11.02.2021 Menschenrechte — Ausschuss — hib 185/2021

Sorge vor Eskalation in Myanmar

Berlin: (hib/SAS) Nach dem Militärputsch in Myanmar wächst auch in der Bundesregierung die Sorge vor einer weiteren Eskalation der Lage in dem südostasiatischen Land. Die Proteste der Bevölkerung gegen die Festnahme der De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi und anderer führender Politiker dauerten an. Angesichts eines zuletzt immer brutaleren Vorgehens gegen Demonstranten und der Verwüstung der Zentrale von Aung San Suu Kyis Partei rechne man mit einer Verschärfung des Konflikts, sagte ein Vertreter der Bundesregierung am Mittwochnachmittag während einer Unterrichtung im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

Mehr als 200 Menschen seien inzwischen in Myanmar unter „sehr fragwürdigen Anschuldigungen“ verhaftet worden. Neben hochrangigen Regierungsangehörigen und Mitgliedern von Aung San Suu Kyis Partei „Nationale Liga für Demokratie“ (NLD) befänden sich auch Aktivisten und Studentenführer unter den Inhaftierten. Den Vorwurf der Wahlfälschung wertete der Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes als vorgeschoben, das tieferliegende Motiv seien wohl eher „Machtverlustängste“ nach dem klaren Wahlsieg der NLD bei den Parlamentswahlen im November. Die Ankündigung von Neuwahlen im kommenden Jahr wirke wenig glaubhaft, sagte er mit Blick auf die Festnahmen und die zeitweise Sperrung von Internet und sozialen Medien.

Offenbar habe die Armee den Widerstand der Bevölkerung unterschätzt. Bemerkenswert sei, dass die Ablehnung des Putsches sonst rivalisierende Gruppen in dem Vielvölkerstaat eine. „Das macht die Lage für das Militär schwer“, so die Einschätzung des Regierungsvertreters. Seit Tagen gingen Zehntausende in den Großstädten Rangun und Mandalay sowie am Sitz der Regierung in Naypyidaw für die Freilassung Aung San Suu Kyis und Präsident Win Myints auf die Straße. Dem von Aktivisten ausgerufenen Generalstreik folgten Menschen im ganzen Land. Betroffen von den Arbeitsniederlegungen seien der öffentliche Dienst ebenso wie der private Sektor. Die Reaktion des Militärs fiele immer gereizter aus: Es habe in mehreren Landesteilen das Kriegsrechts verhängt und setze neben Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen auch scharfe Munition gegen Demonstranten ein. Eine Frau sei schwer verletzt worden.

Das Echo auf den Staatsstreich sei international unterschiedlich, so der Regierungsvertreter. Während China das Geschehen bagatellisiere, hätten Deutschland, die EU und die Länder der G7 den Militärputsch verurteilt. Dies habe der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) aufgrund des Vetos von China und Russland zwar nicht vermocht. Die VN beobachteten die Lage jedoch, die Sondergesandte für Myanmar, Christine Schraner Burgener, sei bereit zu vermitteln.

Auf Initiative der EU werde zudem der VN-Menschenrechtsrat darüber beraten. Aktuell werde eine Resolution abgestimmt. Eine entscheidende Rolle komme laut Bundesregierung den ASEAN-Staaten zu. Nach Gesprächen unter anderem mit Singapur und Indonesien habe man den Eindruck gewonnen, die Mitglieder des südostasiatischen Staatenbundes wollten „Verantwortung übernehmen“, betonte der Außenamts-Vertreter gegenüber den Abgeordneten. Gelinge es, einen politischen Prozess in Gang zu setzen, sei dies ein „Meilenstein für die Entwicklung“ dieser Organisation.

In der Frage weiterer Sanktionen zeigte sich der Außenamts-Vertreter jedoch zurückhaltend. Innerhalb der EU werde zwar diskutiert, die seit 2018 wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimischen Rohingya verhängten Sanktionen - darunter Einreiseverbote und Vermögenssperren für 14 Armee-Angehörige sowie ein Waffenembargo - auszuweiten. Unter einem Entzug von Handelspräferenzen, die Unternehmen aus Myanmar die zollfreie Einfuhr von Waren in die EU ermöglichen, würde jedoch vor allem die Bevölkerung leiden. Sanktionen gegen die Führungsriege des Militärs, wie sie die USA angekündigt haben, würden zudem die Gefahr bergen, China in die Hände zu spielen, so der Regierungsvertreter „Die chinesische Führung würde die Außenbeziehungen für sich monopolisieren.“ Solange die Chance auf eine Vermittlung bestehe, müssten solche Sanktionen wohlüberlegt sein. Der Putsch sei bereits ein „herber Rückschlag“ für Demokratie und Menschenrechte in Myanmar. Profitiere China davon, drohe auch ein Schaden für die Demokratie weltweit.

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