26.03.2021 3. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 404/2021

Zeuge: BaFin ging von Gefährdung des Marktvertrauens aus

Berlin: (hib/LL) Die Rolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gegenüber dem mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleister und früheren DAX-Unternehmen Wirecard im Februar 2019 stand im Zentrum der Zeugenbefragung des 3. Untersuchungsausschusses („Wirecard“) am 25. März 2021.

Nachdem am Donnerstagnachmittag Regina Schierhorn, Referatsleiterin für Marktmanipulationsverfolgung bei der BaFin zu Wort gekommen war, nahm danach ihr Referatsleiterkollege Jean-Pierre Bußalb, bei der BaFin zuständig für Handelsaussetzung, Leerverkaufsüberwachung und Directors' Dealings, gegenüber den Abgeordneten Platz.

Am Freitag, 26. März, sollen weitere BaFin-Führungskräfte verhört werden, darunter die Exekutivdirektorin Wertpapieraufsicht, Elisabeth Roegele, und der scheidende Präsident der BaFin, Felix Hufeld.

Die Abgeordneten hakten bei der Befragung von Jean-Pierre Bußalb nach, auf welcher wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlage die zuständigen BaFin-Referate ihre Entscheidung für ein sogenanntes Leerverkaufsverbot für Wirecard-Papiere stellten und inwieweit die Deutsche Bundesbank in den Entscheidungsprozess einbezogen worden war. Außerdem interessierte sie der Ausgangspunkt für die Maßnahme und warum diese mit einer solchen Eile erlassen wurde.

Immer wieder musste Bußalb auf seine Stellvertreterin verweisen, die an jenem Freitag, 15. Februar 2019, statt seiner Dienst hatte, und die der Abteilungsleiterin Roegele zuarbeitete, die das Heft des Handelns dann in die Hand genommen und schließlich über das Leerverkaufsverbot entschieden habe. Per Fax und Telefonat sei die BaFin seitens der Staatsanwaltschaft München an jenem Freitag darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Wirecard AG bedroht und erpresst werde.

Während die Bundesbank der Maßnahme des Leerverkaufsverbots auf Nachfrage der BaFin ablehnend gegenüber gestanden habe, habe man innerhalb der BaFin raschen Handlungsbedarf gesehen. Den Informationen der Staatsanwaltschaft, die seinem Referat von einem anderen Referat des Hauses übermittelt worden seien, sei man nicht weiter nachgegangen, sondern habe diese sehr ernst genommen.

Seine Vorgesetzte wie auch seine Stellvertreterin hätten damals durchaus Grund gehabt davon auszugehen, dass das Marktvertrauen gefährdet sei, führte Bußalb aus. Die nach der Finanzkrise entwickelte Rechtsgrundlage für ein Leerverkaufsverbot habe den handelnden Akteuren seines Hauses einen Ermessensspielraum gewährt. Vor diesem Hintergrund hätten die Kollegen damals eine vertretbare Entscheidung getroffen.

Die BaFin-eigene Innenrevision sei 2020 zu dem Schluss gekommen, dass die Prozesse an jenem Wochenende ordnungsgemäß abgelaufen seien. Zu den Dingen, die man künftig besser machen wolle, gehöre, die Bundesbank mit ihren breiteren Analysemöglichkeiten einzubeziehen. Er selbst habe in den Handlungsleitfaden aufgenommen: „Die Bundesbank ist zu beteiligen“, so Bußalb.

Die Abgeordneten äußerten ihr Unverständnis, wie die BaFin zu der Einschätzung habe gelangen könne, Wirecard sei ein derart relevantes Unternehmen, dass dessen Kursentwicklung das weitere Marktumfeld in Mitleidenschaft ziehen könne. Die Bundesbank sei jedenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Ansteckungsgefahr anderer Werte bestehe.

Letztlich sei die Mittelung der Staatsanwaltschaft mit der Aussicht einer Marktmanipulation und einer Gefährdung des Marktvertrauens ausschlaggebend für die überhastete BaFin-Maßnahme gewesen, sagte Bußalb. Dieses Hauptargument hatte die BaFin freilich nicht in ihre an jenem Februar-Wochenende aufgesetzte Begründung hineinschreiben können: aus Geheimhaltungs- und ermittlungstechnischen Gründen der Strafverfolgungsbehörde.

Die Zeugenvernehmung wurde am Abend fortgesetzt mit Felicitas Linden, Abteilungsleiterin für Marktüberwachung und Marktinfrastruktur bei der BaFin sowie Susanne Bergsträsser, BaFin Co-Abteilungsleiterin für Prospekte, Überwachung und Wertpapieranalysen.

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