Kolumne der Wehrbeauftragten - März 2021
Liebe Soldatin, lieber Soldat,
am 23. Februar habe ich den Jahresbericht der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages vorgestellt und dem Bundestagspräsidenten übergeben.
Neun Monate bin ich jetzt im Amt. Es ist eine große Ehre, dieses wunderbare und verantwortungsvolle Amt auszuüben. Bei meinen Truppenbesuchen und in vielen Gesprächen in den vergangenen neun Monaten habe ich ausschließlich hochmotivierte und engagierte Soldatinnen und Soldaten kennengelernt – auf allen Ebenen und an allen Stellen, von der Kommandeurin bis zur Vertrauensperson, vom General bis zur Gefreiten. Es ist eine tägliche Freude, mich für sie einzusetzen.
Der Jahresbericht zeigt deutlich, dass im vergangenen Jahr vor allem Covid-19 die Truppe sehr beschäftigte. Die Pandemie war und ist eine Herausforderung – für Grundbetrieb, Ausbildung, Übung und Einsatz. Soldatinnen und Soldaten sorgten sich um ihre Gesundheit und ihren Dienst. Fast 500 Eingaben von Soldatinnen und Soldaten haben mich hierzu erreicht.
Doch: Die Covid-19-Pandemie hat auch gezeigt, was gut läuft in der Truppe. So paradox das klingen mag.
Führen mit Auftrag hat sich bewährt. Überall dort, wo vor Ort verantwortungsvoll entschieden und gehandelt wurde, konnte die schwierige Lage bewältigt werden. Digitalisierung hat einen enormen Schub erfahren. Das hat die Einsatzbereitschaft im Krisenfall gewährleistet. Und nicht zuletzt: In der Krise hat die Truppe ihre Leistungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Darauf können wir sehr stolz sein.
Nicht nur haben Soldatinnen und Soldaten unter den erschwerten Bedingungen ihren Auftrag stets erfüllt – im Inland, in den Auslandseinsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen.
Zusätzlich haben sie Amtshilfe geleistet – in einem Umfang, der beispiellos in der Geschichte der Bundesrepublik ist. Wo zivile Institutionen und Strukturen schwächelten, griff die Truppe unter die Arme – schnell, tatkräftig, vielfältig.
Zehntausende Soldatinnen und Soldaten leisten täglich einen wesentlichen Beitrag zur Eindämmung des Virus. Dafür gebührt ihnen unser Dank. Das herausragende Engagement bei der Amtshilfe sollte durch eine Einsatzmedaille ausgezeichnet werden. Das wäre eine sehr verdiente Anerkennung!
Zum 65-jährigen Bestehen der Bundeswehr hat der Bundespräsident betont, dass es keine Distanz geben darf zwischen Bundeswehr, Gesellschaft und Politik. Das ist ein Auftrag.
Für die Bundeswehr bedeutet das: Sie ist eine Parlamentsarmee. Sie steht ein für unsere Freiheit, Sicherheit, Demokratie und unseren Rechtsstaat. Rechtsextremismus hat daher in der Truppe keinen Platz. Im Jahresbericht sind rechtsextremistische Vorfälle aufgeführt. Jeder einzelne Fall ist einer zu viel und muss zügig und gründlich aufgeklärt werden.
Für die Gesellschaft bedeutet es: Die Soldatinnen und Soldaten stehen mehrheitlich mit beiden Beinen auf dem Boden unseres Grundgesetzes. Sie leisten jeden Tag verantwortungsvoll ihren Dienst. Sie stehen ein für uns und unsere Werte – notfalls mit ihrem Leben. Dafür verdienen sie Anerkennung und Wertschätzung.
Für die Politik bedeutet es: Die Bundeswehr verdient die bestmögliche Ausrüstung, um ihren Auftrag zu erfüllen. Das ist nicht der Fall. Im Jahresbericht finden sich die bekannten und bestehenden Probleme der Truppe: zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie. Das ist inakzeptabel. Strukturen und Prozesse müssen dringend verändert werden. Das Geld muss in der Truppe ankommen.
Ich hoffe, dass der Jahresbericht Grundlage sein wird für die politische und militärische Führung für Reformen, Lösungen und Verbesserungen zum Wohle unserer Soldatinnen und Soldaten. Denn wir brauchen sie. Gut ausgestattet, motiviert und einsatzbereit.
Mit herzlichen Grüßen
Eva Högl
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages