06.05.2021 Menschenrechte — Anhörung — hib 614/2021

Lob und Kritik für Menschenrechtspolitik

Berlin: (hib/SAS) Der 14. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik im Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis zum 20. September 2020 (19/25000) war am Mittwochnachmittag Thema einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. In der Anhörung würdigten die Sachverständigen die regelmäßige Berichterstattung, äußerten jedoch auch Kritik im Detail. So sahen sie zum Beispiel Nachbesserungsbedarf bei der Auswahl der Länderberichte. Auch mahnten die Experten einen noch konsequenteren Einsatz der Bundesregierung für die Menschenrechte an - international wie in Deutschland selbst.

So forderte Lina Al-Hathloul, Schwester der gerade mit dem Vaclav-Havel-Preis für Menschenrechte ausgezeichneten saudi-arabischen Frauenrechtsaktivistin Loujain Al-Hathloul, den Druck auf Saudi-Arabien zu erhöhen. Deutschland müsse als einer der wichtigsten Handelspartner den Druck auf das Königreich erhöhen und echte Menschenrechtsreformen zur Voraussetzung für jede Art der weiteren Zusammenarbeit machen. Es dürfe sich auch nicht etwa von Förderprogrammen für Frauen täuschen lassen, mit denen die Regierung versuche Imagepflege zu betreiben und von ihren massiven Menschenrechtsverletzungen abzulenken.

Der Publizist David Berger lenkte den Blick nach Deutschland und kritisierte die Einschränkungen von Grundrechten im Zuge der Pandemiebekämpfung: Dies habe der Glaubwürdigkeit der Bundesregierung im Einsatz für die Menschenrechte geschadet. Auch die Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes und die Neuregelung des Paragrafen 188 Strafgesetzbuch, der eine „im politischen Leben stehende Person“ vor übler Nachrede oder Verleumdung schützt, geißelte der Journalist und Blogger: In Deutschland sei ein Klima entstanden, in dem „die Mehrzahl der Bürger, wichtige Journalisten und inzwischen auch Schauspieler Angst haben, ihre Meinung zu sagen“.

Johannes Pieper vom Paritätischen Gesamtverband wies dagegen auf die wachsende Armut in Deutschland hin. Dies sei besorgniserregend, da weitere Benachteiligungen etwa im Bereich Bildung, Wohnen oder Gesundheit damit einhergingen, sagte er und drängte darauf, die Regelsätze in der Grundsicherung zu erhöhen. Als eine Verletzung des Menschenrechts auf Wohnen monierte Pieper zudem Stromsperren. Betroffene hätten keine Möglichkeit, warmes Wasser zuzubereiten, zu kochen oder auch zu heizen. Die Übernahme der Stromkosten in der Grundsicherung müsse dringend neu geregelt werden, so die Forderung des Experten.

Julia Duchrow von Amnesty International begrüßte, dass die Bundesregierung regelmäßig über ihre Menschenrechtspolitik informiert. Allerdings merkte sie an, dass der Bericht „aussagekräftiger“ wäre, wenn er sich auch kritisch damit auseinandersetzen würde. Nicht überzeugend sei zudem die Auswahl der Länderberichte. Engagiert und konstruktiv sei die Mitarbeit Deutschlands im UN-Menschenrechtsrat. Doch es müsse noch „klarere Kante“ im Rahmen der Vereinten Nationen und in der Europäischen Union zeigen, um der Erosion der globalen Menschenrechtsregime entgegenzuwirken. Hart ins Gericht ging Duchrow mit der deutschen und europäischen Flüchtlingspolitik: Illegale Push-backs an den EU-Außengrenzen widersprächen den menschenrechtlichen Standards, Kooperationen mit Drittstaaten wie der Türkei oder Libyen seien ein „Irrweg“.

Die Kritik an der Auswahl der Länderberichte teilte Martin Lessenthin, Sprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte: Dass etwa die gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Kuba darin nicht zur Sprache kämen, sei ein Manko. Er warnte auch vor verfrühten Hoffnungen hinsichtlich einer Rettung des Atomabkommens mit Iran. Das Land stehe vor Wahlen, mit weiteren Repressionen sei rechnen, so der Experte. Die Bundesrepublik betrachte der Iran als „schwachen Staat“, den man leicht unter Druck setzen könne, um wirtschaftspolitische Ziele oder Vorteile bei den Atomverhandlungen zu erreichen. Daher sei der Anreiz, Geiseln zu nehmen groß.

Eine „eklatante Verschlechterung“ der Menschenrechtssituation in Iran beklagte auch Neda Soltani, Referentin für gefährdete und geflüchtete Wissenschaftler an der Humboldt-Universität Berlin: Tausende Menschenrechtler, Rechtsanwälte, Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten, aber auch „hochbegabte, junge Studierende“ seien willkürlich in Haft. Die Zahl der Hinrichtungen und Misshandlungen in Gefängnissen steige. Damit wolle Teheran jede Art von Kritik unterbinden, so Soltani. Angesichts dessen reichten „schriftliche Bekenntnisse zu den Menschenrechten in Iran“ nicht aus, monierte sie. Es brauche eine überzeugende Strategie der Bundesregierung. Einen Kompromiss in den Verhandlungen über das Atomabkommen dürfe es mit diesem „autoritären Regime“ nicht geben.

Dietmar Roller, Vorstandsvorsitzender der International Justice Mission Deutschland, einem Netzwerk, das sich gegen moderne Sklaverei einsetzt, konstatierte eine Zunahme von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung. Menschenhändler nutzten ganz gezielt Migrationsbewegungen, um Frauen und Minderjährige nach Europa zu schleusen. Für sexuelle Ausbeutung, insbesondere auch von Kindern, würden aber zunehmend auch Internet und digitale Technologien genutzt. Ein neuer Trend, den die Corona-Pandemie verstärkt habe, so Roller, und dem die Bundesregierung mit schärferen Gesetzen entschiedener entgegentreten müsse.

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