14.05.2025 | Parlament

Worte von Julia Klöckner vor Eintritt in die Tagesordnung am 14. Mai 2025 zur Gratulation an Leo XIV. und zum Gedenken an Margot Friedländer

[Stenografischer Dienst]

Präsidentin Julia Klöckner: 

Guten Tag, zusammen! Ich darf, bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, mit einigen einleitenden Worten beginnen und bitte um ein bisschen Nachsicht für meine angeschlagene Stimme.

Hinter mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich heute zum ersten Mal unseren neuen Direktor beim Deutschen Bundestag begrüßen, Herrn Staatssekretär Paul Göttke. Herzlich willkommen im Namen des ganzen Hauses und auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit!

(Beifall)

Ich darf zu einer weiteren Personalentscheidung kommen, einer mit durchaus etwas größerer Tragweite: zur Papstwahl. Am vergangenen Donnerstag hat das Kardinalskollegium Robert Francis Prevost zum neuen Papst gewählt. In seinen ersten Worten als Papst Leo XIV. hat er zum Frieden aufgerufen, ein Appell, der in diesen angespannten Zeiten weltweit Beachtung finden möge. Zusammen mit dem Bundeskanzler werde ich ihm zur Amtseinführung am kommenden Sonntag die Glück- und Segenswünsche des gesamten Hauses überbringen.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Nachricht vom vergangenen Freitag hat uns alle mit tiefer Trauer erfüllt: der Tod von Margot Friedländer - Holocaustüberlebende, Zeitzeugin, Mahnerin und Versöhnerin. Margot Friedländers Leben war eines der Verständigung. Sie hat uns das Erinnern gelehrt, nicht als Rückblick, sondern als Auftrag für die Gegenwart und als Auftrag für die Zukunft. Sie hat vor Frohmut gestrahlt, trotz allem, was sie erleiden musste. Mit ihrer Großherzigkeit hat sie die Menschen berührt. Sie war eine wahre Friedensstifterin. Oft war sie Ehrengast hier bei uns im Deutschen Bundestag. Wir haben sie gern gesehen, gern begrüßt, und wie gern hätten wir sie in der vergangenen Woche zur Gedenkstunde am 8. Mai hier willkommen geheißen. Am 8. Mai war es auf den Tag genau 80 Jahre her, dass sie selbst aus dem KZ Theresienstadt befreit worden ist.

Sie selbst musste in ihrem Leben viel Unmenschliches erleiden: Zwangsarbeit seit 1940. Als Einzige in ihrer Familie überlebte sie den Holocaust. Ihr Bruder und ihre Mutter wurden 1943 in Auschwitz ermordet. Sie selbst lebte erst in wechselnden Verstecken, bis sie dann denunziert wurde und in das Lager Theresienstadt gebracht wurde.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, nach dem Ende des Nationalsozialismus emigrierte Margot Friedländer in die Vereinigten Staaten. Aber mit 88 Jahren kehrte sie in ihre Heimatstadt Berlin zurück, in das Land, das ihr einst alles genommen hatte, und sie sagte: „Ich bin zurückgekommen, um euch die Hand zu reichen.“ Was für ein Akt menschlicher Größe und ein Ausdruck des Vertrauens in unser Land! Ein Vertrauen, das uns verpflichtet. 

Wo immer sich die Chance bot, erzählte sie ihre Geschichte: an Schulen, an Universitäten und bei öffentlichen Veranstaltungen. Sie machte alle, die ihr zuhörten, zu Zeitzeugen, damit sie ihre Erinnerungen wachhielten. Jede Begegnung mit Margot Friedländer war eine Inspiration. 2023 hat sie die Margot-Friedländer-Stiftung gegründet, um ihr Vermächtnis weiterzugeben. Mit dem gleichnamigen Preis ehrt die Stiftung Menschen, die sich für die Werte einsetzen, die ihr so wichtig waren. 

„Versuche, dein Leben zu machen“, dies waren die letzten Worte, dies war die letzte Nachricht ihrer Mutter an sie damals. Margot Friedländer hat sich entschieden, ihr Leben zu machen, ihr Leben in den Dienst der Versöhnung zu stellen.

„Es ist nicht immer leicht, Mensch zu bleiben, denn manchmal musst Du Dich vergessen, Dich selbst. Aber es ist das Einzige, was uns vor dem Grauen bewahrt.“

So lautete einer ihrer Sätze.

Nun ist sie verstorben. Morgen wird die große Margot Friedländer beerdigt. Sie wird fehlen. Ihre Botschaft aber wird bleiben. Sie mit Leben zu erfüllen - das ist unser aller Aufgabe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe veranlasst, dass ein Kondolenzbuch hier im Deutschen Bundestag für Margot Friedländer ausliegt. Denn vielen von uns ist es ein Anliegen, unseren tiefen Respekt vor dieser außergewöhnlichen Frau zum Ausdruck zu bringen. 

Ich unterbreche die Sitzung für einen kurzen Moment, damit wir ihrer gedenken und uns in Stille verabschieden können.

(Die Anwesenden erheben sich)