06.05.2021 3. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 620/2021

EY-Vertreter verweist auf Geschäftsgeheimnisse

Berlin: (hib/LL) Mit einem holprigen Start begann die Beweisaufnahme des 3. Untersuchungsausschusses („Wirecard“) am Donnerstagvormittag, 6. Mai 2021, indem der Zeuge Christian Muth, Forensiker bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, und sein Rechtsbeistand zunächst jegliches Eingangsstatement und sämtliche Antworten auf Fragen der Ausschussmitglieder im Rahmen einer öffentlichen Sitzung verweigerten.

In den Aussagen und der Befragung werde unvermeidlich Bezug auf als geheim eingestufte Dokumente genommen. Daher sei ihm sein Statement und die Beantwortung von Fragen nur in nichtöffentlicher Sitzung möglich, so der Zeuge. Dagegen argumentierten die Ausschussmitglieder für eine öffentliche Befragung und versuchten die öffentliche Sitzung zu retten.

Es schloss sich ein nach den Worten des stellvertretenden Vorsitzenden Hans Michelbach (CSU) „Pingpongspiel“ von Argumenten um Verfahrensfragen an. Während die Ausschussmitglieder der Ansicht waren, der Zeuge müsse sehr wohl auf Fragen zu bereits öffentlichen, nicht eingestuften Unterlagen antworten, zogen sich der Zeuge und sein Rechtsbeistand darauf zurück, dass damit immer auch Geschäftsgeheimnisse von EY berührt würden.

„Die Öffentlichkeit hat das Recht, mehr über die Tätigkeit von EY zu erfahren“, die im Fall Wirecard für tausende Anleger und Sparer zu erheblichen Verlusten, ja insgesamt zu einem „Schlag gegen unsere freiheitliche Wirtschaftsordnung“ geführt habe, sagte Michelbach. Die öffentliche Aufarbeitung dieser Vorgänge müsse Vorrang vor dem Einzelinteresse eines Unternehmens haben. EY solle „nicht weiter Versteckspiel gegen ein Verfassungsorgan“ spielen.

Mit ähnlichen Worten - „Bitte versuchen sie ein Eingangsstatement“ sowie mit der Bitte, doch wenigstens eine Befragung zu öffentlich zugänglichen Materialien zuzulassen - konnten die Abgeordneten dem EY-Mitarbeiter dann ein gekürztes, allgemein gehaltenes Eingangsstatement abringen. Bei der ersten Frage des stellvertretenden Vorsitzenden - „Wie haben Sie als Person mit Wirecard zusammengearbeitet?“ - blockte der Zeuge jedoch bereits wieder ab und verweigerte eine Einlassung.

Das Gremium einigte sich auf eine Sitzungsunterbrechung und begab sich danach in eine Beratungssitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nach dem Versuch, so viel wie möglich in öffentlicher Sitzung zu behandeln, werde man sämtliche weitere offenen Fragen in jedem Fall in einer zusätzlichen nichtöffentlichen Sitzung am heutigen Abend abräumen, darin waren sich die Ausschussmitglieder einig. „Notfalls befragen wir Sie bis vier Uhr. Herr De Masi hat wieder seine Espresso-Maschine dabei“, sagte SPD-Obmann Jens Zimmermann.

Der Zeuge aber gab in den wenigen Sätzen seine gekürzten Statements an, er wolle aussagen, das brenne ihm auf den Nägeln. Er stehe aber vor dem Dilemma, dass sich seine Arbeitsunterlagen unter Geheimhaltung befänden, „in der Geheimhaltungsstelle“. Er aber habe die Dokumente weder eingestuft noch könne er sie „entstufen“.

Der Aufforderung von Florian Toncar (FDP), in seinen Antworten die als geheim eingestuften Sachverhalte und möglicherweise strafrechtlich relevanten Aspekte wegzulassen, entgegnete Muth: „Ich möchte hier sprechen. Darf das aber nicht. Sie legen mir gerade eine zusätzliche Last auf. Sachverhalt und Dokument sind nicht voneinander zu trennen.“

Doch, meinte der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz: „Es ist zumutbar, einen sauberen Schnitt zu machen. Auf eine harmlose Frage überhaupt keine Antwort zu geben: Das geht nicht.“ „Eine pauschale Verweigerung auf die Frage zur Zusammenarbeit mit Wirecard“ sei nicht hinnehmbar, sagte SPD-Vertreter Zimmermann.

„Auf welcher Grundlage verweigern Sie die Aussage? Sie sind als Zeuge hier, nicht als Experte für Forensik. Einstufungsgrund wäre eine Einstufung als Geschäftsgeheimnis“, sagte Zimmermann. Aber der Zeuge könne nicht jegliche Antwort unter Berufung auf Geschäftsgeheimnisse ausschlagen. Das Gremium habe in den vergangenen Monaten bereits viel erlebt. Aber: „Das ist die Kirsche auf dem Eisbecher.“

Man werde die Befragung von EY-Mitarbeitern notfalls bis September fortsetzen, man werde das ausklammern und den Bericht des Ausschusses ergänzen, sagte der FDP-Abgeordnete Toncar. Er werde einem Abschluss der Ausschussarbeit im Juni nicht zustimmen, „wenn wir nicht sehr zeitnah eine Lösung dieser Streitfragen hinbekommen.“

Die „Fragen zu Wirecard“ seien „nicht gedeckt von ihrer Aussageverweigerung“, befand Michelbach. Die öffentliche Sitzung wurde wegen Abstimmungen und zur Beratung unterbrochen. An heutigen Sitzungstag sollen noch weitere Mitarbeiter von EY, des Bundeskanzleramtes sowie Angehörige des Bundesnachrichtendienstes vernommen werden.

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