16.11.2023 | Parlament

Grußwort bei der Festveranstaltung „30 Jahre Thüringer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“, Plenarsaal Thüringer Landtag, Erfurt

Das Bild zeigt ein Plenarsaal. Eine Frau steht am Rednerpult und spricht zum Publikum

Die SED-Opferbeauftragte hält bei der Festveranstaltung „30 Jahre Thüringer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ im Plenarsaal Thüringer Landtag eine Rede (© Team Zupke)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Pommer,
sehr geehrter Herr Minister Dr. Hoff,
sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Landesbeauftragter, lieber Peter,
liebe Kolleginnen und Kollegen Landesbeauftragte,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Ministerien und Institutionen,
liebe ehemals politisch Verfolgte,
sehr geehrte Gäste,

30 Jahre Thüringer Landesbeauftragter ist für mich der Blick zurück auf das Erreichte, aber ebenso auch der Blick nach vorn. Wo stehen wir in der Aufarbeitung des SED-Unrechts? Was haben wir zur Unterstützung der Opfer erreicht?

Wenn wir uns diesen Fragen nähern und auf die zurückliegenden Jahrzehnte schauen, ist es mir besonders wichtig, dass wir eines erkennen: Für den Prozess der Aufarbeitung der Diktatur und der Unterstützung der Opfer gab es kein Vorbild. Es gab keine Blaupause, an der man sich hätte orientieren können.

In den zurückliegenden drei Jahrzehnten wurde viel für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft erreicht. Insbesondere die Rehabilitierungsgesetze sind ein Anker für die Betroffenen.

Gerade durch die Beratung hier bei Ihnen durch den Thüringer Landesbeauftragten und sein Team, konnten tausende Bürgerinnen und Bürger Gerechtigkeit erfahren. Mein Dank gilt hier, neben Peter Wurschi, auch seinen Vorgängerinnen und Vorgängern Jürgen Harschke, Hildigund Neubert und Christian Dietrich.

Das Unrecht, das die Diktatur den Opfern zugefügt hat, wird in der Demokratie gelindert.

Aber all das Erreichte darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir auch heute noch vor großen Herausforderungen stehen.

Die Herausforderungen der 1990er- und 2000er-Jahre sind jedoch andere als die heutigen. Direkt nach dem Mauerfall ging es insbesondere darum, erste Erkenntnisse über die Strukturen der SED-Diktatur zu gewinnen. Ziel war es, den ehemaligen politischen Häftlingen möglichst schnell eine Rehabilitierung zu ermöglichen. Und es ging auch darum, eine Möglichkeit für alle Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, dass sie Einsicht in „ihre“ Stasi-Akte nehmen konnten. Ein Prozess, der mit der ersten Besetzung der Stasi-Zentrale hier im Erfurt am 4. Dezember 1989 seinen Ausgangspunkt hatte.

Über dreißig Jahre später sehen wir: Der Schatten der Diktatur reicht weit. Er reicht viel weiter, als es viele damals vermutet hätten.

Gerade was das Hineinwirken des Repressionsapparats in die Gesellschaft, in die Familien und die Institutionen angeht, gewinnen wir dank der Forschung und dank Betroffener, die über ihre Schicksale berichten, auch heute noch immer wieder neue Erkenntnisse.

Diese Erkenntnisse sind wichtig, um die Wirkungsweisen einer Diktatur zu begreifen und den Betroffenen adäquat helfen zu können.

Zudem zeigen sich manche Probleme – wie bei der Traumatisierung der Opfer – erst Jahre oder Jahrzehnte später. Manche Opfer können erst jetzt, mehr als 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der Diktatur, über das sprechen, was ihnen damals angetan wurde.

Unsere heutigen Herausforderungen sind andere als die der ersten Jahre. Aber: Sie sind eben nicht weniger herausfordernd!

Weiterhin gibt es Opfergruppen, wie die Zwangsausgesiedelten oder auch die Opfer des Zwangsdopings, um nur zwei Beispiele zu nennen, bei denen es uns bis heute an geeigneten Unterstützungsinstrumenten mangelt.

Rund die Hälfte der ehemals politisch Verfolgten lebt heute an der Grenze zur Armutsgefährdung.

Viele der ehemals politisch Verfolgten leiden heute an den Spätfolgen der erlebten Repression. Die meisten von ihnen scheitern jedoch auf ihrem Weg der Anerkennung ihrer Gesundheitsschäden. Ohne Anerkennung aber, kein Zugang zu dringend benötigten Leistungen.

All das sind Themen, bei denen wir als demokratische Gesellschaft zum Handeln aufgefordert sind.

Hier in Thüringen haben sie mit dem Amt des Landesbeauftragten genau den richtigen Partner für all das was vor uns liegt. Eine Stelle, die ganz konkret Beratung für die Betroffenen und insbesondere auch ihrer Angehörigen leistet. Einen Partner, der über die SED-Diktatur aufklärt und Impulse für die Aufarbeitung gibt. Eine starke Stimme für die Anliegen der Opfer in der Öffentlichkeit und in der Politik.

Die Arbeit des Thüringer Beauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur ist eine Investition in unsere Demokratie.

Ja, unsere heutigen Herausforderungen sind andere als die der ersten dreißig Jahre. Aber: Sie sind eben nicht weniger herausfordernd!

Ich bin jedoch überzeugt davon, dass wir gerade mit dem Amt des Landesbeauftragten hier in Thüringen für den weiteren Weg der Aufarbeitung der SED-Diktatur gewappnet sind.

Vielen Dank!


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