20.05.2021 Menschenrechte — Anhörung — hib 680/2021

Auswirkungen des Klimawandels auf Menschenrechte erörtert

Berlin: (hib/SAS) Der Klimawandel gefährdet Gesundheit und Leben von Menschen. Er stellt aber auch ihren menschenrechtlich begründeten Anspruch unter anderem auf Zugang zu Wasser, Nahrung oder Wohnung infrage, darin stimmten die Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zum Thema „Menschenrechte und Klimakrise“ am Mittwoch überein.

In der von Gyde Jensen (FDP) geleiteten Sitzung erörterten die Experten unter anderem die Frage, ob und inwieweit der Klimawandel als Konflikttreiber wirkt, auf welche Weise Anpassungen an die Folgen der Erderwärmung menschenrechtssensibel gestaltet und Klimaschutz- und Menschenrechtsschutz sinnvoll verknüpft werden können.

Susanne Dröge von der Stiftung Wissenschaft und Politik erläuterte, dass die Diskussion um die Auswirkungen des Klimawandels auf Frieden und Sicherheit international zunehmend intensiv geführte werde. Umfassende Erkenntnisse über tatsächliche Sicherheitsrisiken lägen allerdings noch nicht vor. Wissenschaftler seien sich nur sicher, dass der Klimawandel als Konfliktmultiplikator wirke, so die Volkswirtin. Erste Studien zeigten etwa, dass er dazu beitrage, extremistische Gruppierungen zu fördern. Wer Hassrede oder politische und soziale Marginalisierung bekämpfen wolle, müsse deshalb künftig auch Klimawandelfolgen mit berücksichtigen.

Betroffen von den Auswirkungen des Klimawandels sei insbesondere das Recht auf Zugang zu Wasser, betonte Getrud Falk, Referentin bei FIAN Deutschland. Das sei „dramatisch“, da Wasser die Voraussetzung für jedes Leben darstelle. Die zunehmend gefährdete Wasserversorgung führe dazu, dass immer mehr Menschen ihr Zuhause verlassen müssten. Die Klimakrise verschärfe strukturelle Diskriminierungen und anhaltende Menschenrechtsverletzungen, unterstrich Falk. Sie machte außerdem darauf aufmerksam, dass auch „Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen“ zu einer Verschärfung beitragen könnten, wenn diese nicht menschenrechtsbasiert seien. Als Beispiel nannte sie die Flutung von Dörfern für Staudämme, die Menschen ihrer Heimat und Lebensgrundlagen beraubten.

Dass Klimawandelfolgen hauptsächlich ohnehin schon benachteiligte Menschen treffen, das unterstrich auch Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR): Diese lebten oft in ländlichen Regionen von Staaten mit äußerst schwachen Institutionen. „90 Prozent aller Landtitel in Afrika sind nicht dokumentiert. Wenn dort Menschen umsiedeln müssen, werden sie nie Entschädigungsleistungen erhalten, weil sie nicht notifiziert sind.“ Governance, die Art wie Staaten auf den Klimawandel reagierten, sei ganz zentral, so der Politikwissenschaftler.

Gernot Laganda, Leiter der Klima-und Katastrophenvorsorge beim Welternährungsprogramm, wies auf den Zusammengang von Extremwetterereignissen und Hunger hin. „Klimaschocks können sich schnell zu massiven Ernährungskrisen entwickeln, indem sie Land und Boden, Viehbestand und Nahrungsvorräte zerstören“, erklärte er. Nicht minder gravierend seien schleichende Veränderungen wie etwa ein steigender Salzgehalt in Böden oder das vermehrte Auftreten von Schädlingen: Sie schädigten die Lebensgrundlagen, auf die Kleinbauern - in manchen Entwicklungsländern für 80 Prozent der Nahrungsmittelproduktion verantwortlich - angewiesen seien. Setzten sich solche Trends fort, sei eine Welt ohne Hunger bis 2030 nicht zu erreichen, warnte der Experte. „Die Begrenzung der Erderwärmung ist deshalb auch ein humanitäres Gebot.“ Laganda drang darauf, naturbasierte Ansätze in humanitären Programmen auszuweiten und den Schwerpunkt stärker auf präventive Maßnahmen zu legen.

Der Geograph Rainer Rothfuß warnte davor, den Klimawandel isoliert zu betrachten. Auch die Kategorie des „Klimaflüchtlings“, greife zu kurz. Die Frage des Zugangs zu Ressourcen werde von einem ganzen „Faktorenkomplex“ bestimmt: Bodenveränderungen wie Wüstenbildung, aber auch Bevölkerungswachstum, Migrationsbewegungen oder die Art des Gesellschaftssystems spielten eine Rolle. Die Landkonzentration etwa nehme weltweit stark zu, so der Sachverständige: „Es gibt große Ungerechtigkeiten, die mit in die Bewertung mit einfließen müssen, wenn wir Prozesse als Klimaflucht kategorisieren wollen.“

Michael Reder, Professor für Praktische Philosophie an der Hochschule für Philosophie in München, erinnerte angesichts der Debatte über die Frage, ob Klimawandelfolgen als Menschenrechtsverletzungen interpretiert werden könnten, daran, dass Menschenrechte „kein zeitloses Gebilde“, sondern historisch gewachsen sind. „Sie müssen immer wieder dort nachjustiert werden, wo die Grundidee der Menschenrechte - allen Menschen gleichermaßen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen in Gefahr gebracht wird“, erklärte Reder. Es sei offensichtlich, dass Klimafolgen dies massiv täten.

Diese Auffassung vertrat auch Benjamin Schachter, Human Rights Officer Climate Change and Environment im Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Er appellierte in diesem Zusammenhang an die Verantwortung der Staaten, die durch ihren Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen besonders zur Erderwärmung beigetragen haben. Deutschland, als größte Volkswirtschaft Europas und einer der Hauptverursacher, müsse eine gewichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel und mehr Klimagerechtigkeit spielen, so seine Forderung. Der Verletzung von Menschenrechten durch Klimafolgen könne die Bundesregierung etwas entgegensetzen, indem sie sich beispielsweise auf internationaler Ebene für die Etablierung eines einklagbaren Rechts auf gesunde Umwelt stark mache.

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