10.02.2021 Tourismus — Ausschuss — hib 184/2021

Tourismusbranche wünscht sich „Öffnungsperspektive“

Berlin: (hib/WID) Vertreter der Reisewirtschaft haben an die Politik appelliert, bei Entscheidungen über mögliche Lockdown-Lockerungen nicht als letzte berücksichtigt zu werden. „Wir erwarten nicht sofort, dass alles geöffnet wird“, sagte der Präsident des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) Reinhard Meyer am Mittwoch dem Tourismusausschuss. Zu bedenken sei aber, dass Psychologie auch ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor sei: „Wir müssen deshalb aus psychologischen Gründen die Öffnungsperspektive konkretisieren“. Eine begrenzte Wiederaufnahme des Reiseverkehrs wäre nach Ansicht des Verbandes bereits möglich, wenn sich die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen im Bereich zwischen 35 und 50 bewege. Von entscheidender Bedeutung seien nicht zuletzt „bundesweit einheitliche Regelungen“.

Meyer unterstrich ein weiteres Mal die katastrophalen Folgen der Corona-Krise für den Deutschland-Tourismus, der im vergangenen Jahr Umsätze im Volumen von 68,7 Milliarden Euro eingebüßt habe. Zu etwa jeweils der Hälfte sei dieser Verlust durch Rückgänge des Übernachtungs- und des Tagestourismus bedingt gewesen. Die Zahl der Übernachtungen sei um 40 Prozent gesunken. In besonders dramatischem Umfang an Zuspruch verloren hätten Städtereisen, die in normalen Zeiten das Rückgrat des Deutschland-Tourismus bildeten: „Küste, Berge, alles was draußen stattfindet, hat weniger zu leiden“, sagte Meyer.

Auf die wirtschaftliche Bedeutung der „gesamten touristischen Servicekette“ hob seine Stellvertreterin Heike Döll-König ab, Geschäftsführerin des Vereins „Tourismus NRW“ in Düsseldorf. In der Debatte über die Corona-Krise sei zwar viel von der Betroffenheit einzelner Geschäftszweige wie Hotellerie und Gastronomie die Rede, die „Gesamtheit“ der Branche gerate dabei aber leicht aus dem Blick, bemängelte Döll-König. Tourismus sei eine „harter Wirtschaftsfaktor“, der demgemäß zu berücksichtigen sei, wenn es darum gehe, die geltenden Einschränkungen wieder zu lockern. Döll-König nannte es „falsch und gefährlich“, zu denken, der Reise-, Entspannungs- und Freizeitsektor könne beim Neustart der Wirtschaft „hintangesetzt“ werden: „Die Systemrelevanz des Tourismus ist nicht nur gefühlt wegen der gravierenden sozialen Auswirkungen, sondern ökonomisch messbar. Kurz- und mittelfristig brauchen wir eine angemessene Behandlung für das Gesamtsystem Deutschland-Tourismus.“

Wie sehr der Reiseverkehr in normalen Zeiten nicht zuletzt in den Städten als „Nachfragemotor“ auch für andere Wirtschaftssegmente wirke, sei aus der Tatsache zu ersehen, dass der Umsatz des Übernachtungstourismus zu 20 Prozent und der des Tagestourismus sogar zu 60 Prozent „in den Kassen des Einzelhandels“ lande. Dies zeige auch die Erfahrung aus dem eingeschränkten Lockdown im vergangenen November, als der Einzelhandel noch offen, Gastronomie und Kulturangebote aber geschlossen waren. Damals sei allein in der Düsseldorfer Innenstadt die Zahl der täglichen Besucher um die Hälfte gesunken. Für die Menschen biete der Einkauf in einem Geschäft ohne die Angebote von Gastronomie und Kultur offenbar nur wenige Vorteile gegenüber dem Online-Handel.

Auch Armin Dellnitz, Geschäftsführer der „Stuttgart-Marketing GmbH“ und der „Regio Stuttgart Marketing- und Tourismus GmbH“, hob die besondere Betroffenheit der Städte hervor. Messen, Tagungen, Geschäftsreisen, Großveranstaltungen, die Umsatztreiber für städtische Destinationen, fänden seit einem Jahr nicht mehr statt. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt sei der Reiseverkehr 2020 um 60 Prozent eingebrochen. Ohne die beiden noch erfolgreichen Monate Januar und Februar betrüge der Verlust wohl 70 Prozent, sagte Dellnitz.

Zugleich habe das Beherbungsgewerbe in den vergangenen Jahren massiv in den Ausbau der Kapazitäten investiert. Jetzt habe die Hotellerie eine gravierende Anpassungsleistung zu bewältigen, denn die Geschäftsreisetätigkeit werde sich auch nach Corona nicht mehr vollständig erholen. Erwartet werde, dass sie dauerhaft um 20 bis 30 Prozent unterhalb des Vorkrisenniveaus verharren werde. Da Geschäftsreisen bisher 70 Prozent des Stuttgart-Tourismus ausgemacht hätten, bedeute dies einen Rückgang der Übernachtungszahlen um 600.000 bis eine Million im Jahr: „Wenn die Innenstädte nicht mehr funktionieren, dann haben wir ein massives grundsätzliches Problem,“ warnte Dellnitz.

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