14.05.2024 | Parlament

Begrüßungsrede von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zur Buchvorstellung „Der nächste Redner ist eine Dame“

[Es gilt das gesprochene Wort]

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Jutta Allmendinger,
sehr geehrte Frau Bukowski,
sehr geehrte Frau Kupferberg,
sehr geehrte Damen und Herren,

zum Jubiläumsjahr „75 Jahre Deutscher Bundestag“ richten wir das Scheinwerferlicht auf die Frauen im 1. Deutschen Bundestag.

Diese Frauen waren echte Pionierinnen, denen wir viel verdanken.

Doch die Namen dieser Frauen sind meist in Vergessenheit geraten.

Frieda Nadig oder Helene Weber. 
Luise Rehling oder Jeanette Wolff. 
Friederike Mulert, Gertrud Strohbach oder Grete Thiele.
Um nur einige zu nennen.

Das Buch „Der nächste Redner ist eine Dame“ weist ihnen einen Platz zu, den sie schon lange verdienen: Einen Platz im Zentrum unserer Aufmerksamkeit.

Vielen Dank an die Autorinnen und Autoren. 
Sie haben neue Quellen erschlossen. 
Sie sind in die Archive gestiegen. 
Und Sie haben so manche Information über diese Frauen erst in den Nachlässen ihrer Ehemänner gefunden.

Sie haben echte Grundlagenarbeit geleistet und machen mit ihren Funden einen wichtigen Teil unser Demokratiegeschichte sichtbar.  

Durch Ihr Buch erfahren wir mehr über die Biografien, die Motivationen und das politische Engagement der ersten weiblichen Bundestagsabgeordneten. 
Bemerkenswerter Aspekt: Diese Bundestagsabgeordneten brauchten damals die Zustimmung ihres Mannes, um das Mandat anzunehmen.

Sehr geehrte Frau Bukowski, 
sehr geehrte Frau Kupferberg,

Danke, dass Sie sich an diesem Projekt beteiligt haben!

Natürlich richte ich meinen Dank auch an Julia Franck, Terézia Mora und Juli Zeh.  

Ebenso möchte ich den Autorinnen und Autoren des Wissenschaftlichen Dienstes unserer Verwaltung danken. 
Unter der Leitung von Natalie Weis haben Sie dieses tolle Projekt realisiert!

Sehr geehrte Damen und Herren, 
im ersten Bundestag kamen die Parlamentarierinnen auf einen Anteil von 6,8 Prozent.
Am Ende der Wahlperiode waren es 9 Prozent - durch Nachrückerinnen.

Davon sind wir heute zum Glück deutlich entfernt. 
Anfang des Jahres 2024 lag der Anteil weiblicher Abgeordneter bei immerhin 36,3 Prozent.

Ungefähr bei diesem Drittel der Sitze stagniert der Frauenanteil im Bundestag jedoch seit Ende der 90er Jahre.

Viele hier auf der Fraktionsebene werden mir sicher zustimmen: Ein Drittel reicht nicht aus. 
Unser Ziel ist klar: Parität.

Aktuell besetzen einige Parteien ihre Listen freiwillig paritätisch.

Ich plädiere weiter dafür, dass wir einen verfassungskonformen und verbindlichen Weg zur Parität finden.

Sehr geehrte Damen und Herren, 
der Weg zu echter Gleichstellung ist noch lang. 
Fortschritte entwickeln sich aber nicht von allein oder nie ohne Widerstände. 
Es bleibt noch viel zu tun.

Blickt man auf die Entwicklung der Gleichberechtigung in Deutschland erkennt man zwei Muster:

Es braucht mutige Wegbereiterinnen. So wie Elisabeth Selbert, die im Parlamentarischen Rat den Satz durchsetzte: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.

Und wir brauchen eine Kombination aus parlamentarischem und außerparlamentarischem Engagement.

Den parteiübergreifenden Schulterschluss für die Sache der Frau, getragen durch eine breite Welle ziviler Unterstützerinnen und Unterstützer.

So war es 1949 in der Debatte um die Gleichstellung im Grundgesetz.
So war es 1957/58 mit dem Gleichberechtigungsgesetz.
So war es bei der Reform des Ehe- und Familienrechts 1976/77.
So war es in den 90er Jahren bei der Gemeinsamen Verfassungskommission.

Sehr geehrte Damen und Herren, 
Fortschritt durch hartnäckige Pionierinnen und parteiübergreifende Bündnisse: Diese Muster scheinen international zu sein.

Im März habe ich bei einer Konferenz von Parlaments-Präsidentinnen aus aller Welt meine Amtskollegin Guerra Castillo aus Mexiko getroffen.

In Mexiko ist die Parität bereits in der Verfassung verankert. 
Meine Kollegin hat berichtet, wie sich mexikanische Politikerinnen verschiedener Parteien für dieses Ziel zusammengeschlossen haben. 

Sie brachte es so auf den Punkt: 
„Die Präsenz von Frauen in Führungs- und Entscheidungspositionen ist kein Zugeständnis, sondern ein Recht“.

Liebe Jutta, 
immer wieder zeigst Du auf, wo wir noch keine Gleichstellung erreicht haben. Und forderst Taten ein.

In Deinem Buch „Es geht nur gemeinsam!“ schreibst Du - ich zitiere:
„Seit Jahrzehnten haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Wir müssen handeln.“ Zitatende

Was ist also zu tun? 
Darüber wollen wir gleich sprechen. 
Ich freue mich auf unseren Austausch – mit unserer Moderatorin Anke Plättner, die ich ebenfalls herzlich begrüße!

Heute diskutieren wir in einer reinen Frauenrunde. 
Ein schönes Bild, an das man sich ruhig gewöhnen kann - nach Jahrhunderten reiner Männerrunden.

Danke, dass Sie hier sind!

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