28.10.2025 | Parlament

Neue Gedenktafel erinnert in Freital an den Jugendwerkhof „Junge Welt“ – Ein wichtiges Zeichen der Aufarbeitung und Verantwortung

Das Bild zeigt eine Frau die in einem Park neben einer großen Tafel steht. Auf der Tafel sind Bilder und Text zu sehen.
Das Bild zeigt einen Park in dem Park stehen Menschen hinter großen Tafeln. Auf den Tafel sind Bilder und Text zu sehen.
Das Bild zeigt einen Ausschnitt der Gedenktafel „Revitalisierungsstandort Saugrund/Hüttengrund“.
Das Bild zeigt einen Ausschnitt der Gedenktafel Zwangsarbeiterlager Wettingrund.
Das Bild zeigt einen Ausschnitt von der Gedenktafel Junge Welt, so hieß der Jugendwerkhof in Freital. Es sind Bilder vom Leben im Jugendwerkhof abgebildet.

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Evelyn Zupke bei der Einweihung der Gedenktafeln in Freital (© Team Zupke)

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Evelyn Zupke bei der Einweihung der Gedenktafeln in Freital; gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt, dem BGH-Aufsichtsratsvorsitzenden der BHG Group, der sächsischen Landesbeauftragten, dem UOKG-Vorsitzenden und Zeitzeugen (© Team Zupke)

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Bildausschnitt der Gedenktafel „Revitalisierungsstandort Saugrund/Hüttengrund“ (© Team Zupke)

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Bildausschnitt der Gedenktafel „Zwangsarbeiterlager im Wettingrund“ (© Team Zupke)

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Bildausschnitt der Gedenktafel Jugendwerkhof „Junge Welt“ (© Team Zupke)

Am 28. Oktober 2025 wurde im sächsischen Freital eine Informationstafel zum ehemaligen DDR-Jugendwerkhof „Junge Welt“ eingeweiht. Die SED-Opferbeauftragte nahm zusammen mit dem Oberbürgermeister Uwe Rumberg, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der BGH Edelstahlwerke GmbH Sönke Winterhager, der sächsischen Landesbeauftragten Dr. Nancy Aris, dem Vorsitzenden der UOKG Dieter Dombrowski und den ehemaligen Insassen des Jugendwerkhofes Sven Richter und Uwe Müller an der Enthüllung teil. Auch die Familie des 2023 verstorbenen ehemaligen Insassen Eberhard Trümpelmann, der maßgeblich mit zur Aufarbeitung der Geschichte des Jugendwerkhofes beigetragen hat, war anwesend.

Insgesamt wurden drei Gedenktafeln enthüllt. Sie gedenken der dunklen Kapitel des historischen Ortes auf dem Gelände, das heute Teil der BHG Edelstahlwerke Freital GmbH ist. Sie erinnern

  • an das dortige Kriegsgefangenenlager der Nationalsozialisten im zweiten Weltkrieg zum Zwangsarbeitseinsatz in der damaligen „Sächsischen Gußstahlfabrik Döhlen“,
  • an den dortigen nach der Einheit bestehenden Revitalisierungsstandort von radioaktivbelasteten ehemaligen Absatzbecken für die Uranschlämme der SDAG Wismut der DDR und
  • an die damals dort befindlichen Baracken des DDR-Jugendwerkhofes „Junge Welt“, die 1997 abgerissen wurden.

Der Jugendwerkhof „Junge Welt“ bestand von 1949 bis 1989 und war Teil des repressiven Erziehungssystems der DDR. In Freital waren jeweils bis zu 130 Jungen im Alter von 14 bis 18 Jahren interniert. Sie waren dort menschenunwürdigen Bedingungen ausgesetzt und erlebten militärischen Drill, Zwang, Gewalt und Entwürdigung.

Auf dem Gelände des damaligen VEB „Hüttenwerk Döhlen“, den die BGH Edelstahlwerke GmbH aus Siegen 1993 übernommen hat, mussten die Jugendlichen aus dem Jugendwerkhof Freital zudem körperlich schwere und gefährliche Zwangsarbeit im Dreischichtsystem verrichten. Sie schleiften, bohrten und feilten an scharfkantigen Stahlplatten, häufig ohne ausreichenden Schutz. Wer die geforderten Arbeitsnormen nicht erfüllte oder sich widersetzte, wurde in Freital mit Arrest in engen Zellen, den sogenannten ´Bunkern`, bestraft. Zudem lebten die Jugendlichen des Jugendwerkhofes in nah an den mit radioaktiver Belastung verseuchten Böden, Schlacken und Dämpfen. 

„Bis heute leiden viele der ehemaligen Insassen von Jugendwerkhöfen – teils massiv – an den seelischen und körperlichen Folgen“, betont die SED-Opferbeauftragte, „Auch diejenigen, die in Freital unter Repression und Zwangsarbeit litten.“

Dabei reichen die Schatten des Erlebten oft weit bis in die Familien, wie auch der Sohn von Eberhard Trümpelmann bei der Veranstaltung berichtete. Sein Vater war Mitte der 60er Jahre mit 16 Jahren nach einem gescheiterten Fluchtversuch in den Westen in den Jugendwerkhof Freital eingewiesen worden. Lange nach seiner Entlassung und der Gründung einer Familie im Harz war sein Sohn dann der Sohn eines so genannten Staatsfeindes und selbst ständiger Beobachtung ausgesetzt, erzählt Sven Trümpelmann. Und in der Schule sei er oft der Schuldige gewesen. Schon als Kind habe er gelernt, dass man über bestimmte Dinge lieber ganz leise sprach, wenn überhaupt – dass man sich lieber versteckt. Gerade deshalb sei er der Stadt und den heutigen Eigentümern des Edelstahlwerks für die Gedenktafel dankbar, denn für ihn bedeute dieser Tag, dass das Schweigen endlich einen Ort habe und man darüber redet, was so lange an Wunden seines Vaters, aber auch an Wunden für die Familie verschwiegen wurde. (S. die gesamte Rede rechts.)

Auch die SED-Opferbeauftragte ist dem Unternehmen BGH Edelstahlwerke sehr dankbar, dass es sich seiner Standortgeschichte stellt und Verantwortung übernimmt – auch ohne selbst Schuld an den damaligen Vorgängen zu tragen. „Diese Bereitschaft zur Erinnerung ist ein starkes Zeichen historischer und gesellschaftlicher Verantwortung – von dem wir mehr brauchen!“, so Zupke.

Die Opferbeauftragte ruft zugleich weitere ehemalige Insassen des Jugendwerkhofs Freital dazu auf, ihre Erinnerungen und Erfahrungen einzubringen, damit die Aufarbeitung vor Ort fortgesetzt werden kann. Dazu können sich Betroffene direkt an den Archivar des Unternehmens Stefan Jentsch wenden (stefan.jentsch@bgh.de). Denn für die SED-Opferbeauftragte ist Erinnerung kein Rückblick: „Wir schulden den Opfern des SED-Unrechts, ihre Geschichten zu hören und nicht aufzuhören, ihr Leid sichtbar zu machen. Und uns in der demokratischen Gesellschaft schulden wir, aus dieser Geschichte zu lernen.“

 

Hintergrund:

Die Gedenktafeln stehen an der Hüttenstraße 1 – direkt gegenüber dem Verwaltungsgebäude der BGH Edelstahlwerke, um ein zugängliches Gedenken zu ermöglichen. 

Die Stadt Freital stellt seit 10 Jahren mit verschiedenen Partnern Informationstafeln im Stadtgebiet auf, um mit örtlichem Bezug mit Texten und Bildern auf Persönlichkeiten, prägende Etappen der Stadthistorie und Bauwerke hinzuweisen. Bei den nun erstellten Tafeln handelt es sich um die Nummern 28 bis 30.