19.01.2023 | Parlament

„Geschichte der mosambikanischen Vertragsarbeiter ist auch unsere Geschichte“ - Grußwort

Das Bild zeigt zwei Frauen und einen Mann die in einem Gespräch sind. Im Hintergrund ist ein Plakat mit der Aufschrift Deutscher Bundestag, SED-Opferbeauftragte und Fenster.

Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke (rechts) im Fachgespräch zum Schicksal der mosambikanischen DDR-Vertragsarbeiter. Links Staatsministerin Katja Keul und der Vorsitzende des Stiftungsrates der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur Markus Meckel. (© DBT / Marc Beckmann)

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Keul, sehr geehrte Abgeordnete, lieber Markus Meckel, lieber Herr Windfuhr, lieber Herr Massuvira João, liebe Birgit Neumann-Becker, liebe Frau Rüchel, meine sehr geehrten Damen und Herren,

als Birgit Neumann-Becker, Dr. Anna Kaminsky und Markus Meckel mich kurz nach meinem Amtsantritt erstmals auf die mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter ansprachen, war ich offen gestanden überrascht. Dass die Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter in der DDR, sei es aus Vietnam oder Mosambik, kein einfaches Leben hatten, war mir bewusst.

Auch wusste ich aus eigener Erfahrung um die damalige Abschottung, die Isolation und Ausgrenzung unter der viele der Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter leben mussten. Aber die Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter als Opfer der SED-Diktatur? Diesen Zusammenhang hatte ich, offen gestanden, bis dahin nicht gesehen.

Je näher man sich jedoch mit den Biografien der Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter auseinandersetzt, desto offensichtlicher werden die Zusammenhänge.

Es war der SED-Staat, der ganz bewusst die Menschen getäuscht hat. Der ihnen Rechte genommen und der sie ausgebeutet hat.

Das, was den Menschen widerfahren ist, war kein Zufall.

Es war systematisch geplant und wurde im vollen Wissen um die einschneidenden Nachteile für die Betroffenen umgesetzt.

Das Schicksal der mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter ist für mich ein weiteres Beispiel dafür, dass die Diktatur sich eben nicht nur in der Unterdrückung politisch Andersdenkender zeigte.

Nein, der Diktatur-Charakter der DDR war vielschichtiger. Diese Vielschichtigkeit der Diktatur, sie ist eine Erkenntnis, die erst in den letzten Jahren in unserer Gesellschaft gewachsen ist. Sei es bezogen auf die repressiven Formen der Jugendhilfe oder auf das Unrecht durch Medizin. Aber eben auch bezogen auf die Situation der Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter.

Aber: Die Geschichte der Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter endet eben nicht 1989/1990 mit Mauerfall und deutscher Einheit. Es ist besonders der Umgang mit dem Thema in den frühen Jahren des wiedervereinigten Deutschlands, der uns heute bewegt.

Als ich das Thema in meinem ersten Jahresbericht im Sommer aufgegriffen hatte, wurde ich danach häufiger angesprochen:

„Naja, Frau Zupke, eines dürfen Sie nicht vergessen, die Mosambikaner. Die haben in den 1990er-Jahren Millionen von DM erhalten, mehr als viele andere Gruppen. Unsere Schuldigkeit ist getan. Wir können und dürfen uns nicht die Probleme anderer aufhalsen.“

Natürlich dürfen wir die Bemühungen um Ausgleich und Entschädigung in den frühen 1990er-Jahren nicht ausblenden. Mir als Opferbeauftragte ist es jedoch besonders wichtig, dass wir in all den Fragen von zwischenstaatlichen Beziehungen nicht den einzelnen Betroffenen aus dem Blick verlieren.

Was hilft eine Unterstützung, die die Betroffenen nicht erreicht hat, sondern zu großen Teilen im Sumpf eines korrupten Staates versickert ist?

Aus meiner Sicht ist es daher richtig, dass wir uns auch heute noch mit der Vertragsarbeit und ihren Folgen auseinandersetzen.

Ich bin der Bundesstiftung Aufarbeitung um Dr. Anna Kaminsky und dir, liebe Birgit Neumann-Becker, als Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalts zur Aufarbeitung der SED-Diktatur dankbar, dass ihr mit Publikationen und Veranstaltungen immer wieder die Vertragsarbeit und ihre Folgen thematisiert habt.

Neben all den Fragen der Unterstützung der Betroffenen wünsche ich mir eine größere Sichtbarkeit der mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter, ja der Vertragsarbeit insgesamt,  in unserer Gedenk- und Erinnerungskultur. Auch hier sehe ich weiterhin noch Defizite.

Die Geschichte der mosambikanischen Vertragsarbeiter - ihre Geschichte ist auch unsere Geschichte.

Ich bin unseren Gästen dankbar dafür, dass sie heute hier sind und uns informieren und vor allem für Fragen zur Verfügung stehen.

Vielen Dank lieber Markus Meckel, lieber Herr Windfuhr, lieber Herr Massuvira João, liebe Birgit Neumann-Becker, lieber Herr Alberto, lieber Herr Chaimite. Ihnen, liebe Frau Dr. Schoenmakers vielen Dank für die Moderation am heutigen Tag.

Ich freue mich ganz besonders, dass Sie, liebe Frau Staatsministerin Keul, heute hier dabei sind. Für mich ist dies ein großer Ausdruck von Wertschätzung. Es hat mich – und ich denke viele andere die heute hier sind ebenso, beeindruckt, was Sie und was das Auswärtige Amt in den letzten Monaten mit der Rückgabe der Benin-Bronzen geleistet haben.

Natürlich sind die Themen ganz unterschiedlich gelagert. Die letzten Monate haben aber doch gezeigt, welche Kraft die Aufarbeitung von Unrecht haben kann und wie Gesellschaft heute davon profitiert.

Ich sehe unser heutiges Fachgespräch hier im Deutschen Bundestag als eine Chance. Eine Chance zur Information aus erster Hand, durch die Personen, die sich seit Jahren mit diesem Thema befassen und als eine Einladung zum offenen Austausch über unseren weiteren Umgang mit diesem Teil unserer Geschichte.

Vielen Dank!

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