05.11.2022 | Parlament

Hoheneck: Vom Ort des Grauens zum Ort der Aufklärung

Das Bild zeigt drei Frauen im Gespräch und weitere Zuhörende; rechts im Bild ist eine geöffnete Tür zu sehen.
Das Bild zeigt eine Gruppe von Menschen die in einem großen Raum stehen. Von der Decke hängen Kabel, die Wände sind schwarz. Ein Mann erklärt der Gruppe etwas.
Das Bild zeigt einen Flur mit drei Gefängniszellen, die Türen stehen offen. Der Flur führt in einen nächsten großen Raum mit weitern Gefängniszellen.
Das Bild zeigt drei Frauen die an einem Tisch sitzen und eine die sich zur Gruppe herunterbeugt und etwas erklärt. Im Hintergrund sitzen zwei Männer, an der Wand hängt ein großen buntes Kunstwerk.
Das Bild zeigt sechs Frauen mit Blumenkränzen auf einem Gehweg stehend. Hinter ihnen stehen weitere Personen, eine Straßenkreuzung und ein Wohngebiet.
Das Bild zeigt ein großes vier stöckiges rotes Backsteingebäude. Im Vordergrund steht ein kleines Gebäude. Alle Fenster sind vergittert.

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Ehemalige Hoheneckerin Karin Leberwurst im Gespräch mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth und SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke in der zukünftigen „Gedenkstätte Frauenhaftanstalt Hoheneck“ (© DBT / Team Zupke)

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Prof. Stefan Appelius erläutert den Anwesenden das Konzept in den künftigen Räumen der Dauerausstellung. (© DBT / Team Zupke)

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Zellentrakt im ehemaligen Frauengefängnis Hoheneck in Stollberg. (© DBT / Team Zupke)

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Sächsische Staatsministerin für Justiz und Demokratie Katja Meier, ehemalige politische Gefangene Karin Leberwurst, SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke und Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth im Phänomenia Stollberg. (v.l.n.r.) (© DBT / Team Zupke)

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Ehemalige Hoheneckerin Karin Leberwurst, Kulturstaatsministerin Claudia Roth, SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke, Sächsischen Staatsministerin für Justiz und Demokratie Katja Maier, Sächsischen Staatsministerin für Kultur Barbara Klepsch und der Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Dr. Nancy Aris u.a. auf dem Weg zum Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus. (© DBT/Team Zupke)

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Ehemaliges Frauengefängnis Hoheneck in Stollberg. (© DBT / Team Zupke)

Am 5. November besuchten Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die sächsische Justiz- und Demokratieministerin Katja Meier und die sächsische Kulturministerin Barbara Klepsch gemeinsam mit der SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke das ehemalige DDR-Frauenzuchthaus Burg Hoheneck, in der gegenwärtig eine Gedenkstätte entsteht. Die Haftanstalt war von 1952 bis 1989 das zentrale Frauengefängnis in der ehemaligen DDR; rund 8000 der insgesamt ca. 30.000 weiblichen politischen Häftlinge der DDR (vor allem wegen Republikflucht, Fluchtversuch oder Mitwisserschaft verurteilt) wurden in Hoheneck inhaftiert. Zusammen mit von der SED-Diktatur politisch verfolgten und in Hoheneck inhaftierten Frauen, dem Geschäftsführer der Sächsischen Gedenkstättenstiftung Markus Pieper und dem Oberbürgermeister der Stadt Stollberg Marcel Schmidt gedachte man zunächst mit Kranzniederlegungen am „Gedenkstein für die Opfer politischer Haft in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR“ vor der Burggelände des Leides der Häftlinge.

In einem Rundgang durch die künftige Gedenkstätte berichtete die ehemalige politische Gefangene Karin Leberwurst der Kulturstaatsministerin von den schier unmenschlichen Haftbedingungen in Hoheneck und den Repressionen, denen die Frauen ausgesetzt waren: Kindesentzug, Gewalttätigkeit, Willkür und psychische Folter, Isolationshaft, Dunkel- und Wasserzellen, Hunger, permanente Kälte, dauerhafte Nässe, schlimmste hygienische Bedingungen, Überlegungen, Zwangsarbeit im Dreischichtsystem mit Verbrennungen, kaum Luft zum Atmen und nicht vorhandenem Arbeitsschutz. Erfahrungen, die die Frauen, die dort inhaftiert waren, für immer geprägt haben.

„Claudia Roth hat den Zeitzeuginnen beim Rundgang und in der anschließenden Gesprächsrunde sehr aufmerksam zugehört und offen ihre eigenen, wie sie sagt, blinken Flecken einer Westdeutschen beim Wissen um die SED-Diktatur angesprochen. Ich bin der Kulturstaatsministerin sehr dankbar für ihre Offenheit, ihre große Empathie für die Opfer und ihr Bekenntnis, dass Hoheneck ein Ort nationaler Bedeutung ist und Teil der gesamtdeutschen Erinnerungskultur werden soll, um Menschenrechtsverletzungen, Entrechtung und politische Verfolgung in der DDR  - hier vor allem gegenüber den Frauen - sichtbar werden zu lassen“, so die SED-Opferbeauftragte.

Evelyn Zupke setzt sich dafür ein, das Leid auch der weiblichen politischen Häftlinge und den Widerstand von Frauen in der DDR stärker als bisher in den Blick zu nehmen und zu würdigen. Die Entwicklung der „Gedenkstätte Frauenhaftanstalt Hoheneck“ kann und sollte nach Auffassung der SED-Opferbeauftragten hier eine zentrale Rolle spielen.

Die Stadt Stollberg, das Land Sachsen und der Bund fördern die Errichtung der Gedenkstätte und den Ausbau des Burgareals gemeinsam. Bisher sind etwa 24 Millionen Euro für Baumaßnahmen des Gesamtareals aufgewendet worden, davon ca. zweidrittel über Finanzierungen aus Städtebauprogrammen des Bundes. Aus Projektmitteln stellen Land und Bund gemeinsam insgesamt 1,4 Millionen für den Gedenkstättenaufbau zur Verfügung. Das Land finanziert das Interimsbüro der Gedenkstätte und stellt künftig auch institutionelle Mittel für den Betrieb bereit. Um eine dauerhafte Absicherung der Finanzierung der Gedenkstätte zu erreichen, wirbt die SED-Opferbeauftragte für den Einstieg auch den Bundes in die institutionelle Förderung von Hoheneck, wenn dafür die Voraussetzungen geschaffen sind. Die Eröffnung der Dauerausstellung der Gedenkstätte ist für Ende 2023 geplant.

Als Zeitzeuginnen waren u. a. dabei:

  • Karin Leberwurst, die die Fluchtpläne ihrer besten Freundin für sich behielt und dann wegen „Nichtanzeigens einer Straftat“ im Alter von 19 Jahren 1973 zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Nach zehn Monaten entwürdigenden Haftbedingungen und Zwangsarbeit in Hoheneck wurde sie 1975 von der Bundesrepublik freigekauft und durfte in den Westen ausreisen. Leberwurst ist Mitglied des 2019 gegründeten Vereins „Forum für politisch verfolgte und inhaftierte Frauen in der SBZ/SED-Diktatur e. V.“.
  • Annemarie Krause, die 1948 im Alter von 16 Jahren verhaftet und zu 25 Jahren wegen Beihilfe zur Fahnenflucht ihres moldawischen Freundes der Roten Armee, mit dem sie mit ihrer Tochter gemeinsam in den Westen gehen wollte, verurteilt wird. Nach mehreren Jahren Haft unter unmenschlichsten Bedingungen, wie sie es beschreibt, wird sie 1954 entlassen. Krause ist Unterstützerin des 2010 gegründeten „Süddeutschen Freundeskreis Hoheneckerinnen“.
  • Regina Labahn, die 1984 Opfer der SED-Diktatur wurde. Sie war zwei Jahre im Frauengefängnis Hoheneck wegen ihres Ausreisegesuchs in den Westen inhaftiert. Labahn ist derzeitige Vorsitzende des 1991 gegründeten „Frauenkreis der der ehemaligen Hoheneckerinnen e. V.“.

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