22.02.2021 Inneres und Heimat — Ausschuss — hib 214/2021

Experten uneins über BND-Reform

Berlin: (hib/WID) Die Vorstellungen der Bundesregierung zur Neufassung des BND-Gesetzes finden unter Sachverständigen kein ungeteilt positives Echo. In einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat mischte sich am Montag prinzipielle Zustimmung mit mehr oder weniger ausgeprägter Kritik. Die Bewertung des vorliegenden Gesetzentwurfs (19/26103) durch die teilnehmenden Experten bewegte sich zwischen den Polen „beispielhaft“ und „verfassungsrechtlich unhaltbar“. Das Vorhaben soll einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Rechnung tragen.

Dieses hatte im Mai 2020 festgestellt, dass sich der Schutz des Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 Grundgesetz auch auf im Ausland lebende Ausländer erstreckt, und das 2016 zuletzt novellierte BND-Gesetz in den Teilen verworfen, die sich auf die Überwachung ausländischer Datenverkehre beziehen. Kernpunkt der Neuregelung ist die Installierung eines „Unabhhängigen Kontrollrates“ als oberster Bundesbehörde, der eine strengere Aufsicht über den Nachrichtendienst gewährleisten soll. Berufsgruppen, deren Tätigkeit besonderer Vertraulichkeit bedürfen, genießen erhöhten Schutz.

In der Anhörung bescheinigte Professor Jan Hendrik Dietrich von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Berlin dem Gesetzentwurf, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts „in jedem Fall“ gerecht zu werden. Er könne „unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit durchaus Vorbildfunktion“ beanspruchen. Unabhängig davon bleibe eine „Grundsatzreform des Rechts der Nachrichtendienste“ dringend geboren, die in den letzten Wochen der laufenden Legislaturperiode allerdings nicht mehr zu leisten gewesen sei. Auch der vorliegende Entwurf enthalte in Einzelpunkten noch „Anpassungs- und Präzisierungsbedarf“.

Nach den Worten des Saarbrücker Juraprofessors Michael Elicker hatte es bereits vor der BND-Gesetzesnovelle 2016 genügend Hinweise gegeben, dass die Schutzgarantie des Artikels 10 auch für die strategische Fernmeldeaufklärung im Ausland einschlägig sei. „Sehenden Auges“ und mit „absoluter Sturheit“ habe der Gesetzgeber solche Einwände „vom Tisch gewischt“. Hier könne durchaus von einer „bedingt vorsätzlichen Verfassungsverletzung“ die Rede sein, meinte Elicker.

Dass die Reform den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genüge, stellte auch der Bonner Professor Klaus Gärditz fest. Als Defizit nannte er den unzureichenden Schutz von „Inländern ohne deutsche Staatsangehörigkeit“. Das Gericht habe diese Gruppe auf eine Stufe mit Deutschen stellen wollen, die Bundesregierung sei dem in ihrem Entwurf nicht gefolgt. „An der Grenze zur Satire“ verortete Gärditz die Vorgaben für die Besetzung des Kontrallrates. Es sei nicht nachvollziehbar, dass dafür aus den Reihen der Justiz nur Vertreter des Bundesgerichtshofs, nicht aber auch des in der Materie viel erfahreneren Bundesverwaltungsgericht in Frage kommen sollten.

Als „nicht durchgängig verfassungskonform“ bezeichnete der Kölner Rechtsanwalt Nikolaos Gazeas den Entwurf. Er monierte den unzureichenden Schutz von Berufsgruppen mit besonderen Vertraulichkeitsbeziehungen, also Journalisten und Anwälten. Die Definition, wer als Journalist zu gelten habe, werde im Gesetzentwurf dem BND überlassen. Geschützt sei zudem allein die Kommunikation der Medienleute mit ihren Informanten, nicht aber auch die mit ihren Redaktionen. Dasselbe gelte analog für Anwälte. Auch Gazeas kritisierte die Regelung für die Auswahl der Mitglieder des Kontrollrates. Außer Richtern und Staatsanwälten gehörten unbedingt auch „Vertreter der Rechte Betroffener“, also der Anwaltschaft, in diesen Kreis.

Grundsätzliche Kritik übte der Vizevorsitzende des Verbands der Internetwirtschaft Klaus Landefeld. Der Entwurf genüge nicht den Vorgaben des Gerichts. Der BND dürfe demnach weiterhin „in beliebigem Umfang ungefilterte Datenerhebung“ betreiben. Problematisch fand Landefeld auch die im Entwurf festgeschriebene Lizenz zur Online-Durchsuchung, aus seiner Sicht „staatliches Hacking“.

Professor Markus Löffelmann von der Verwaltungshochschule des Bundes bemängelte, dass im Entwurf zwischen „personen-“ und „sachbezogenen“ Daten unterschieden werde. Von einer solchen Differenzierung sei in Artikel 10 GG keine Rede. Auch die Forderung des Karlsruher Gerichts nach „quantitativer Begrenzung“ werde mit der Ermächtigung für den BND, 30 Prozent der weltweiten Datenverkehre zu überwachen, nur unzureichend umgesetzt, da diese Kapazität ohnehin nie auszuschöpfen sei. Auf Seiten der Anwender erfordere die Komplexität des Entwurfs ein „ausgesprochen hohes Maß juristischer Vorbildung“, die von BND-Mitarbeitern nicht unbedingt zu erwarten sei.

Fundamentalkritik äußerte die Münsteraner Professorin Nora Markard: „Der Entwurf lässt nicht nur viel zu wünschen übrig. Darüber hinaus weist er auch so viele Schwächen auf, dass ein so verabschiedetes Gesetz erneut in Karlsruhe keinen Bestand hätte.“ Markard bezweifelte die Effektivität des vorgesehenen Kontrollmechanismus und bemängelte den aus ihrer Sicht unzureichenden Schutz von Berufsgruppen mit besonderen Vertraulichkeitspflichten.

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