Grußwort von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner beim 2. Nationalen Veteranenkongress des Deutschen Bundeswehrverbands in Berlin
[Es gilt das gesprochene Wort]
Sehr geehrter Herr Oberstleutnant Bohnert,
sehr geehrte Damen und Herren,
der 15. Juni 2025 war nichts weniger als ein Einschnitt im Umgang unseres Landes mit der Bundeswehr. Zum ersten Mal hat die Bundesrepublik Deutschland ihre Veteraninnen und Veteranen an einem eigenen Tag gewürdigt.
An über 130 Orten in allen 16 Bundesländern: mit Spendenmärschen und Diskussionsrunden, mit Radtouren und Gottesdiensten.
Und mit einer großen Veranstaltung rund um den Deutschen Bundestag, zu der fast 10.000 Menschen kamen.
Dieser Tag war überfällig. Er war eine öffentliche Anerkennung, die wir allen Veteraninnen und Veteranen schuldig sind.
Wir – damit meine ich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Aber auch die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.
Am Veteranentag haben wir gemeinsam sichtbar gemacht, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Dankbarkeit und Respekt gegenüber denen, die Deutschland loyal gedient haben.
Der erste Veteranentag war ein voller Erfolg! Und dieser Erfolg gehört auch Ihnen hier im Saal, die sich lange dafür eingesetzt haben.
Sie haben nicht lockergelassen, haben sich dafür über Jahre eingesetzt, unbeirrt und überzeugend. Ohne Ihr Engagement gäbe es den Veteranentag nicht.
Im Mittelpunkt standen selbstverständlich die Erfahrungen der Veteranen.
Die Besucherinnen und Besucher haben sich Bryan Adams‘ Fotos von Kriegsversehrten angesehen. Sie haben zugehört, als Veteranen Geschichten aus dem Einsatzalltag erzählten:
wie es ist, wenn jeder Schritt ein Risiko bedeutet,
wie es einen Menschen verändert, wenn der Kamerad verwundet wird,
wie es schmerzt, Kinder sterben zu sehen –
oder wie Afghanistan einen nicht mehr loslässt, auch Jahre nach der Rückkehr.
Bei mir haben die Begegnungen an diesem Tag einen tiefen Eindruck hinterlassen. Immer wieder denke ich an die Menschen, die ich kennengelernt habe. Und die Geschichten, die sie mir geschildert haben.
Und ich denke auch an die Familien, die im Grunde mitgedient haben.
Die ihre Angehörigen gestützt und getragen haben. Manchmal einfach nur durch Schweigen.
Partnerinnen und Partner, die plötzlich allein den Alltag stemmen mussten.
Eltern, die bei jedem Anruf zusammenzuckten.
Kinder, die fragten: „Wann kommst Du wieder?“
Sie waren da, wenn der Dienst vorbei war – und oft auch dann, wenn er innerlich noch lange nicht vorbei war.
Doch trotz so vieler Erlebnisse – einen Satz habe ich von den Veteranen immer wieder gehört: Ich würde es wieder tun.
Das hat mich berührt. Und mit tiefer Dankbarkeit erfüllt.
Meine Damen und Herren,
Sie hier im Saal wissen es besser als andere: Lange haben sich viele Deutsche für die Bundeswehr nicht sonderlich interessiert. Weil sie glaubten, wir würden im ewigen Frieden leben.
Das hat sich geändert. Mehr als 80 Prozent haben ein positives Bild der Bundeswehr – so eine Studie. Ein Rekordhoch!
Durch Russlands Krieg gegen die Ukraine ist den Menschen klar: Es ist nur die Bundeswehr, die unser Land, unsere Werte, unsere Freiheit verteidigen kann. Darum brauchen wir ein enges Band zwischen Truppe und Gesellschaft.
Im Bundestag beraten die Fraktionen demnächst einen neuen, modernen Wehrdienst. Eine wichtige Debatte, die auch Grundsatzfragen aufwirft: Sollen etwa auch Frauen einbezogen werden, wie manche jetzt fordern. Wie auch immer man dazu im Einzelnen steht: Der Wehrdienst verkörpert etwas zutiefst Demokratisches: das Ideal des „Staatsbürgers in Uniform“!
Diese Debatte ist Teil eines größeren Wandels, vor dem unsere Bundeswehr steht. Der Militärhistoriker Sönke Neitzel, der morgen hier einen Vortrag hält, spricht von der „dritten Neugründung“ der Bundeswehr – nach dem Kalten Krieg und der Zeit als Einsatzarmee.
Seit langem diskutieren wir darüber, dass Deutschland in Europa mehr Verantwortung übernehmen muss. Seit dem Ukraine-Krieg ist klar: Es geht dabei auch um militärische Verantwortung.
Ein Beispiel: die dauerhafte Brigade in Litauen. Damit zeigt Deutschland Entschlossenheit, das Bündnis zu verteidigen.
Gleichzeitig sehen wir: Russland reagiert auf Verhandlungsbemühungen mit immer neuen, brutalen Angriffen. So handelt niemand, der Frieden will.
Darum müssen wir den Druck auf Russland weiter erhöhen. Und die Ukraine mit aller Kraft unterstützen.
Doch wir wissen: Am Ende werden Verhandlungen nötig sein. Daraus ergeben sich schwierige Fragen für Europa. Auch Sie, die Veteraninnen und Veteranen, werden diese Debatte aufmerksam verfolgen.
Meine Damen und Herren, Sie kommen hier zusammen, um nach vorn zu blicken: Wie können wir den Veteranentag weiterentwickeln?
Sie werden dabei sicherlich auch einen Blick ins Ausland werfen. Dort sieht man, was Veteranenkultur bedeuten kann:
Schulen laden Veteranen ein.
Kommunen planen Veranstaltungen.
Arbeitgeber überdenken ihre Personalpolitik.
Therapeuten spezialisieren sich auf Kriegstrauma.
Ich wünsche mir vor allem, dass Gesellschaft und Veteranen miteinander ins Gespräch kommen. Jede Geschichte macht die Erfahrung greifbar. Jede Begegnung lässt spüren: Veteranen sind Nachbarn, Kollegen, Familienväter und -mütter – Menschen mit besonderen Erlebnissen.
Und vor allem waren und sind die Veteranen bereit, das Äußerste zu geben. Für uns alle. Für unser Land und unsere Demokratie.
Sie verdienen unsere Hochachtung. Nicht nur am Veteranentag, sondern an jedem Tag, an dem wir in Freiheit leben.
Ich wünsche Ihnen einen spannenden Kongress mit fruchtbaren Diskussionen. Ich bin gespannt auf Ihre Ideen für den Veteranentag!