Eigenmittelsystem der EU
Gesetzentwurf der Bundesregierung: Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz (Drucksachen 19/26821 und 19/27901)
Gesetzentwurf der Bundesregierung: Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz (Drucksachen 19/26821 und 19/27901)
Der Bundestag hat am Donnerstag, 25. März 2021, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Beschluss des Rates vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union und zur Aufhebung des Beschlusses 2014/335/EU, Euratom (Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz, 19/26821) angenommen. In namentlicher Abstimmung votierten 478 Abgeordnete für den Entwurf, 95 lehnten ihn ab, es gab 72 Enthaltungen. In zweiter Beratung hatten die Koalitionsfraktionen, die FDP und die Grünen dafür gestimmt. Die AfD votierte dagegen, die Linksfraktion enthielt sich. Zur Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses vor (19/27901) vor.
Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen lehnte der Bundestag einen Entschließungsantrag der FDP (19/27923) zum Gesetzentwurf ab. Angenommen wurde hingegen ein gemeinsamer Antrag von CDU/CSU und SPD über zusätzliche Berichtspflichten der Bundesregierung zum EU-Aufbauinstrument „Next Generation EU“ (19/27838). Für diesen Antrag stimmten neben den Koalitionsfraktionen auch die Linksfraktion und die Grünen. Die AfD stimmte dagegen, die FDP enthielt sich.
Zur Finanzierung des europäischen Aufbauinstruments „Next Generation EU“ (NGEU) hatte die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie ihren Gesetzentwurf eingebracht (19/26821). Mit dessen Annahme wird ein Beschluss des Rates vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union in deutsches Recht umgesetzt. Außerdem werden einige Änderungen am bisherigen Eigenmittelbeschluss vollzogen, die wegen der Auswirkungen der Pandemie auf das EU-Bruttonationaleinkommen und wegen des Austritts des Vereinigten Königreichs nötig seien, schreibt die Bundesregierung. Der Eigenmittelbeschluss regelt die wesentlichen Grundlagen der Finanzierung dieser Maßnahmen.
Die Europäische Kommission wird im Eigenmittelbeschluss ermächtigt, Mittel bis zu einem Betrag von 750 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufzunehmen. Aufnahme und Auszahlung könnten erst beginnen, wenn alle Mitgliedstaaten den Beschluss ratifiziert haben, so die Bundesregierung. Die Befugnis zur Mittelaufnahme sei hinsichtlich ihrer Höhe, der Dauer und des Zwecks klar begrenzt. Die Mittel würden für Auszahlungen über Programme und als Darlehen an die Mitgliedstaaten ausschließlich zur Bewältigung der Pandemie-Folgen vergeben. Zurückgezahlt würden die Mittel aus dem EU-Haushalt.
Als Beitrag zu einer angemessenen Lastenverteilung in der Finanzperiode 2021 bis 2027 würden Korrekturen der Eigenmittelverpflichtungen zugunsten einiger Mitgliedstaaten vorgenommen, „darunter auch Deutschland“. Zudem werde ab 2021 mit der so genannten Plastikabgabe eine neue Eigenmittelkategorie eingeführt.
Mit am 26. März veröffentlichtem Beschluss (Aktenzeichen: 2 BvR 547 / 21) hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts angeordnet, dass das Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht durch den Bundespräsidenten ausgefertigt werden darf (sogenannter Hängebeschluss).
Die FDP hatte in ihrem abgelehnten Entschließungsantrag (19/27923) zu dem Gesetzentwurf unter anderem verlangt, dass die Aufnahme einer anleihebasierten Finanzierung in den Eigenmittelbeschluss nur ausnahmsweise, zeitlich begrenzt und automatisch auslaufend für das Aufbauinstrument Next Generation EU erfolgt und darüber hinaus nicht verlängert wird..
Auch sollte die Tilgung der Anleihen noch vor 2028, innerhalb des bis 2027 laufenden Mehrjährigen Finanzrahmens der EU, einsetzen.
Der Bundestag stimmte darüber hinaus mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von AfD und FDP bei Enthaltung der Linken und Grünen einer Beschlussempfehlung des Europaausschusses (19/27921) zu, wonach der Bundestag gegenüber der Bundesregierung eine Stellungnahme nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes zu drei Vorschlägen der Europäischen Kommission (19/20243 Nr. A.27, A.28, A.35) abgeben soll. Zum einen geht es um den geänderten Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union (Ratsdokument 8140 / 20). Nach dem geänderten Vorschlag soll die Kommission ermächtigt werden, im Namen der EU Mittel bis zu einem Betrag von 750 Milliarden Euro zu Preisen von 2018 an den Kapitalmärkten aufzunehmen.
Zweitens geht es um den Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung eines Aufbauinstruments der Europäischen Union zur Unterstützung der Erholung nach der Covid-19-Pandemie (Ratsdokument 8141 / 20). Danach sollen 500 Milliarden Euro in nicht rückzahlbare Unterstützung, durch Finanzierungsinstrumente gewährte rückzahlbare Unterstützung oder die Dotierung von Haushaltsgarantien und damit verbundene Ausgaben fließen. 250 Milliarden Euro sollen verwendet werden, um die Mitgliedstaaten mit Darlehen zu unterstützen.
Der dritte Vorschlag bezieht sich auf eine Verordnung zur Einrichtung einer Aufbau- und Resilienzfazilität (Ratsdokument 8403 / 20). Die Kommission schlägt darin unter anderem vor, die Potenziale des EU-Haushalts voll auszuschöpfen, um in den ersten Jahren des Aufschwungs Investitionen und finanzielle Unterstützung zu mobilisieren.
In der als Entschließung beschlossenen Stellungnahme begrüßt der Bundestag das Maßnahmenpaket. Es ermögliche die Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Krise und unterstütze einen nachhaltigen Aufschwung.
Mit der strategischen Ausrichtung auf wirtschaftliche Konvergenz und Widerstandsfähigkeit trage das Maßnahmenpaket zu langfristigem und nachhaltigem Wachstum bei, heißt es in der Entschließung weiter. Durch höhere Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz, digitale Souveränität, Künstliche Intelligenz, Sicherheit sowie Forschung und Entwicklung werde die doppelte Wende hin zu einer umweltfreundlichen und digitalen Gesellschaft gefördert werden.
In ihrem angenommenen Antrag über zusätzliche Berichtspflichten der Bundesregierung zum EU-Aufbauinstrument „Next Generation EU“ (19/27838) fordern die Koalitionsfraktionen die Bundesregierung auf, das Parlament auf, umfassend über den Entwicklungsstand des Aufbauinstruments zu unterrichten.
Die Berichte sollen dem Bundestag zusätzlich zu den bisherigen Unterrichtungen nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union übermittelt werden und dabei „überblicksartig und jeweils ergänzt um eine Bewertung der Bundesregierung“ ein Gesamtbild der Einnahmen und Ausgaben des Aufbauinstruments vermitteln. Der Bundestag soll auf Grundlage der Berichte in der Lage sein, die zweckgemäße Verwendung der Mittel sachgerecht zu beurteilen, heißt es weiter.
Der Bundestaglehnte zudem einen Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union zur Stärkung der Beteiligungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten des Aufbauinstruments Next Generation EU (19/26877) ab. Nur die FDP stimmte dafür, die Linksfraktion enthielt sich, die übrigen Fraktionen lehnten ihn ab. Auch dazu lag eine Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses vor (19/27896).
Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen lehnte der Bundestag einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Next Generation EU ist unzulässig – Bundesregierung muss EU-Verschuldung stoppen“ (19/27210)ab, zu dem ebenfalls eine Beschlussempfehlung des Haushaltsausschuss vorlagt (19/27897). Abgelehnt wurde überdies ein Antrag der Grünen zu dem „Beschluss 2020/2053 des Rates vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union und zur Aufhebung des Beschlusses 2014/335 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Grundgesetzes“ (19/27824). Nur die Grünen stimmten dafür, die Linksfraktion enthielt sich, die übrigen Fraktionen lehnten ihn ab.
Die FDP-Fraktion forderte in ihrem abgelehnten Gesetzentwurf (19/26877), dass bei der Ausgestaltung des EU-Wiederaufbaupakets zur Bewältigung der Corona-Krise die Mitwirkungsrechte des Bundestages sichergestellt werden. Dazu sollte das bestehende Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und dem Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union entsprechend geändert werden.
Die Fraktion begründete dies mit Haftungsrisiken des Bundes im Zusammenhang mit dem 750-Milliarden-Euro-Paket der EU. Daher sei „eine Ausweitung der gegenwärtig im EUZBBG vorgesehenen Informations-, Kontroll- und Mitspracherechte des Haushaltsgesetzgebers geboten“, schrieb die FDP.
Die AfD-Fraktion hält das 750-Milliarden-Euro-Programm der EU zur Überwindung der Folgen der Corona-Pandemie für unzulässig. Deshalb sollte der Beschluss von Europäischem Rat und EU-Parlament, wonach sich die EU die dafür nötigen Finanzmittel selbst beschaffen darf, von deutscher Seite nicht ratifiziert werden, forderte sie in ihrem Antrag (19/27210). Die Bundesregierung sollte einen dazu eingebrachten Ratifizierungsgesetzentwurf wieder zurückziehen.
Die Abgeordneten führten eine Reihe von rechtlichen Argumenten an, die ihrer Ansicht nach dafür sprechen, dass die Eigenmittelbeschaffung der EU nicht europäischen Recht entspricht. Zudem sahen sie durch eine Ratifizierung das Grundgesetz sowie die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages verletzt.
Bündnis 90/Die Grünen forderten in ihrem abgelehnten Antrag (19/27824), dass die Bundesregierung den Bundestag umfassend, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, fortlaufend und in der Regel schriftlich über die Durchführung des Aufbauinstruments informiert. Auch sollte sie sich verpflichten, den Bundestag über die bei der Durchführung des Instruments erzielten Fortschritte und die Verwendung der Mittel zu informieren, und in eine offene Debatte über die gewonnenen Erkenntnisse einzutreten. Eine nachvollziehbare und transparente Überprüfung der Umsetzung der Maßnahmen des nationalen Aufbau- und Resilienzplans müsse auch durch den Bundestag sichergestellt sein.
Das gelte vor allem für die Kontrolle des sogenannten Europäischen Semesters. Das Europäische Semester ist ein Zyklus, in dessen Verlauf die EU-Mitgliedstaaten ihre Wirtschafts- und Fiskalpolitik aufeinander abstimmen. Es gehört zum Rahmenwerk für die wirtschaftspolitische Steuerung der Europäischen Union. Der nationale Reformplan zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2019 und 2020 der EU-Kommission im Europäischen Semester und vor allem der speziellere Aufbau- und Resilienzplan sollten nach Ansicht der Grünen im Bundestag debattiert und beschlossen werden. (ab/pst/sas/vom/ste/25.03.2021)