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Kolumne der Wehrbeauftragten - Oktober 2023

Eine Frau mit blonden Haaren und hellblauem Blazer steht vor einer Betonwand.

Wehrbeauftragte Eva Högl (© DBT/Inga Haar)

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

seit über 20 Jahren leisten Frauen Seite an Seite mit ihren männlichen Kameraden Dienst an der Waffe. Die Bundeswehr hat sich seither ein großes Bewerberinnenfeld erschließen können und die Truppe erfährt eine Bereicherung, denn Frauen bringen andere Fertigkeiten, Perspektiven und Erfahrungen ein. Studien und eigene Erfahrungen zeigen, gemischte Teams sind immer die besten und leistungsstärksten.

Trotz der langen Zeitspanne, die seither vergangen ist, hat die Bundeswehr im Hinblick auf den Frauenanteil ihre selbst gesteckten Ziele noch nicht annährend erreicht. Die für alle Laufbahnen mit Ausnahme des Sanitätsdienstes zu erfüllende Quote von 15 Prozent liegt aktuell bei 9,5 Prozent. Zwar sieht es im Sanitätsdienst mit aktuell 45,5 Prozent besser aus, aber auch hier ist die gesetzliche Zielvorgabe von 50 Prozent immer noch nicht erzielt, obwohl Frauen bereits seit 1975 im Sanitätsdienst dienen.

Bei jedem Truppenbesuch erhalte ich ungefragt schon zu Beginn die aktuelle Zahl des Frauenanteils am Standort, nicht selten mit gleichzeitiger Begründung für den geringen Anteil: „Das ist hier alles so technisch.“ Diese Begründung halte ich für nicht akzeptabel. Frauen haben bewiesen, dass sie in allen Bereichen, auch in den technischen Verwendungen, „ihre Frau stehen“. Es gehört zu den originären Aufgaben von Vorgesetzten, Potenziale der ihnen unterstellten Soldatinnen und Soldaten zu erkennen, in ihren Blick zu nehmen und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um diese zu fördern. Erfreulicherweise haben viele Vorgesetzte diese Verantwortung erkannt und mit kreativen Ideen erfolgreich Frauen in immer noch männerdominierten technischen Bereichen eingesetzt und gefördert. Das Vorbild dieser Vorgesetzten sollte Schule machen.

Um mehr Frauen für die Bundeswehr als Arbeitgeber zu begeistern, muss sich die Bundeswehr als moderner Arbeitgeber aufstellen. Dazu gehören attraktive Rahmenbedingungen. Soldatinnen wollen sich ohne Bevorzugung und Extras unter den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen durchsetzen und beweisen. Hier geht es um passende Ausrüstung und Infrastruktur. Wenn es an Selbstverständlichkeiten wie Toiletten und Duschräumen für Frauen und der erforderlichen persönlichen Ausstattung fehlt, so hat das mit Gleichbehandlung zu tun. Soldatinnen verdienen die bestmögliche Ausrüstung – wie Soldaten. Doch auch nach 20 Jahren Frauen in allen Bereichen der Bundeswehr muss ich von Soldatinnen immer noch hören, dass sie Uniformen und Schutzwesten nicht in passenden Größen erhalten. Das kann und darf nicht sein.

Darüber hinaus muss die Bundeswehr für ein diskriminierungsfreies Umfeld sorgen. Vorgesetzte sind fortbleibend gefordert, ein Klima des gegenseitigen Respekts und Vertrauens zu schaffen, damit sexuelle Übergriffe oder unangebrachte Sprüche ein Tabu bleiben. Erfreulicherweise beobachte ich, dass sich die Streitkräfte mit frauenfeindlichen Verhaltensweisen in den eigenen Reihen zunehmend ernsthaft und intensiv auseinandersetzen und strikte Maßnahmen ergreifen, um dagegen vorzugehen. Durch Eingaben von Soldatinnen weiß ich aber auch, dass viele Soldatinnen nach Erfahrungen mit Mobbing, sexuellen Belästigungen und Diskriminierungen nur noch einen Weg suchen, ihren Dienst vorzeitig zu beenden oder zumindest nicht mehr zu verlängern.

Bewerberinnen und natürlich auch Bewerber sollten vor ihrer Einstellung ein realistisches Bild vom Dienst in der Bundeswehr erhalten. Aktionen wie das Bundeswehr-Camp „Frauen für Frauen“ in Nordhessen, in dem Frauen eine Woche konkret gezeigt wird, was es bedeutet, bei der Bundeswehr zu dienen, sind eine nachahmenswerte Werbung für die Bundeswehr.

Deutlich unterrepräsentiert sind Frauen nach wie vor in Führungspositionen, und zwar selbst im Sanitätsdienst, wo der Frauenanteil seit Jahren sehr hoch ist. Darüber können auch die wenigen, gern mit Vorzeigekarrieren präsentierten Soldatinnen, nicht hinwegtäuschen. Erkennbare Karrierechancen durch Vorbilder sind jedoch wichtig, um Frauen für die Bundeswehr zu interessieren.

Verteidigungsminister Pistorius hat deshalb zu Recht Frauen in den Fokus seiner künftigen Personalwerbung genommen. Mit den Maßnahmen und Regelungen in dem von ihm vorgelegten Entwurf eines Gleichstellungsfortentwicklungsgesetzes wurden erste Schritte in die richtige Richtung eingeleitet. Dazu gehören die Stärkung der militärischen Gleichstellungsbeauftragten ebenso wie die bevorzugte Berücksichtigung von Bewerbungen von Frauen in den Bereichen, in denen Soldatinnen unterrepräsentiert sind. Zusammen mit geplanten Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Dienst sind das wichtige und gute Ansätze, um den Frauenanteil generell und in Führungspositionen im Besonderen zu erhöhen. Das ist ein positives und motivierendes Signal für alle Frauen, die sich für die Bundeswehr interessieren oder bereits in der Truppe dienen.

Über diese ersten Schritte hinaus sind weitere Maßnahmen notwendig. Nicht zuletzt, da der gesetzlich zu erfüllende Frauenanteil in allen Laufbahnen mit Ausnahme des Sanitätsdienstes von 15 auf 20 Prozent steigen soll. Auch das beabsichtigt Verteidigungsminister Pistorius. Dafür braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung, um die Bundeswehr für Frauen attraktiver zu machen und mehr weiblichen Nachwuchs zu gewinnen.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

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