03.03.2021 Sport — Anhörung — hib 287/2021

Kritik an Nationaler Strategie für Sportgroßveranstaltungen

Berlin: (hib/HAU) Während einer Expertenanhörung des Sportausschusses am Mittwoch gab es Kritik an der von Bundesinnenministerium (BMI) und Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB) gemeinsam erarbeiten Nationalen Strategie für Sportgroßveranstaltungen. Ein bürokratisches Monstrum sei damit geschaffen worden, bemängelte beispielsweise Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International Deutschland. Das Papier sei völlig untauglich und müsse neu erarbeitet werden, befand der Sportjournalist Jens Weinreich. Holger Preuß, Professor für Sportsoziologie und Sportökonomie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, hält die Vorlage hingegen für vergleichbar mit den Strategien anderer Nationen.

Zu Beginn der Sitzung hatte BMI-Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) den sehr breiten Beteiligungsprozess bei der Erstellung der Strategie betont. Deutschland, so sagte er, sei auch heute schon ein sehr attraktiver Standort für Sportgroßveranstaltungen. Die auf Dauerhaftigkeit angelegte Strategie solle ihren Beitrag für weitere erfolgreiche Bewerbungen leisten. Mayer sagte mit Blick auf die Vorfestlegung des IOC auf das australische Brisbane als Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 2032 - zu Ungunsten der Rhein-Ruhr-Region, die Nationale Strategie für Sportgroßveranstaltungen müsse getrennt von einer Bewerbung für Olympische Spiele betrachtet werden. „Sie macht auch ohne eine Bewerbung für Olympische Spiele Sinn.“

Abseits der bisher gescheiteren Olympiabewerbungen sei ihm lediglich die Bewerbung um den Ryder-Cup (Golf) gegenwärtig, bei der Deutschland nicht den Zuschlag bekommen habe, sagte Kaweh Niroomand, Vizepräsident Wirtschaft und Finanzen beim DOSB. „Wir dürfen uns nicht schlecht reden“, forderte er. Deutschland sei eine führende Nation, wenn es um die Ausrichtung von Sportgroßveranstaltungen geht. „Wir haben nur die Olympischen Spiele schon lange nicht mehr nach Deutschland bekommen.“

Aus Sicht von Tilmann Heuser, Berliner Landesgeschäftsführer beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), gibt es kein grundsätzliches Akzeptanzproblem für Sportgroßveranstaltung bei der Bevölkerung in Deutschland. Vor allem dann nicht, wenn bestehende und leistungsfähige Sportinfrastruktur genutzt werde, die Kosten für die Steuerzahler im Rahmen blieben und die Durchführung der Veranstaltung nicht für die Durchsetzung strittiger Infrastrukturprojekte missbraucht werde. Anders sehe es mit Veranstaltungen aus, die einen erheblichen Aus- und Neubau von Sportinfrastruktur fordern und mit hohen Kostenrisiken verbunden sind. Insofern fehlt es der Strategie bereits an der Analyse, für welche Sportgroßveranstaltungen überhaupt die „Begeisterung der Bevölkerung“ geweckt werden müsse, kritisierte er.

Wie wichtig Sportgroßveranstaltungen für die Sportler sind, erläuterte Johannes Herber, Geschäftsführer des Vereins Athleten Deutschland und ehemaliger Basketball-Nationalspieler. Als Zehnjähriger habe er erlebt, wie Deutschland als völliger Außenseiter in München Basketball-Europameister wurde. Erst danach habe er mit dem Sport begonnen, um zehn Jahre später selber Nationalspieler zu werden. Aus Sicht von Herber ist die internationale Vernetzung des deutschen Sports und seiner Funktionäre extrem wichtig, wenn es um Bewerbungen geht. Er habe aber in seinen fünf Jahren als Sportlervertreter in internationalen Gremien keine Erinnerung an einen deutschen Vertreter, der dort einen nennenswerten Beitrag geleistet hat.

Journalist Weinreich griff dies auf und verwies darauf, dass Deutschland in den internationalen Gremien zahlenmäßig zwar gut vertreten sei. Offenkundig fehle es aber an Kompetenz. Mit Blick auf die Ereignisse rund um die Brisbane-Entscheidung sprach Weinreich von einer peinlichen Woche für den deutschen Sport. Wenn die dafür Verantwortlichen nun ein solches Konzept vorlegen, „passt das nicht“, sagte er. Ohnehin sei ein Mangel an Vertrauen der deutschen Bevölkerung in internationale aber auch deutsche Sportfunktionäre zu verzeichnen. „Das Vertrauen tendiert gegen Null.“ Aus Sicht Weinreichs fehlt es bei der Erarbeitung der Strategie an Transparenz. „So ein Konzept hat im dritten Jahrtausend zwingend total öffentlich debattiert zu werden“, forderte er. Das betreffe jede Sitzung und jedes Protokoll.

Auch Amnesty-Vertreterin Schenk hält den Stakeholder-Prozess für „grandios gescheitert“. Wichtige Punkte seien plötzlich unter den Tisch gefallen, die zuvor im Prozess noch enthalten waren. „Damit bleibt die Strategie weit hinter dem zurück, was auf internationaler Ebene längst selbstverständlich ist mit Blick auf Nachhaltigkeit einschließlich Menschenrechte, Governance und Transparenz sowie Stakeholder-Beteiligung“, urteilte sie.

Professor Jürgen Schwark, Lehrbeauftragter für das Institut für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS), hält den vorgelegten Text für „nicht zur Publikation geeignet“. Es fänden sich zu viele begriffliche Unschärfen, kategoriale Fehler, unzutreffende Behauptungen und widersprüchliche Anforderungen darin. Auch sei im Text davon die Rede, dass dort, „wo es sinnvoll erscheint“, Partizipation genutzt werde. „Dialog wird hier eher als Audienz gewährt“, kritisierte er.

Sportsoziologe Preuß verwies darauf, dass Länder mit einer solchen Strategie, wie Großbritannien, Kanada und Dänemark, damit auch erfolgreich seien. In Deutschland gebe es bisher aber weder eine professionell systematische Unterstützung für Eventbewerbungen, noch ein klar auf Ziele abgestelltes Fördersystem, und erst recht keinen systematischen Ansatz, Deutschland und deutsche Vertreter international zu positionieren. Mit der Nationalen Strategie Sportgroßveranstaltungen gibt es aus seiner Sicht nun Chancen zu positiven Veränderungen, „wenn sie denn in die Praxis umgesetzt wird“.

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