21.03.2025 | Parlament

Statement von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zum Panel „Gewalt gegenüber Politikerinnen und Politikern“ bei der Konferenz der Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten der Mitgliedsstaaten des Europarats in Straßburg

[Es gilt das gesprochen Wort]

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir alle haben es in den vergangenen Monaten und Jahren erlebt: 
Der politische Diskurs hat sich immer mehr polarisiert und radikalisiert.

In den schlimmsten Fällen haben Menschen im Dienst der Demokratie sogar ihr eigenes Leben verloren.

Ich denke 
an Jo Cox, 
an Pawel Adamowicz 
an David Amess.

Und an Walter Lübcke, 
den Präsidenten des deutschen Regierungsbezirks Kassel. Er wurde 2019 auf seiner Veranda von einem Rechtsextremisten erschossen.

Diese Morde sind grausame Resultate einer beunruhigenden Entwicklung.

Ein erschreckender Tiefpunkt war auch der Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021: 
Ein Angriff auf ein Parlamentsgebäude und auf Volksvertreterinnen und -vertreter. Motiviert durch die falsche Behauptung, das Wahlergebnis sei unrechtmäßig zustande gekommen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, 
in Deutschland hat das Bundeskriminalamt für das Jahr 2024 fast 5.000 Fälle von Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker gemeldet.

Damit sind die Übergriffe im Vergleich zu 2023 um 20 % gestiegen. Besonders betroffen sind Frauen und Angehörige von Minderheiten, ebenso wie meist ehrenamtliche Kommunalpolitikerinnen und -politiker.

Vor dieser Bundestagswahl hatten sich mehrere Abgeordnete wegen massiver Bedrohungen entschieden, nicht wieder zu kandidieren.

Darunter auch Bundestags-Vizepräsidentin Yvonne Magwas.

Diese Bedrohungen, die Übergriffe auf Abgeordnete oder die Attacken auf Wahlkampfhelfende sind keine isolierten Einzelfälle. Sie sind Teil eines weltweiten Ringens. Eines Ringens
-    zwischen Demokratie und Autokratie  
-    zwischen Dialog und Einschüchterung
-    zwischen der Stärke des Rechts und dem Recht des Stärkeren.

Diese Erkenntnis sollte uns Kraft geben:

Wir verteidigen die große Idee einer Gesellschaft, in der Konflikte friedlich gelöst werden – und nicht mit Gewalt.

Wir verteidigen den demokratischen Gedanken: 
Eine Gesellschaft, in der Kompromisse kein Zeichen von Schwäche sind – sondern von Stärke.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

folgende Maßnahmen können helfen, Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker einzudämmen:
-    die schnelle Verurteilung der Taten  
-    Schutzkonzepte und Hilfsangebote für Betroffene. 
-    Klare Regeln und Sanktionsmöglichkeiten für eine respektvolle Debatte im Parlament 
-    Ein verstärkter Schutz der Parlamente: Kein Zutritt für Personen, die ein Risiko für die Arbeit oder die Sicherheit des Parlaments darstellen.

Doch wir müssen auch die Ursachen nachhaltig bekämpfen.
-    Aufklären über Desinformation in sozialen Medien
-    Informieren über die Gefahren einer polarisierten Öffentlichkeit
-    Mehr Demokratie-Bildung und Medienkompetenz vermitteln, 
auch auf digitalen Plattformen.
-    Und politische Lösungen für eine wachsende soziale Ungleichheit finden.

Meine Damen und Herren,

die Lage ist ernst, aber es gibt auch viel Hoffnung:
Der Glaube an die Demokratie mobilisiert.

Die Wahlbeteiligung bei der jüngsten Bundestagswahl war mit über 80 Prozent so hoch wie nie seit der deutschen Wiedervereinigung.

Überall in Europa und auch heute hier im Saal erlebe ich Politikerinnen und Politiker, die sich jetzt erst recht für die Demokratie einsetzen. 
Die sich von den Herausforderungen nicht einschüchtern lassen. 
Sondern ganz im Gegenteil: 
Solidarisch zusammenstehen.

Diese solidarische Entschlossenheit ist ein starker Trumpf, den wir in der Hand haben!

Vielen Dank!