Der Bundestag hat am Donnerstag, 15. Juni 2023, den Weg für die Einführung einer Sperrklausel bei Wahlen zum Europäischen Parlament freigemacht. Namentlich stimmten 568 Abgeordnete für einen Gesetzentwurf der Bundesregierung „zu dem Beschluss (EU, Euratom) 2018 / 994 des Rates der Europäischen Union vom 13. Juli 2018 zur Änderung des dem Beschluss 76 / 787 / EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976 beigefügten Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments“ (20/6821). 111 Parlamentarier votierten dagegen. Für die Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes war eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erforderlich - das entspricht bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des Parlaments einer Stimmenzahl von mindestens 491. Ein gleichlautender Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion (20/4045) wurde vom Bundestagsplenum einstimmig für erledigt erklärt. Zu beiden Vorlagen hatte der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Beschlussempfehlungen (20/7250) abgegeben.
Ein weiterer Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion zur Änderung des Europawahlgesetzes (20/4046) wurde mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. Der Ausschuss für Inneres und Heimat hatte hierzu eine Beschlussempfehlung (20/7233) vorgelegt.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Auf die Einführung einer Sperrklausel bei Wahlen zum Europäischen Parlament zielt der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der die Zustimmung Deutschlands zu einem entsprechenden EU-Beschluss vorsieht. Wie die Bundesregierung darin ausführt, ist Deutschland mit Inkrafttreten eines Beschlusses des Rates der Europäischen Union vom Juli 2018 zur Änderung des EU-Wahlakts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europaparlaments verpflichtet, eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe von nicht weniger als zwei Prozent festzulegen. Mit dem Gesetzentwurf sollen das Inkrafttreten des Beschlusses des Rates durch die Zustimmung der Bundesrepublik ermöglicht und damit die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, die Neuregelung in deutsches Recht umzusetzen.
Eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe gibt es im deutschen Europawahlrecht laut Vorlage nicht mehr, seit das Bundesverfassungsgericht 2014 (BVerfGE 135, 259) die dort geregelte Sperrklausel mangels verbindlicher europarechtlicher Vorgaben für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hat. Mit Inkrafttreten des EU-Ratsbeschlusses ist Deutschland jedoch künftig unionsrechtlich verpflichtet, eine Sperrklausel von nicht weniger als zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen einzuführen. Anders als bei den vom Bundesverfassungsgericht 2011 und 2014 entschiedenen Sachverhalten wäre die verfassungsrechtliche Prüfung damit zukünftig durch verbindliche europarechtliche Vorgaben des EU-Wahlakts eingeschränkt, wie die Bundesregierung weiter ausführt.
Abgelehnter Gesetzentwurf der Unionsfraktion
Die CDU/CSU-Fraktion wollte für Wahlen zum Europäischen Parlament eine Zwei-Prozent-Sperrklausel einführen. Wie die Fraktion in ihrem Gesetzentwurf (20/4046) ausführte, ist Deutschland mit Inkrafttreten eines Beschlusses des Rates der Europäischen Union vom Juli 2018 zur Änderung des EU-Wahlakts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europaparlaments verpflichtet, eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe von nicht weniger als zwei Prozent festzulegen.
Der Entwurf sah vor, dass bei der Verteilung der in der Bundesrepublik zu vergebenden Sitze nur Wahlvorschläge berücksichtigt werden, die mindestens zwei Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen erhalten haben. Damit sollte das deutsche Europawahlrecht ab Inkrafttreten des geänderten EU-Wahlakts den verbindlichen unionsrechtlichen Vorgaben angepasst werden. (sto/hau/ste/15.06.2023)