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„Männerproblem Rechtsextremismus“ – Interview, 09.03.2021

Tageszeitungen liegen aufgefächert auf einer schwarzen Unterlage.

(© Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

Interview mit der Wehrbeauftragten im „Neuen Deutschland“ vom 9. März 2021

„Männerproblem Rechtsextremismus“

20 Jahre gab es keine Wehrbeauftragte – was machen Männer in dieser Position anders?

Eine Wehrbeauftragte hat sicher einen wacheren Blick beim Thema Frauen. Auch meine Vorgänger haben sich um die Frauen gekümmert, aber als überzeugte Feministin und engagierte Frauenrechtlerin liegen mir die Frauenthemen natürlich sehr am Herzen. Und es gibt auch eine Menge zu tun.

Frauen kommen in den Fallbeispielen des Jahresberichtes beim Thema Verfehlungen nahezu gar nicht vor. Woran liegt das?

Wenn es um Fehlverhalten von Vorgesetzten geht, dann fällt immer noch auf, dass Frauen viel weniger Führungspositionen innehaben, und insofern allein zahlenmäßig nicht vertreten sind. Wir sehen das auch beim Rechtsextremismus – in der Bundeswehr ist das ein Männerthema.

Fallbeispiele mit Frauen kommen dann aber an Themen vor, die die Familie betreffen. Ein Klischee?

Beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Dienst melden sich längst nicht mehr nur Frauen. Gerade jüngere Männer, die ein anderes Berufs- und Führungsverständnis haben, wollen sich genauso um pflegebedürftige Angehörige oder ihre Kinder kümmern. Allen geht es aber um eine bessere Planbarkeit. Ich bin froh, dass das selbst in der Bundeswehr kein reines Frauenthema mehr ist. Da ist viel passiert.

Im vergangenen Jahr wurden weniger sexuelle Übergriffe gemeldet. Ein Erfolg?

Wir hatten Fälle von sexuellen Übergriffen und Verstößen gegen das  Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit. Das ist ein riesengroßes Problem trotz Null-Toleranz-Linie. Die Ermittlungen laufen zwar schnell und es wird sofort geahndet. Den Rückgang der Zahlen im vergangenen Jahr erkläre ich mir allerdings auch damit, dass es pandemiebedingt weniger Begegnungen und gesellige Veranstaltungen gab.

Gibt es Unterschiede bei der Fehlerkultur?

Wenn der Anteil von Frauen in allen Hierachieebenen bei 50 Prozent läge, dann ließe sich ein Vergleich anstellen. Ich glaube nicht daran, dass Frauen per se bessere Menschen sind. Fehlverhalten von Frauen in Führungspositionen wird es geben und ist auch nicht dauerhaft auszuschließen. Ich bin aber der Ansicht: Frauen tun der Bundeswehr gut. Das merke ich überall dort, wo der Anteil gestiegen ist.

Was steckt hinter der Formulierung, dass Frauen der Truppe gut tun?

Meine Erfahrung beim Thema Gleichstellung sagt, dass ein Anteil von 30 Prozent ein Wert ist, bei dem Frauen keinen Minderheitenstatus oder eine Sonderrolle mehr haben. Erst dann können sie auch das Binnenklima verändern. Gemischte Teams funktionieren immer besser. Insbesondere die jüngeren Männer reagieren positiv auf Vielfalt und entwickeln auch ein anderes Führungsverständnis, als das in der rein männergeprägten Truppe der Fall war.

Kürzlich hat die erste Frau die Aufnahmeprüfung beim Kommando Spezialkräfte (KSK) bestanden.

Die Berichte bezogen sich auf die erste Frau, die Kommandosoldatin werden will. Im KSK gibt es einen großen Anteil von Frauen. Prozentual sogar mehr als im Rest des Heeres. Sie gehören zu den Unterstützungskräften, sind in der Sanität oder Logistik eingesetzt und als Aufklärungsfeldwebel tätig. Das ist in Calw auch sichtbar. Ich glaube, auch den Spezialkräften tut diese Mischung gut und es hätte natürlich auch eine Symbolwirkung, wenn die erste Frau es schafft, die Prüfung zur Kommandosoldatin zu bestehen.

Gab es Hinweise auf die Munitionsamnestie aus den Kreisen der KSK-Frauen?

Munition war eines der Themen bei meinen drei Besuchen, aber von der Sammelaktion wurde mir nicht berichtet. Nach meinem Eindruck gibt es keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen, was die Haltung zur aktuellen Situation angeht sowie beim Engagement für Reformen. Unterschiede gibt es aber, wenn es um die Vorfälle, wie die unsägliche Schweinskopfparty mit Rechtsrock und Hitlergrüßen geht. Da waren keine KSK-Frauen beteiligt. Das war eine Männerveranstaltung mit einer Zivilistin.

Jetzt kam erstmals das Gendersternchen im Jahresbericht vor. Auch die Bundestagsverwaltung diskutiert die Einführung. Wann kommt es in ihrem Amt an?

Die Beschwerde kam von einem Mann. Ihm war untersagt worden, das Gendersternchen zu benutzen. Er hat sich an mich gewendet, weil ich das Gendersternchen als Abgeordnete immer benutzt hatte. Es gibt keine Einigung auf eine allgemein gültige Rechtsschreibung, die alle Geschlechter anspricht. Im Bundestag wird jetzt akzeptiert, dass die Fraktionen bei ihren Anträgen das Gendersternchen verwenden. Hier im Amt halte ich mich erst einmal an die Regeln der Verwaltung des Deutschen Bundestages, aber selbstverständlich formuliere ich im Bericht möglichst geschlechtsneutral, so erwähne ich zum Beispiel auch IT-Expertinnen. Sprache bildet und formt unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit. Ich werbe für eine geschlechtergerechte Sprache und  werde weiter einen wachen Blick darauf haben, wie es sich entwickelt.

Gibt es da frauenspezifische Aspekte bei der Materialbeschaffung für den Dienst, bei denen die Bundeswehr hinterher hinkt?

Schutzwesten waren am Anfang und sind immer noch ein Thema. Als ich 2010 das erste Mal als Abgeordnete nach Afghanistan gereist bin, haben mir Soldatinnen berichtet, dass es in ihrer Größe keine passende Schutzweste gibt. Das ist bis heute so und macht mich fassungslos. Gerade kleinere Größen fehlen. Das darf weder im Einsatz, noch bei Übungen der Fall sein.

Wie bewerten Sie die Ermittlungen im KSK?

Die Ermittlungen werden sehr sorgfältig geführt. Was mich aber stört ist, dass es zu wenig Transparenz gibt, zu wenig Klarheit in den einzelnen Schritten. Es muss aufgeklärt und sanktioniert werden, damit auch die Reformen zügig umgesetzt werden können. Dass die Sammelaktion bei der Munition mehr oder weniger zufällig öffentlich wurde, belastet die Reformen. Es muss jetzt alles auf den Tisch, alles erläutert werden, was die Munition betrifft.

Was sind die Themen, die Sie in den kommenden Jahren angehen wollen?

Im nächsten Jahresbericht für 2021 werde ich einen Schwerpunkt auf das Thema Frauen legen. Auch die Pandemie und die Amtshilfe werden uns noch weiter beschäftigen. Beim Thema Material müssen wir vorankommen. Auch Rechtsextremismus – in allen Teilen der Truppe – ist ein Dauerthema. Die Bundeswehr muss resilient gegenüber rechtsradikalen Bestrebungen werden.


Interview: Daniel Lücking

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