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Kolumne der Wehrbeauftragten - Juli 2021

Eine Frau mit blonden Haaren und hellblauem Blazer steht vor einer Betonwand.

Wehrbeauftragte Eva Högl (© DBT/Inga Haar)

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

es ist ein historisches Ereignis: Am 21. Juni 2021 wurde mit Zsolt Balla der erste Militärrabbiner der Bundeswehr ernannt. Gut 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs – und 76 Jahre nach dem Holocaust – gibt es damit erstmals wieder militärische Seelsorge für Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens in den deutschen Streitkräften. An der Feierstunde zur Ernennung von Rabbi Balla teilzunehmen, war mir eine große Ehre und Freude.

Die Einführung jüdischer Seelsorge sendet eine ganz unmissverständliche Botschaft: Die Bundeswehr steht für Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit. Jüdische Soldatinnen und Soldaten sind selbstverständlicher Teil der Bundeswehr. Antisemitismus hat in der Truppe keinen Platz.

Diese Botschaft ist aktuell wichtiger denn je. Denn leider verzeichnen wir immer noch und immer wieder antisemitische Vorfälle in der Truppe, wie zuletzt in Litauen. Neben vielen anderen Abscheulichkeiten soll dort auch antisemitisches Liedgut gesungen worden sein. Das ist völlig inakzeptabel. Ein solches Verhalten ist ein Schlag ins Gesicht für alle Soldatinnen und Soldaten, die verantwortungsvoll ihren Dienst tun. Und das ist mit Abstand die große Mehrheit. Antisemitismus ist auch keineswegs ausschließlich in der Truppe zu finden, sondern ein gesellschaftliches Problem. Seit Jahren nehmen rechtsextremistisch motivierte Straftaten mit antisemitischem Hintergrund zu. Der Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 war der bisher fürchterlichste Ausdruck dieser Entwicklung, die mich sehr besorgt.

Genau in dieser Situation ist die Einführung der jüdischen Militärseelsorge daher ein ganz klares und starkes Zeichen – mit hoffentlich großer Symbolkraft nach innen in die Truppe und nach außen in die Gesellschaft.

Bis zu zehn Militärrabbiner sollen eingestellt werden. Ihre Aufgaben reichen – wie bei anderen Militärgeistlichen – weit über rein religiöse Angelegenheiten hinaus. Ihre Tür steht allen Soldatinnen und Soldaten, egal welchen Glaubens, offen. Sie geben Rat in allen Fragen und leisten Beistand in schwierigen Situationen – im Dienstlichen wie im Privaten, im Inland wie im Ausland.

2011 habe ich erstmals selbst erlebt, welch große Bedeutung die Militärseelsorge hat. Damals war ich im Rahmen einer Informationsreise für Bundestagsabgeordnete in Afghanistan. Im Camp in Masar-i Scharif waren Militärgeistliche ein zentraler Anlaufpunkt. Mit ihnen konnten Soldatinnen und Soldaten offen und vertrauensvoll über ihre Erfahrungen und Erlebnisse, über die besonderen Belastungen und Schwierigkeiten ihres Einsatzes sprechen. Wie in anderen Auslandseinsätzen stärkt die Militärseelsorge auf diese Weise auch die Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit der Truppe.

Im Inland leiten Militärgeistliche vielerorts den Lebenskundlichen Unterricht. Er fördert das Verständnis von Soldaten als Staatsbürger in Uniform, die fest auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen. Militärrabbiner können hier wichtige Akzente der Prävention setzen, über Judentum und Antisemitismus aufklären und damit Vorurteilen und Extremismus entgegenwirken.

Die jüdische Militärseelsorge ist somit nicht nur ein Angebot für die rund 300 jüdischen Soldatinnen und Soldaten, sondern in jeder Hinsicht eine echte Bereicherung für die gesamte Bundeswehr.

Von der Einführung der jüdischen Seelsorge erhoffe ich mir auch einen Schub für islamische Militärseelsorge. Denn in der Truppe leisten rund 3.000 Soldatinnen und Soldaten muslimischen Glaubens ihren Dienst. Auch sie verdienen eine religionsbezogene Seelsorge. Sie wäre ein Zeichen von Wertschätzung und Anerkennung für ihren wertvollen Dienst. Am Islamkolleg in Osnabrück werden künftig Imame ausgebildet. Die Bundeswehr sollte sie willkommen heißen.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl,

Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

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