22.04.2021 Menschenrechte — Ausschuss — hib 537/2021

Nationale Stelle: Kritik an Zwangsmaßnahmen in Psychiatrien

Berlin: (hib/SAS) Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat sich in seiner Sitzung am Mittwochnachmittag mit dem Jahresbericht 2019 (19/19680) der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter befasst. Daraus geht hervor, dass diese im Berichtsjahr sieben Abschiebungsmaßnahmen begleitet und 58 Einrichtungen besucht hat. Der Fokus habe dabei schwerpunktmäßig auf psychiatrischen Einrichtungen sowie Einrichtungen des Zolls gelegen, erläuterte der Vorsitzende der Länderkommission der Nationalen Stelle, Rainer Dopp, im Gespräch mit dem Ausschuss.

Kritisch äußerte er sich dabei insbesondere über die Praxis von Zwangsmaßnahmen: So habe die Nationale Stelle bei Besuchen „teils sehr lange Absonderungen“ festgestellt. Patienten seien viele Monate lang ganz allein in einem Raum untergebracht worden, der nur mit einem Bett ausgestattet und nicht selten ohne Fenster gewesen sei. „Das ist etwas, das wir mit großen Bedenken sehen und das von den Aufsichtsbehörden überprüft und kontrolliert werden müsste“, betonte Dopp. Immer wieder hätten Mitarbeiter der Nationalen Stelle bei ihren Besuchen auch „Krisenräume“ mit nur einer Matratze vorgefunden. Wenn Patienten sich über einen längeren Zeitraum dort aufhalten müssten, sei es ein „Eingriff in die Menschenwürde“, wenn es nicht einmal die Möglichkeit gebe, sich hinzusetzen, erklärte der Vertreter der Anti-Folter-Stelle.

Auch den Umgang mit Fixierungen habe die Nationale Stelle wiederholt beanstanden müssen, so der Vorsitzende der Länderkommission. Die Fixierung eines Patienten dürfe zwar seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2018 nur nach richterlicher Genehmigung erfolgen. „Wir sind aber auf eine Verfahrensweise gestoßen, bei denen Richter Vorratsbeschlüsse für das nächste dreiviertel Jahr gemacht haben. So konnte immer wieder fixiert werden, ohne dass der Anlass dafür nachzuvollziehen gewesen wäre.“ Das entspreche nicht der Intention des Verfassungsgerichts und müsse geändert werden, sagte Dopp. Problematisch seien zudem Fixierungen in Polizeistationen, die in einigen Bundesländern noch angewandt werden dürften. „Unser Eindruck ist aber, dass Polizeistationen nicht wirklich in der Lage sind, Fixierungen durchzuführen. Deswegen fordern wir, auf Fixierungen im Bereich der Polizei vollständig zu verzichten.“

Im Ausschuss erläuterte der Vertreter noch einmal den präventiven Charakter der Arbeit der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter. Die Mitarbeiter besuchten „Orte der Freiheitsentziehung“ - zum Beispiel auch Justizvollzugsanstalten, Polizeidienststellen, geschlossene Einrichtungen der Kinder-und Jugendhilfe sowie Alten- und Pflegeheime, um auf Missstände aufmerksam zu machen und Verbesserungsvorschläge zur Wahrung der Menschenwürde zu unterbreiten.

Die Wirksamkeit ihrer Tätigkeit sei jedoch trotz des inzwischen fast zwölfjährigen Bestehens der Nationalen Stelle noch immer begrenzt, monierte der Vertreter. An der Umsetzung ihrer Empfehlungen mangele es immer wieder. „Wir würden uns wünschen, dass die obersten Aufsichtsbehörden, die zuständigen Landes- oder Bundesministerien, sich noch intensiver mit unseren Vorschlägen befassen.“ Als Problem bezeichnete Dopp außerdem den Umstand, dass es der Nationalen Stelle immer noch nicht möglich sei, in ihren Berichten auch die Namen von Einrichtungen in privater Trägerschaft zu veröffentlichen. Dadurch fehle oftmals der Druck, Empfehlungen umzusetzen. Es brauche hier dringend eine Gesetzesänderung.

Verbessert habe sich hingegen die finanzielle Ausstattung der Anti-Folter-Stelle: Nachdem aufgrund gestiegener Miet- und Personalkosten die Zahl der Besuche 2018 verringert werden musste, sei die Stelle durch eine Aufstockung der Mittel um 100.000 auf jährlich 640.000 Euro durch Beschluss der Justizministerkonferenz nun wieder so arbeitsfähig wie zuvor, so Dopp. Allerdings merkte er an, dass die Nationale Stelle finanziell wie personell bei weitem nicht so ausgestattet sei, dass sie ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen könne, die mehr als 13.000 Orte der Freiheitsentziehung in Deutschland regelmäßig zu besuchen.

In der anschließenden Diskussion äußerten Abgeordnete aller Fraktionen Anerkennung für die Arbeit der Nationalen Stelle. Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD verwiesen zudem auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag, mit dem sie sich für die Sicherstellung der finanziellen Ausstattung einsetzen. Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Linksfraktion kritisierten dies als unzureichend. FDP und Linke signalisierten zudem Unterstützung für die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage, um Namen privater Einrichtungen veröffentlichen zu können, in denen Missstände entdeckt worden seien.

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