Kolumne der Wehrbeauftragten - Dezember 2022
Liebe Soldatin, lieber Soldat,
für mich ist Halbzeit. Am 7. Mai 2020 wählte der Deutsche Bundestag mich für fünf Jahre zur Wehrbeauftragten. Seit dem 25. Mai 2020 und damit seit rund zweieinhalb Jahren übe ich dieses besondere Amt aus. Und es ist mir Tag für Tag eine große Freude und Ehre, die „Anwältin“ der Soldatinnen und Soldaten zu sein – gerade in diesen schweren und herausfordernden Zeiten. Das liegt vor allem an unseren Soldatinnen und Soldaten. Sie leisten Herausragendes. Ihre Professionalität, Loyalität, Kreativität, ihr Engagement und ihr Einsatz beeindrucken mich bei jedem Truppenbesuch, bei jedem Gespräch.
Die vergangenen zweieinhalb Jahre waren für die Truppe alles andere als Dienst nach Vorschrift. Die Covid-19-Pandemie mit all ihren Auswirkungen und Einschränkungen, die beispiellosen Amtshilfeeinsätze zur Pandemie-Bekämpfung und Flutschäden-Beseitigung, das Ende des Afghanistan-Einsatzes, die herausfordernden Auslandseinsätze in Mali und im Irak haben von den Einzelnen und der gesamten Bundeswehr viel verlangt. Die Truppe war und ist gefordert wie nie zuvor. Und das alles mit nicht immer guten Rahmenbedingungen: fehlendes Material, zu wenig Personal, veraltete Infrastruktur und unzureichende Digitalisierung erschweren den Dienst ganz erheblich.
Angesichts dessen sind die hohe Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit unserer Soldatinnen und Soldaten nicht selbstverständlich, sondern bemerkenswert.
Auch in den kommenden Jahren wird für die Truppe alles andere als Normalbetrieb auf dem Dienstplan stehen. Denn der Angriff Putins auf die Ukraine verändert alles. Die umgehende und umfassende Verstärkung der NATO-Ostflanke ist lediglich ein Vorbote dessen, was auf unsere Soldatinnen und Soldaten in Zukunft zukommen wird. Veränderte Strukturen und Prozesse, andere Ausbildungen und Übungen, erhöhte Alarmbereitschaften und möglicherweise Einsätze von heute auf morgen – das verbirgt sich hinter Re-Fokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung, vollständige Einsatzbereitschaft und Kaltstartfähigkeit.
Die ausgerufene Zeitenwende muss sehr ernst genommen werden. Sie ist umfassend zu denken und umzusetzen. Mit einem einmaligen Sondervermögen ist es nicht getan. Und nicht nur die Bundeswehr muss sich verändern. Alle militärisch, politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen sind gefragt. Die Zeitenwende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Diese Aufgabe gehen unsere Soldatinnen und Soldaten mit großer Ernsthaftigkeit an. Ihnen ist bewusst, dass es ernst werden kann, dass es schnell gehen muss und dass sie immer einsatzbereit sein müssen. Das spüre ich sehr deutlich in meinen Begegnungen und Gesprächen seit dem 24. Februar. Diese Haltung und Herangehensweise sind vorbildlich. Und sie sollte beispielgebend für alle sein, die auch einen Beitrag für eine erfolgreiche Zeitenwende zu leisten haben.
Die Kolumne zur Halbzeit meiner Amtszeit, zum Jahresende und Jahreswechsel möchte ich daher nutzen, von ganzem Herzen DANKE zu sagen. Danke unseren Soldatinnen und Soldaten für ihren verantwortungsvollen Dienst sowohl in den vergangenen, sehr besonderen Jahren als auch in den künftigen, sehr herausfordernden Jahren.
Ob zuhause im Kreise von Freunden und Familie oder im Einsatz mit Kameradinnen und Kameraden: Ich wünsche allen eine besinnliche Adventszeit, gesegnete Weihnachten und für das neue Jahr alles Gute, viel Gesundheit, Soldatenglück und Gottes Segen.
Mit herzlichen Grüßen
Eva Högl
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages