11.03.2024 | Parlament

Pressemitteilung: SED-Opferbeauftragte legt dem Bundestag einen Sonderbericht zur Verbesserung der Anerkennung von Gesundheitsschäden von SED-Opfern vor

Zupke: „Ein Weiter so darf es nicht geben!“
Am heutigen Tag hat die SED-Opferbeauftragte dem Deutschen Bundestag einen Sonderbericht zum gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Verbesserung der Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden von SED-Opfern vorgelegt.

Aktuell scheitert die Mehrheit der SED-Opfer bei der Anerkennung ihrer verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden. So ist beispielsweise im Land Sachsen-Anhalt seit 2015 nur einem Betroffenen die Anerkennung seiner Gesundheitsschäden gelungen. Den Opfern bleibt damit der Zugang zu dringend benötigter Hilfe und Unterstützung verwehrt. Die Opfer scheitern immer wieder beim Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der politisch motivierten Verfolgung und der heutigen gesundheitlichen Schädigung.

Evelyn Zupke: „Die Schädigungen der SED-Opfer liegen mehrere Jahrzehnte zurück und erfolgten in den Strukturen eines repressiven Staats. Mit dem Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs werden hier Kriterien angelegt, die für die Mehrheit der Opfer von politischer Verfolgung in der DDR nicht erfüllbar sind. Das Scheitern der Opfer liegt damit im System.“

In ihrem Sonderbericht stellt die SED-Opferbeauftragte die aktuellen Erkenntnisse der Forschung dar, zeigt die Defizite im bestehenden Anerkennungssystem auf und benennt konkret, wie im Zuge der geplanten Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze eine grundsätzliche Vereinfachung erreicht werden kann.

Evelyn Zupke: „Aktuelle Forschungsergebnisse, wie die der Charité Berlin, zeichnen ein klares Bild. Allein rund 60 Prozent der weiblichen ehemaligen politischen Gefangenen leiden heute unter einer Angststörung. Dieser Wert ist fünfzehn Mal höher als in der Normalbevölkerung. Wir dürfen an den Ergebnissen der Forschung nicht länger vorbeigehen.“

Aus Sicht der Opferbeauftragten sollten die Ergebnisse der Forschung in der Ausgestaltung des Anerkennungssystems Berücksichtigung finden. In ihrem Sonderbericht schlägt die SED-Opferbeauftragte daher eine konkrete Gesetzesänderung vor.

SED-Opferbeauftragte: „Mit den Forschungsergebnissen besteht für die Politik somit eine belastbare Grundlage, um im Umgang mit den gesundheitlichen Folgeschäden bei SED-Opfern zukünftig nicht mehr den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs im Einzelfall als Entscheidungskriterium zu definieren. Beim Vorliegen des Nachweises der erlebten Repression, wie politische Haft, und dem Vorliegen definierter Krankheitsbilder, wie einer Angststörung, sollte zukünftig der Zusammenhang regelhaft vermutet werden.“

Eine solche kriterienbasierte Vermutungsregelung hat sich im Soldatenrecht im Umgang mit Soldatinnen und Soldaten, die infolge von Auslandseinsätzen psychische Schädigungen erlitten haben, bewährt.

Der Deutsche Bundestag hat im letzten Jahr mit einem Beschluss zum Jahrestag des DDR-Volksaufstandes die Bundesregierung aufgefordert, „die Evaluation der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze zu nutzen, um bei der jetzt anstehenden Novellierung die Impulse der Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag zu berücksichtigen.“

Eine grundlegende Vereinfachung der Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden von SED-Opfern, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, ist einer der wesentlichen Impulse der SED-Opferbeauftragten für die Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze.

Evelyn Zupke: „Die Bundesregierung und der Bundestag haben es in den nächsten Monaten in der Hand. Ich werbe dafür, dass wir im Jubiläumsjahr von Friedlicher Revolution und Mauerfall nicht nur an den Widerstand erinnern und die Opfer würdigen. Wir sollten die Menschen, die sich dem System in den Weg gestellt haben und die unter den Folgen der Diktatur bis heute leiden, ganz konkret besser unterstützen.“

Niels Schwiderski, Leitung der Geschäftsstelle der SED-Opferbeauftragten

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