01.02.2021 | Parlament

Kolumne der Wehrbeauftragten - Februar 2021

Eine Frau mit blonden Haaren und hellblauem Blazer steht vor einer Betonwand.

Wehrbeauftragte Eva Högl (DBT/Inga Haar)

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

1996 bewarb sich Tanja Kreil als Elektronikerin bei der Bundeswehr. Sie wurde mehrfach abgelehnt. Weil sie eine Frau war. Frauen durften damals nämlich nur zur Sanität und in den Musikkorps, jedoch nicht zu Kampfeinheiten. Denn in Artikel 12a des Grundgesetzes hieß es: Frauen „dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten“.

Dagegen klagte Tanja Kreil beim Europäischen Gerichtshof – und bekam Recht. Das Grundgesetz wurde geändert. Am 2. Januar 2001 traten die ersten 244 Rekrutinnen ihren Dienst in Kampfeinheiten der Bundeswehr an.

20 Jahre später ist vieles erreicht worden. Der Anteil von Soldatinnen wächst seit Jahren kontinuierlich. Über 23.000 Frauen tragen mittlerweile Uniform. Sie sind eine Selbstverständlichkeit in allen Teilen der Truppe – bei Sanität und Militärmusik, beim Heer, bei der Luftwaffe und Marine, auch im Bereich Cyber.

Doch der Frauenanteil in der Bundeswehr insgesamt beträgt gerade einmal 12,54 Prozent. Rechnet man den Sanitätsdienst raus, wo Frauen über 45 Prozent ausmachen, liegt er bei knapp 9 Prozent. Die Vorgabe aus § 4 Absatz 5 des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes von 15 Prozent für alle Laufbahnen mit Ausnahme des Sanitätsdienstes verfehlt die Bundeswehr damit bisher deutlich.

Dafür müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Und damit meine ich nicht irgendwelche Sonderbehandlungen und Extras. Soldatinnen sollen – und wollen – genauso behandelt werden wie ihre Kameraden. Das schildern mir Soldatinnen immer wieder in persönlichen Gesprächen. Sie wollen keinen Schonraum, sondern sich unter den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen durchsetzen und beweisen. Was also heißt bessere Rahmenbedingungen?

Erstens: passende Ausrüstung und Infrastruktur. Dass heute immer noch nicht Schutzwesten in Größen verfügbar sind, passgenau für Soldatinnen, ist inakzeptabel. Das hat nichts mit Sonder-, sondern mit Gleichbehandlung zu tun. Es ist eine Selbstverständlichkeit: Soldatinnen verdienen die bestmögliche Ausrüstung – genau wie Soldaten.

Zweitens: ein diskriminierungsfreies Umfeld. Soldatinnen hören immer noch unangebrachte Sprüche und erfahren sexuelle Übergriffe. Es ist gut, dass dies in der Truppe zunehmend ernsthaft aufgegriffen, konsequent geahndet und strikte Maßnahmen getroffen werden.

Drittens: Planbarkeit und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Dienst. Dafür braucht es flexible Arbeitsmodelle, weniger Pendeln, mehr Kinderbetreuung und eine personenzentrierte Personalführung. Das sind übrigens Themen, die mir auch junge Soldaten immer wieder vortragen.

Viertens: mehr Frauen in Führungspositionen auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Weibliche Vorbilder sind wichtig. Sie gehen voran und ebnen damit den Weg für andere. Es ist schade, dass es noch immer keine Soldatinnen der Besoldungsordnung B gibt – außer in der Sanität.

Natürlich: Das braucht Zeit. Schließlich dienen Frauen in der Sanität bereits seit 1975, in anderen Bereichen der Truppe eben erst seit 2001. Und das wird auch aufwachsen. So sind Soldatinnen als Offiziersanwärterinnen überproportional vertreten. Das kann und muss unterstützt werden, zum Beispiel durch gezielte Ansprachen und Mentoring-Programme – in der Truppe, an den Universtäten, im BMVg, beim Zentrum Innere Führung und vor allem auch bei der Führungsakademie.

Mehr Frauen würden der Bundeswehr guttun. Sie bereichern die Truppe. Sie bringen andere Fertigkeiten, Perspektiven und Erfahrungen ein. Die Bundeswehr profitiert von gemischten Einheiten und Verbänden.

So ist zum Beispiel das KSK – anders als viele vermuten – keine reine „Männerbastion“. 120 Frauen sind an unterschiedlichen Stellen im KSK tätig. Weibliche Aufklärungsfeldwebel Spezialkräfte stellen einen erheblichen Fähigkeitszuwachs für den Verband dar. Vor kurzem hat eine Soldatin den ersten Teil des Potenzialfeststellungsverfahrens bestanden – zum ersten Mal in der Geschichte des KSK. Vielleicht wird sie die erste weibliche Kommandosoldatin.

Das sind Vorbilder, die wir brauchen und fördern müssen. 30 Prozent Frauen bis 2030. Das wäre ein wünschenswertes – wenn auch ambitioniertes – Ziel.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl

Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

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