22.04.2021 Tourismus — Ausschuss — hib 536/2021

Digitale Chancen für den Tourismus

Berlin: (hib/WID) Um die Chancen der Digitalisierung für die Reisewirtschaft nutzbar zu machen, bedarf es zusätzlicher Anstrengungen. So lautete am Mittwoch der Tenor eines Fachgesprächs im Tourismusausschuss. Einigkeit unter den Teilnehmern bestand darüber, dass die Coronakrise einen Digitalisierungsschub ausgelöst habe, der das Konsumverhalten von Reisenden und folglich das Angebot von Veranstaltern, Beherbergungswirtschaft und Gastronomen betreffe. Dabei sei aber auch der Nachbesserungsbedarf unübersehbar geworden.

Michael Buller, Vorstand im Verband Internet Reisevertrieb, wies darauf hin, dass der Anteil der Menschen mit Netzzugang in Deutschland in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten von 31 auf 89 Prozent gewachsen sei. Derzeit würden 67 Prozent aller Reisebuchungen auf digitalem Wege abgewickelt. Auf der anderen Seite lasse die digitale Bildung immer noch sehr zu wünschen übrig. Sie könne nicht einmal in den Lehrplänen angemessene Berücksichtigung finden, weil diese in der Regel mit fünfjährigem Vorlauf entwickelt würden und bis dahin vom digitalen Wandel überholt seien. „Digitalisierung ist kein Alibi, sondern eine ernste Haltung“, nämlich derjenigen, die auf Innovations- und Experimentierfreude setzten, sagte Buller. Die Politik müsse Geld in die Branche pumpen, um vor allem die „Mutigeren und Stärkeren“ zu fördern.

Von einer „neuen digitalen Konsumentenrealität“ als Folge der Pandemie sprach Michael Faber, einer von zwei Geschäftsführern des Netzwerkes „Tourismuszukunft - Realizing Progress“, das nach seinen Worten seit 14 Jahren Anbieter im Reisesektor dabei unterstützt, sich auf den digitalen Wandel einzustellen. Auch auf seiten der Unternehmen beobachte er derzeit eine bisher nie dagewesene Veränderungsbereitschaft, betonte Faber. In diesem Prozess seien die Mitarbeiter die „tragende Säule“. Abgesehen davon, dass die Branche für ihre Beschäftigten attraktiv bleiben müsse, komme es daher auf eine „Transformation der Ausbildungsinhalte“ sowie neue, praxisnahe Weiterbildungsangebote an. Hybride sowie digitale Lern- und Beratungsformate seien dafür von großer Bedeutung. Ohne elektronische Hilfsmittel - Stichworte: Besucherlenkung, Sensorik, digitaler Impfpass - seien auch die Folgen der Pandemie nicht zu bewältigen.

Der Geschäftsführer der Guide2 GmbH, eines seit 2016 tätigen Anbieters einer Buchungs- und Informations-App für die schleswig-holsteinische Westküste, Michael Faltis, berichtete über ein Projekt, das es Kurorten erleichtern soll, auf digitalem Wege die Meldedaten ihrer Gäste zu erheben und die Kurabgabe einzuziehen. Der Vermieter brauche dabei nicht mehr eingeschaltet zu werden. Statt in 20 oder 30 Minuten, die es dauere, einen Meldezettel korrekt auszufüllen und einzureichen, sei der Vorgang in zwei Minuten abzuwickeln. Die Daten seien so auch zu Zwecken der Statistik einfacher zu verwalten.

Die großen Internet-Plattformen, sagte Professor Eric Horster von der Fachhochschule Westküste im holsteinischen Heide, seien im Wortsinne „Treiber“ der Entwicklung: „Sie treiben die Kunden zu anderen Gewohnheiten.“ In diesem Sinne habe auch die Pandemie ihr Gutes: „Sie hat alle zu anderen Gewohnheiten gezwungen. Wir mussten uns digitalisieren.“ Horster, der in Heide internationales Tourismus-Management lehrt, hob unter anderem die Bedeutung einer „digitalen Gästekarte“ für die Besucherlenkung in gefragten Reiseregionen hervor.

„Deutsche Urlaubreisende sind immer smarter“, stellte der Geschäftsführer der Tourismus Marketing Brandenburg GmbH, Dieter Hütte, fest. Sie erwarteten zum Beispiel zeit- und ortsnah abrufbare Informationen über ihre Reiseziele. Seine Organisation habe daher jetzt 100 „Info-Stelen“ installieren lassen. Bereits seit zwei Jahrzehnten sei eine landesweite Datenbank verfügbar mit Angaben über 14.000 Besuchsziele sowie 5.000 buchbare Angebote. Erforderlich sei freilich auch ein „digitales Bewusstsein der Tourismus-Anbieter“, so Hütte. Hieran fehle es noch vielfach, was auch mit der von Kleinstbetrieben dominierten Struktur des Gewerbes zu tun habe. Viele Unternehmen seien bisher nur unzureichend in der Lage, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Es bedürfe verbesserter Beratungsangebote und eines „landesweiten Wissensmanagements“.

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