25.02.2021 Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Ausschuss — hib 251/2021

Gesetzentwurf zur Gewaltenteilung umstritten

Berlin: (hib/FLA) Soll es eine gesetzliche Verpflichtung geben, den Bundestag bei Vorbereitung und Nachbereitung von internationalen Gipfeltreffen durch Regierungserklärung und Debatten stärker einzubinden? Ein entsprechender Vorstoß der Fraktionen von FDP und Bündnis 90/Die Grünen ist bei einer Experten-Anhörung auf Zustimmung und Bedenken gestoßen. In der Sitzung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung unter Leitung von Patrick Sensburg (CDU) ging es um einen gemeinsamen Gesetzentwurf der beiden Fraktionen (19/11151) zur „Sicherung der Gewaltenteilung bei internationalen Entscheidungsprozessen“.

Jelena von Achenbach (Justus-Liebig-Universität Gießen) sah das beabsichtigte Gesetz als verfassungsrechtlich zulässig und zweckmäßig an. Sie meinte, dass es die politische Meinungs- und Willensbildung über die Außenpolitik der Regierung befördere, wenn vor den Augen der Öffentlichkeit eine politische Debatte zwischen Parlament und Regierungsmitgliedern über das Regierungshandeln im internationalen Kontext stattfinde. Hier stehe das Parlament bisher an der Seitenlinie.

Der Ministerialrat a. D. Michael Fuchs bescheinigte dem Gesetzentwurf, der als Ausdruck eines parlamentarischen Ohnmachtsgefühls gesehen werden könne, auf der Höhe der Zeit zu sein. Er füge den vielen in Deutschland entstandenen parlamentarischen Mitwirkungsregimen auf den Gebieten der Außen-, Sicherheits- und Europapolitik ein weiteres kreatives Element hinzu. Er sei verfassungsrechtlich zulässig. Er legalisiere lediglich, was dem Parlament ohnehin schon zustehe, nämlich sein Informationsrecht. Er mache aus einer Holschuld des Parlaments eine Bringschuld der Regierung.

Paul Glauben (Landtag Rheinland-Pfalz, Wissenschaftlicher Dienst) stellte fest, das Grundgesetz gebe dem Parlament nicht nur die Befugnis, sondern die Pflicht zum Erlass einer Geschäftsordnung. Er gab zu bedenken, ob es sinnvoll sei, sich für eine gesetzliche Regelung der eigenen Angelegenheiten zu entscheiden. Denn damit gebe der Bundestag ein Stück Flexibilität aus der Hand. Nach dem Instrument des „Gesetzes-Geschäftsordnungsrecht“, wie er es ausdrückte, solle erst gegriffen werden, wenn die herkömmlichen geschäftsordnungsrechtlichen Möglichkeiten für eine effektive parlamentarische Kontrolle nicht mehr ausreichten.

Mehrdad Payandeh (Bucerius Law School, Hamburg) legte dar, die vorgesehene Verpflichtung zu Regierungserklärungen lasse sich nicht auf die verfassungsrechtlich verankerten Informations-, Kontroll- und Mitwirkungsbefugnisse des Bundestags gegenüber der Bundesregierung stützen. Er machte verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Pflicht zur Abgabe einer Regierungserklärung geltend.

Karsten Schneider (Johannes Gutenberg Universität Mainz) meinte, der Gesetzentwurf trage einen eingängigen Namen, der allerdings missverständlich sei. Der Grundsatz der Gewaltenteilung nehme in der Verfassungswirklichkeit eine ambivalente Funktion ein. Er sei nicht nur Grund, sondern auch Grenze parlamentarischer Rechte. Eine verfassungsrechtliche Anwendung des vorgeschlagenen Gesetzes sei auf Grundlage des Wortlauts seiner Regelungen möglich. Zwischen den zurückhaltenden Formulierungen des Entwurfs und dem teilweise „überschießenden Sound“ der Begründungen bestünden große Differenzen.

Christoph Schönberger (Universität zu Köln) meinte, eine gesetzliche Verpflichtung des Bundeskanzlers zur regelmäßigen Abgabe von Regierungserklärungen im Rahmen von Vorbereitungs- und Nachbereitungsdebatten sei verfassungsrechtlich zulässig. Die Vorschriften über die Stellung des Bundeskanzlers und dessen Recht, als Mitglied der Bundesregierung im Bundestag anwesend zu sein und jederzeit sprechen zu dürfen, gewährleisteten diesem nicht das Recht, stets allein zu entscheiden, wann er im Bundestag das Wort ergreift.

Kyrill-Alexander Schwarz (Universität Würzburg) hielt eine einfachgesetzliche Verpflichtung der Bundesregierung zur Abgabe von Erklärungen im internationalen Kontext für eine unzulässige Beeinträchtigung eines genuin der Regierung vorbehaltenen Bereichs. Es bleibe aber dem Gesetzgeber unbenommen, sich der Problematik einer - „angeblich“, wie Schwarz meinte - unzureichenden parlamentarischen Kontrolle in diesem Bereich durch eine entsprechende Verfassungsänderung anzunehmen.

Fabian Wittreck (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) zog als Verfassungsrechtler, wie er betonte, das Fazit: „Nicht jeder Unsinn ist verfassungswidrig.“ Verfassungsrechtlich zulässig sei der Gesetzentwurf „ziemlich sicher ja“. Er glaube aber nicht, dass das Vorhaben aus verfassungspolitischer Sicht sinnhaft ist.

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