversen Anträge und Gesetzentwürfe, die insbesondere den Kohleausstieg sowie eine Erweiterung des Grundgesetzes um den Klimaschutz enthalten.
Kritik übte die Vorsitzende des Umweltausschusses an Energiekonzepten, die auf Grundlast-Kraftwerke setzten. Die Zukunft der Energieversorgung müsse vielmehr „dezentral, risikoarm, billig, erneuerbar“ sein. „Handeln Sie, regieren Sie endlich“, mahnte Kotting-Uhl die Bundesregierung.
Für die Unionsfraktion wies Andreas G. Lämmel die Kritik von Kotting-Uhl zurück. „Wir meinen es ernst mit dem Klimaschutz“, entgegnete der Christdemokrat. Der Kohleausstieg sei auf den Weg gebracht, es hätten bereits Gespräche mit den Energieversorgern für eine einvernehmliche Lösung begonnen.
Den Grünen warf Lämmel wiederum vor, mit ihrem Gesetzentwurf zum Kohleausstieg Wählerinnen und Wähler „hinter die Fichte“ zu führen. Er widersprach zudem der Aussage Kotting-Uhls, der Ausstieg aus Kohle und Atomkraft sei risikolos, und verwies darauf, dass dadurch bis 2038 über 50 Gigawatt Leistung ersetzt werden müssen.
Steffen Kotré (AfD) sagte, dass es keinen „Klimanotstand“ gebe und bezog sich damit auf einen Linken-Antrag, der die Anerkennung eines solchen Notstands forderte. Eher gebe es einen „Notstand an gesundem Menschenverstand“, meinte Kotré. Der Bundesregierung warf er vor, die sichere Stromversorgung zu schreddern und so für eine Deindustrialisierung zu sorgen.
Unternehmen verlagerten ihre Investitionen bereits ins Ausland, warnte Kotré. Es brauche keinen „religiösen Eifer“ und keine „Politik-Alchemisten“, sondern Ingenieure, Techniker, Kohle und eine gesicherte Energieversorgung, meinte der AfD-Abgeordnete.
Mahmut Özdemir (SPD) kritisierte die von den Grünen vorgeschlagene Grundgesetzänderung als „leere Worte“. Der Klimaschutz sei schon überall verankert. „Selbst der Gerechte wird ungerecht, wenn er selbstgerecht wird“, sagte Özdemir in Richtung Grünen-Fraktion.
Deren Politik könnten sich nur jene leisten, die mit dem Porsche beim Bio-Markt vorfahren. Die Industrie verändere sich bereits im Sinne des Klimaschutzes. Dies sei durch die Politik und das Erneuerbare-Energien-Gesetz angereizt wurden. Das sei „knallharte sozialdemokratische“ Politik.
Dr. Lukas Köhler warb für die FDP-Fraktion für eine Erweiterung des europäischen Emissionshandels (ETS) auf bisher nicht erfasste Sektoren wie Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude. Denn diese Sektoren in Deutschland, deren Reduktionsziele außerhalb des Emissionshandels vereinbart sind, erreichten ihre Ziele nicht und das müssten am Ende die Steuerzahler und nicht die Verursacher bezahlen.
Zudem würde eine Ausweitung des ETS auch dafür sorgen, dass für alle Emissionen ein CO2-Limit gelte. Das bedeute „sehr viel weniger Geld für sehr viel mehr Klimaschutz“, sagte Köhler.
Für die Fraktion Die Linke warb Lorenz Gösta Beutin für den Antrag seiner Fraktion zum Klimanotstand. Einen solchen hätten schon fast 700 Städte verkündet sowie Staaten wie Kanada und Irland. Mit Verweis auf das Extremwetter in Deutschland und 500 Hitzetote in Berlin im vergangenen Jahr meinte Beutin, dass die Klimakrise nicht weit entfernt sei, sondern uns direkt vor Ort betreffe.
Die Bundesregierung bekomme weder Kohleausstieg noch Verkehrswende geregelt. Bei der Energiewende gebe es Probleme beim Zubau der Erneuerbaren, kritisierte der Abgeordnete. Das sei auch schlechte Industrie- und Wirtschaftspolitik, seien doch schon 80.000 Arbeitsplätze in der Solarbranche verloren gegangen, sagte Beutin.
Zwei Gesetzentwürfe der Grünen lehnte der Bundestag mehrheitlich ab. Beim Entwurf der Fraktion zur Stärkung des Klimaschutzes durch eine Grundgesetzänderung (19/4522) folgten die Abgeordneten mit Stimmen von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP der entsprechenden Beschlussempfehlung des Innenausschusses (19/11158) und lehnten die Vorlage nach zweiter Lesung ab. Linke und Grüne votierten für den Entwurf.
Mit dem Entwurf wollten die Grünen unter anderem erreichen, dass im Artikel 20a des Grundgesetzes ein Passus zum Klimaschutz eingeführt wird, der klarstellt, „dass die internationalen Zielvorgaben und Verpflichtungen bei der Erfüllung der Schutzpflicht verbindlich sind“. Zudem wollte die Fraktion den Atomausstieg in der Verfassung festschreiben.
Beim zweiten Gesetzentwurf der Fraktion zum Kohleausstieg (Kohlekraftwerk-Sofortmaßnahme-Gesetz, 19/9920) folgten die Abgeordneten in namentlicher Abstimmung der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (19/11174), die eine Ablehnung vorgesehen hatte. Gegen den Gesetzentwurf stimmten 479 Abgeordnete, dafür 62, es gab 60 Enthaltungen.
Mit dem Entwurf wollten die Grünen den Kohleausstieg forcieren. Ziel sei die Stilllegung von Braunkohlekraftwerkskapazitäten mit einer elektrischen Netto-Leistung in Höhe von mindestens drei Gigawatt und einer elektrischen Netto-Leistung von mindestens 4 bis 7,7 Gigawatt Steinkohlekraftwerkskapazitäten bis spätestens Ende 2022, erklären die Abgeordneten in ihrem Entwurf.
Die AfD fand für ihre zwei Anträge zum Kohleausstieg keine Mehrheit. Den Antrag „Deindustrialisierung Deutschlands stoppen – Ausstieg aus dem Kohleausstieg“ (19/7720) lehnte der Bundestag entsprechend der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (19/10761 Buchstabe a) mit den Stimmen von Union, SPD, FDP, Linken und Grünen gegen die Stimmen der AfD ab.
Die Vorschläge der Kohlekommission sollten nach Ansicht der AfD nicht umgesetzt werden, heißt es in dem Antrag. Vielmehr sollte die Bundesregierung Arbeitsplätze in den Kohlerevieren in ihrer ursprünglichen Güte hinsichtlich Tätigkeit, Gehalt und Planungssicherheit erhalten. Fördermittel müssten auch ohne Kohleausstieg gerecht auf strukturschwache Regionen verteilt werden.
Der zweite Antrag (19/9963) forderte, den Kohleausstieg so lange zu verschieben, bis „alternative Energien grundlastfähig sind und jederzeit bedarfsgerecht eingespeist werden können“ (19/9963). Der Bundestag folgte mit demselben Stimmenverhalten wie beim ersten Antrag einer ablehnenden Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (19/11174 Buchstabe b). Die Fraktion forderte in dem Antrag, erst dann mit entsprechenden Planungen zu beginnen, wenn Erneuerbare-Energien-Anlagen grundlastfähigen Strom in genügender Kapazität mit mindestens 40 Gigawatt Leistung liefern könnten.
Ebenfalls keine Mehrheit fanden zwei Anträge der FDP-Fraktion. In ihrem ersten Antrag (19/7696) forderten die Liberalen einen sicheren, bezahlbaren und europäischen Kohleausstieg „mit Verantwortung und Weitsicht“. Der Bundestag folgte mit den Stimmen der Union, SPD, Linken und Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der AfD einer ablehnenden Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (19/10761 Buchstabe b). Die Fraktion forderte in dem Antrag die Bundesregierung auf, zum Kohleausstieg einen konkreten Maßnahmenplan vorzulegen. Der Mehrwert jedes einzelnen konkreten Projekts sei anhand eines Kriterienkatalogs darzustellen.
In ihrem zweiten Antrag argumentierte die Fraktion für einen marktwirtschaftlichen und effizienten Klimaschutz, mit dem mehr Klima mit weniger Geld geschützt werden soll (19/6286). Der Bundestag folgte mit Stimmen von Union, SPD, AfD, der Linken und Grünen gegen die Stimmen der FDP einer ablehnenden Beschlussempfehlung des Umweltausschusses (19/11178).
Im Einzelnen forderte die FDP unter anderem, umfassend potenzielle Flexibilitäten im Rahmen der „Effort Sharing Decision“ (EDS) der EU zu nutzen. Damit sollten finanzielle Risiken für den Bundeshaushalt minimiert werden, die infolge einer Zielverfehlung Deutschlands eintreten könnten.
Einen Antrag der Linken lehnte der Bundestag ohne vorherige Ausschussberatung ab. Der Antrag der Fraktion mit dem Titel „Klimanotstand anerkennen – Klimaschutz-Sofortmaßnahmen verabschieden, Strukturwandel sozial gerecht umsetzen“ (19/10290) fand in namentlicher Abstimmung keine Mehrheit. 463 Abgeordnete lehnten den Antrag ab, 138 stimmten ihm zu, es gab keine Enthaltungen.
Die Linke forderte die Bundesregierung darin auf, „umgehend den Entwurf für ein nationales Klimaschutzgesetz“ vorzulegen. Die Fraktion verwies darauf, dass Länder wie Großbritannien und Irland und Städte wie Konstanz und Heidelberg einen solchen Notstand bereits ausgerufen haben.
Die Parlamentarier stimmen zudem über zwei Anträge der Grünen ab. Ein Antrag (19/7733) mit dem Ziel, nach den Empfehlungen der Kohlekommission in den Kohleausstieg einzusteigen, wurde mit Stimmen von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP gegen die Stimmen der Grünen und bei Enthaltung der Linken entsprechend der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (19/10761, Buchstabe d) abgelehnt.
In ihrem zweiten abgelehnten Antrag (19/9953) forderten die Grünen, die Europäische Union zur Klimaschutz-Union zu machen und die Klimaschutzziele der EU zu verschärfen. Der Bundestag folgte mit Stimmen von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP gegen die Stimmen der Grünen und Linken der ablehnenden Beschlussempfehlungen des Umweltausschusses (19/11188).
Die Abstimmung über einen dritten Antrag der Grünen mit dem Titel „Aktive Kundinnen und Kunden für eine bürgernahe Energiewende“ (19/9954) hatte der Bundestag kurz vor der Debatte von der Tagesordnung abgesetzt.
Erstmalig auf der Tagesordnung des Parlaments standen drei Anträge von Bündnis 90/Die Grünen für einen beschleunigten Ausbau der Solarenergie (19/9698), für die Aufnahme der Klimabilanz in die Gesetzesfolgenabschätzung (19/11153) sowie mit der Forderung, die „Agenda 2030 als Maßstab des Regierungshandelns“ ernst zu nehmen (19/11149). Der Antrag zur Solarenergie wurde federführend an den Wirtschaftsausschuss überwiesen, die beiden anderen Anträge an den Umweltausschuss.
In erster Lesung berieten die Parlamentarier einen Gesetzentwurf der FDP zur „Wiedereinführung der Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen“ (19/11094). Den Ländern soll damit wieder die Befugnis eingeräumt werden, den Privilegierungstatbestand für Windenergieanlagen durch zu verkündende Landesgesetze von der Einhaltung von Mindestabständen zu bestimmten zulässigen baulichen Nutzungen abhängig zu machen.
Der Gesetzentwurf wird federführend im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen beraten. (scr/28.06.2019)