Parlament

Kolumne der Wehrbeauftragten - November 2020

Eine Frau mit blonden Haaren und hellblauem Blazer steht vor einer Betonwand.

Wehrbeauftragte Eva Högl (DBT/Inga Haar)

Liebe Soldatin, Lieber Soldat,

das Kommando Spezialkräfte (KSK) befindet sich in einem historischen Umbruch. Nach mehreren rechtsextremistischen Vorfällen mit starker medialer Aufmerksamkeit, wurde – angestoßen durch einen sehr offenen und selbstkritischen Brief des Kommandeurs, Brigadegeneral Kreitmayr – ein umfassender Reformprozess in Gang gesetzt. 60 Maßnahmen hat Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer beschlossen – von der Auflösung der 2. Kompanie über die Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung, die Stärkung von logistischen Strukturen im Verband bis hin zur stärkeren Öffnung des KSK in Truppe und Gesellschaft.

Seit meiner Amtsübernahme Ende Mai war ich bereits zweimal in Calw, um mich vor Ort ausführlich zu informieren. Wichtig ist mir, bei meinen Besuchen mit den Soldatinnen und Soldaten zu sprechen, um zu hören, was sie über die Vorfälle und die Reformen denken, was sie bewegt, wie sie sich fühlen und welche Ideen sie haben.

In meinen Gesprächen habe ich aufrichtige Betroffenheit erlebt. Das Eigeninteresse und die Motivation waren spürbar, die rechtsextremistischen Vorkommnisse der Vergangenheit mit aufzuklären, aufzuarbeiten und die Reformen umzusetzen. Das ist sehr wichtig. Denn der Reformprozess kann nur gelingen, wenn er vom KSK selbst gewollt, getragen und gestützt wird.

Bei meinem letzten Besuch wurde ich von Kommandeur Kreitmayr eingeladen, mir den zweiten Teil des Potenzialfeststellungsverfahrens für Kommandosoldaten anzuschauen. Das ist ein mehrtägiges Auswahlverfahren zum Thema Überleben und Durchschlagen unter extremen Bedingungen.

Die Bewerber werden hierbei an körperliche und mentale Belastungsgrenzen geführt. Nicht von ungefähr wird dieser Teil auch „Höllenwoche“ genannt. Es hat mich sehr beeindruckt, mit welcher Entschlossenheit und Durchhaltefähigkeit die Bewerber die verschiedensten Aufgaben und Herausforderungen bewältigten und wie professionell das KSK auch unter Rückgriff auf externe Expertisen das Verfahren organisiert und durchführt.

Unter den Kommandosoldaten gibt es zurzeit noch keine Frauen. Auch bei den diesjährigen Bewerbern war keine Frau dabei. Aber der Einsatz von Frauen im KSK (auch bei Kommandosoldaten) ist grundsätzlich möglich und von der Führung gewollt. In anderen Bereichen ist er auch bereits Alltag. Rund 120 Frauen sind an unterschiedlichen Stellen im Kommando Spezialkräfte tätig. Insbesondere weibliche Aufklärungsfeldwebel stellen einen erheblichen Fähigkeitszuwachs für den Verband dar. Für sie fand zeitgleich auch ein Potenzialfeststellungsverfahren statt.

Bei den Auswahlverfahren waren die angestoßenen Reformen bereits sichtbar. So steht neben der physischen und psychischen Belastbarkeit noch stärker als früher die charakterliche Eignung der Bewerberinnen und Bewerber – Führungsverhalten, Teamfähigkeit und Verfassungstreue – im Fokus. Ebenso wurden die psychologische Betreuung und Begutachtung noch weiter ausgebaut.

Dass mich Kommandeur Kreitmayr einlud, zwei Tage lang bei Tag und Nacht so nah bei den Auswahlverfahren dabei zu sein, ist keine Selbstverständlichkeit. Auch das ist ein Zeichen der Veränderungen im KSK – weniger Blackbox, mehr Transparenz.

Mein Eindruck ist: Der Reformprozess im Kommando Spezialkräfte befindet sich auf einem guten Weg. Das ist wichtig. Denn wir brauchen das KSK. Wir brauchen diese Spezialkräfte und ihre wichtigen Fähigkeiten – und zwar als eine Eliteeinheit für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Freiheit und Frieden.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl,

Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

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