Der Bundestag hat am Freitag, 11. Juni 2021, den Gesetzentwurf der Bundesregierung über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (19/28649) in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung (19/30505) angenommen. Ziel ist es, Menschenrechte und Umwelt in der globalen Wirtschaft besser schützen. In namentlicher Abstimmung votierten 412 Abgeordnete für den Gesetzentwurf, 159 stimmten dagegen, 59 enthielten sich. Zur Abstimmung lag auch die Stellungnahme des Bundesrates (19/29592) vor, der keine Einwände gegen den Entwurf erhob. Keine Mehrheit fand bei Enthaltung der AfD ein Entschließungsantrag der FDP-Fraktion (19/30547).
Zuvor hatte der Bundestag in zweiter Beratung vier Änderungsanträge von Bündnis 90/Die Grünen (19/30543, 19/30544, 19/30545, 19/30546) zum Regierungsentwurf abgelehnt. Bei den ersten drei Änderungsanträgen stimmte die Linksfraktion mit den Grünen dafür. Die übrigen Fraktionen lehnten die Änderungsanträge ab.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Wie die Bundesregierung schreibt, würden in Handel und der Produktion regelmäßig grundlegende Menschenrechte verletzt und die Umwelt zerstört. Mit dem „Gesetzentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ will sie deutsche Unternehmen deshalb verpflichten, ihrer globalen Verantwortung für die Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards besser nachzukommen.
Die Verantwortung der Unternehmen soll sich nach dem Willen der Regierung künftig auf die gesamte Lieferkette erstrecken, abgestuft nach den Einflussmöglichkeiten. Die Pflichten sollen durch die Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber ihren unmittelbaren Zulieferern umgesetzt werden. Mittelbare Zulieferer sollen ebenfalls einbezogen werden, sobald das Unternehmen von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene „substantiierte Kenntnis“ erhält.
Schutz vor Gesundheits- und Umweltgefahren
Das Gesetz soll auch konkretisieren, in welcher Form die Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht erfüllen müssen. Diese beinhalte etwa die Analyse menschenrechtlicher Risiken, das Ergreifen von Präventions- und Abhilfemaßnahmen, die Schaffung von Beschwerdemöglichkeiten sowie die Pflicht zum Bericht über die Aktivitäten.
Auch der Umweltschutz ist im Entwurf des Gesetzes erfasst, soweit Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen können. Zudem ist geplant, umweltbezogene Pflichten zu etablieren, die sich aus zwei internationalen Abkommen zum Schutz vor den Gesundheits- und Umweltgefahren durch Quecksilber und langlebige organische Schadstoffe ergeben.
Änderungen im Sozialausschuss
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hatte zuvor noch Änderungen am Entwurf vorgenommen. So sollen nun auch ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassung oder Tochterunternehmen in Deutschland einbezogen werden. In die Mitarbeiterzahl werden ins Ausland entsandte Beschäftigte mit einbezogen.
Klargestellt wurde auch, dass Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen nicht über die bestehenden Regelungen hinaus zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Umweltschutzbelange wurden durch Aspekte zum Abfallhandel erweitert.
Anträge der AfD und der Linken abgelehnt
Jeweils mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen lehnte der Bundestag zwei Anträge der AfD-Fraktion ab. Der erste trug den Titel „Lieferkettengesetz absagen – Deutsche Unternehmen schützen – Entwicklung durch Eigenverantwortung und Handel“ (19/26235), zu dem eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vorlag (19/28734). Der zweite Antrag der AfD mit dem Titel „Für eine Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika“ (19/30421) wurde direkt abgestimmt.
Den Antrag der Linken mit dem Titel „Sorgfaltspflichtengesetz grundlegend nachbessern – Menschenrechte in Lieferketten wirksam schützen“ (19/29279) lehnte der Bundestag gegen die Stimmen der Antragsteller bei Enthaltung der Grünen ab. Dazu lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vor (19/30505).
Erster Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion wollte mit ihrem ersten abgelehnten Antrag (19/26235) ein nationales und europäisches Lieferkettengesetz verhindern und die deutsche bilaterale Entwicklungszusammenarbeit auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit reformorientierten Entwicklungsländern fokussieren. Die Fraktion begründete ihre Initiative mit der Sorge, dass ein Lieferkettengesetz, welches vorsehe, dass in Deutschland ansässige Unternehmen, die selbst oder deren Zulieferer im Ausland produzieren, zukünftig mit ordnungs- und strafrechtlichen Sanktionen rechnen müssen, wenn sie oder ihre Zulieferer die Einhaltung menschenrechtlicher, sozialer und umweltbezogener Sorgfaltspflichten im Produktionsland nicht garantieren können, dem deutschen Wirtschaftsstandort erheblichen Schaden zufügen würde.
„Der lediglich nationale Gültigkeitsbereich eines solchen Gesetzes benachteiligt deutsche Unternehmen gegenüber konkurrierenden Unternehmen aus dem Ausland“, schrieb die AfD. Staatliche Verantwortung für die Setzung und Durchsetzung von Recht dürfe jedoch nicht von den jeweiligen Regierungen der Produktionsstaaten zu privaten deutschen Unternehmen verschoben werden. Prekäre Produktionsbedingungen könnten nur dann überwunden werden, wenn Regierungen einen insbesondere auch wirtschaftlichen Modernisierungs- und Reformkurs ansteuerten.
Zweiter Antrag der AfD
Die AfD rügte in ihrem zweiten abgelehnten Antrag (19/30421) das geplante Gesetz als den deutschen und partnerstaatlichen Wirtschaftsinteressen widersprechende Bestrebung. Das Lieferkettengesetz müsse gestoppt werden, so die Forderung der Fraktion.
Zugleich forderte die Fraktion eine Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit mit afrikanischen Partnerstaaten. So sollte etwa die Anzahl der afrikanischen Partnerstaaten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit „interessensgerecht“ reduziert werden, hieß es. Insgesamt müsse der Fokus auf den deutschen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen liegen, so die Abgeordneten.
Antrag der Linken
Die Linke hatte in ihrem abgelehnten Antrag (19/29279) gefordert, das Lieferkettengesetz grundlegend nachzubessern. Nach Ansicht der Linken hat die Regierung die „historische Chance, Menschenrechte und Gerechtigkeit in der deutschen Wirtschaft wieder stärker zu verankern“, verpasst. Das Gesetz bleibe weit hinter den UNLP (Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen) von 2011 zurück, betreffe nur 0,1 Prozent der Unternehmen und stärke die Rechte der Betroffenen kaum, kritisierte die Fraktion.
Sie verlangte deshalb von der Bundesregierung, einen neuen Entwurf vorzulegen, der alle Unternehmen, die mindestens 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, kleine und mittlere Unternehmen in Risikosektoren wie der Textil-, Lebensmittel-, und Automobilbranche sowie staatliche Unternehmen und die öffentliche Beschaffung umfasst.
Der Entwurf sollte sich ferner auf internationale Arbeits- und Sozialstandards beziehen, insbesondere auf die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sowie das ILO-Abkommen 169 zur angemessenen Beteiligung indigener Völker und die ILO-Übereinkommen Nr. 177 über Heimarbeit und Nr. 190 über Gewalt und sexuelle Belästigung.
„Negative Auswirkungen verhüten“
Die Unternehmen sollten in Verhältnismäßigkeit zu ihrer Größe verpflichtet werden, entlang der gesamten Lieferkette ein Verfahren zur Gewährleistung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht einzuführen, das darauf abzielt, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und Umwelt zu ermitteln, zu verhüten und zu mildern sowie Rechenschaft darüber abzulegen, wie sie diesen begegnen.
Die Linke fordert eaußerdem, durch die Schaffung eines deliktischen Haftungsbestands die Zuständigkeit deutscher Gerichte zu erweitern, sodass bei Menschenrechtsverstößen im Ausland Klagen vor deutschen Gerichten zulässig sind. Kollektivklagen und Verbandsklagen vor deutschen Gerichten, die zu einer unmittelbaren Entschädigung der Betroffenen und Beendigung der Sorgfaltspflichtverletzung führen, sollten ermöglicht werden. (che/sas/ste/11.06.2021)