07.03.2024 | Parlament

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas: Keynote „Gleichstellung der Geschlechter und Parität in der Politik sowie Bestätigung weiblicher Vorbilder“ - Konferenz der Parlamentspräsidentinnen der Welt in Paris

[Es gilt das gesprochene Wort]

Sehr geehrte Präsidentin, 
liebe Yaël!
vielen Dank für Deine Initiative zu diesem Treffen.

Sehr geehrte Kolleginnen,
ich freue mich sehr, dass wir in diesem Format zusammenkommen.

Der internationale Frauentag ist ein Anlass, um Bilanz zu ziehen.

Das Weltwirtschaftsforum misst jährlich, wie es um die Gleichberechtigung bestellt ist.

Der aktuelle Bericht stellt klar: Läuft es weiter wie bisher, wird die globale Gleichstellung im Jahr 2145 erreicht. 
In 121 Jahren.  

Das wird wohl kein Mädchen erleben, 
das heute geboren wird.

Wir müssen diesen Prozess beschleunigen. 
Als Bundestagspräsidentin ist mir wichtig, dass wir den Blick zuerst auf unsere Parlamente richten.  

Im Deutschen Bundestag stagniert der Frauenanteil seit Ende der 90er Jahre bei rund einem Drittel.

Parität kommt nicht von allein. 
Deswegen befürworte ich eine verpflichtende Quote, damit die Parteien gleichviele Frauen wie Männer bei Wahlen aufstellen.

In ostdeutschen Bundesländern wie Brandenburg und Thüringen gab es bereits Versuche, eine solche Quote gesetzlich zu verankern. 
Die Gerichte haben sie gestoppt. 
Begründung: Eine gesetzliche Quote schränke die Parteien zu sehr ein. 
Aktuell besetzen einige Parteien ihre Listen freiwillig paritätisch.

Ich plädiere weiter dafür, dass wir einen verpflichtenden und verfassungskonformen Weg zur Parität finden.

Liebe Kolleginnen, 
viele von Ihnen haben einen deutlich höheren Frauenanteil in Ihren Parlamenten. 
So etwa Sie, sehr geehrte Präsidentin Guerra Castillo. 
Dieser Erfolg ist auch einer Quote zu verdanken.

Mich interessieren Ihre Erfahrungen und Empfehlung sehr.

Wir müssen aber mehr betrachten als den Frauenanteil in den Parlamenten. Es gibt viele Hindernisse für Frauen.

Lange Sitzungstage, Reisen, Abstimmungen am späten Abend: Politik und Familie lassen sich zu schlecht miteinander vereinbaren.  

Was leider immer noch als ein Problem für Frauen angesehen wird - weniger als ein Problem für Männer.  
Hinzu kommt eine männlich geprägte politische Kultur.

Besonders besorgt mich, wie hart gerade Politikerinnen im Netz attackiert werden. Das geht von Hatespeech, über Cybermobbing und Cyberstalking bis hin zu Vergewaltigungsfantasien und Morddrohungen.

Viele Frauen schreckt das ab – und das kann ich nachvollziehen.  

Mich interessiert, welche Erfahrungen Sie in Ihren Ländern machen!

In jedem Fall müssen wir Flagge zeigen: In Deutschland unterstütze ich etwa die UN-Kampagne „Orange the world“, um auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen.  

Liebe Kolleginnen, 
ich bin froh, dass wir uns austauschen. Zu oft unterschätzen wir Frauen immer noch die Bedeutung von Netzwerken.

Und wie wichtig es ist, ein Amt zur Frauenförderung zu nutzen.

Ich sehe mein Amt auch als Verpflichtung, Frauen mehr Gehör und mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. In Deutschland, aber auch weltweit. Etwa der belarussischen Opposition um Swetlana Tichanowskaja oder Veronica Tsepkalo.

Oder den mutigen Frauen im Iran und den Frauen auf der Flucht weltweit. Etwa den ukrainischen Frauen, die vor dem russischen Angriffskrieg fliehen.  

Um mehr Gehör und mehr Sichtbarkeit von Frauen geht es auch der feministischen Außenpolitik.

Gleichberechtigung und Sicherheit hängen stark zusammen. Friedensabkommen etwa sind nachhaltiger, wenn Frauen beteiligt werden. 
Wie können wir in diesem Sinne gemeinsam Frauen stärken und Nachteile für Frauen beseitigen?

Liebe Kolleginnen, 
zum 100. Jahrestag des Frauenwahlrechts in Deutschland 2018 sagte Angela Merkel - die erste deutsche Bundeskanzlerin: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“.

Sie hat Recht: Für nachhaltigen Fortschritt und echte Gleichstellung müssen wir Frauen in allen Bereichen stärken. Davon profitiert die ganze Gesellschaft.

Meiner Generation fehlten oft die weiblichen Vorbilder. Heute haben junge Frauen und Mädchen dagegen Vorbilder in allen Bereichen.
Wir sollten sie in der Gewissheit bestärken, dass sie alles erreichen können.

Ich freue mich auf den Austausch und Ihre Perspektiven!

Vielen Dank! 

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