Unterschiedliche Auffassungen zum Nationalen Radverkehrsplan
Berlin: (hib/HAU) Der Nationale Radverkehrsplan 3.0 der Bundesregierung (19/29250) trifft im Verkehrsausschuss auf Zustimmung ebenso wie auf Ablehnung. Das wurde während der Sitzung am Mittwoch deutlich. In dem Radverkehrsplan wird davon ausgegangen, dass im Jahr 2030 Radfahren selbstverständlich und vielfältig sei. Das Rad werde auf immer mehr Wegen - im Alltag und in der Freizeit - das Verkehrsmittel der Wahl sein, heißt es. In der Vision ist von „einladenden Infrastrukturen, lebenswerten öffentlichen Räumen, innovativen Mobilitätsangeboten, einem entspannten Miteinander im Verkehr und einer Offenheit der Politik für Radverkehr“ die Rede. Es wird davon ausgegangen, dass sich die gefahrenen Kilometer per Rad bis 2030 im Vergleich zu 2017 durch deutlich mehr und längere Wege verdoppeln. Die Anzahl der Wege werde von rund 120 im Jahr 20171 auf 180 Wege je Person und Jahr zunehmen. Die durchschnittliche Länge der mit dem Rad zurückgelegten Wege werde sich von 3,7 Kilometer auf sechs Kilometer erhöhen.
Durch breit angelegte Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs sollen sich die Rahmenbedingungen bis 2030 deutlich verbessert haben. „Durch gezielte Infrastrukturmaßnahmen und technische Innovationen fühlen sich immer mehr Menschen auf dem Rad wohl und können sich vorstellen, das Fahrrad häufiger und auch für längere Freizeit-, aber besonders auch Alltagswege zu nutzen“, heißt es im Radverkehrsplan. Während im Jahr 2019 noch 41 Prozent der Deutschen geplant hätten, in Zukunft mehr Rad zu fahren, steige dieser Zustimmungswert bis zum Jahr 2030 auf 60 Prozent an, wird prognostiziert.
Eine „Supersache“ sei der Nationale Radverkehrsplan 3.0, hieß es von Seiten der Unionsfraktion während der Debatte im Ausschuss. Er sei das Ergebnis eines breiten Beteiligungsprozesses. Festzustellen sei, so der Fraktionsvertreter, dass die Fahrradpolitik inzwischen einen wesentlich höheren Stellenwert habe, auch weil der Verkehrsminister sich selbst bei dem Thema sehr stark einbringen würde. Radverkehrspolitik sei gleichwohl eine Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Der Bund könne der Antreiber sein, habe aber nur begrenzte Möglichkeiten.
Der Radverkehrsplan zeige, dass sich viele Länder und Kommunen dem Ziel verschrieben hätten, den Radverkehr zu fördern, sagte der Vertreter der SPD-Fraktion. In der Pandemie habe sich gezeigt, dass der Radverkehr boome - ebenso wie die Fahrradindustrie. Die große Koalition habe, mit angetrieben von der SPD-Fraktion, „das Fahrrad aus der verkehrspolitischen Nische geholt“, was im Interesse der Gesundheit und auch des Klimas sei. Wünschenswert wäre es aus seiner Sicht gewesen, wenn es im Rahmen der StVO-Novelle Modellprojekte zum Regeltempo 30 gegeben hätte.
Aus Sicht der AfD-Fraktion enthält der Radverkehrsplan unbegründete Fiktionen, überzogene Forderungen aber durchaus auch positive Ansätze. Ein lückenloses Radverkehrsnetz, insbesondere an Land- und Kreisstraßen, sei unbedingt unterstützenswert. Allerdings fänden sich in dem Plan auch Instrumentarien, die den Autoverkehr unattraktiver machen sollen, kritisierte der Fraktionsvertreter. So etwa bei der Neuverteilung der Fläche und bei Geschwindigkeitsreduzierungen bei Mischverkehren auch außerorts. Insgesamt sei die Vorlage „zu sehr Propaganda und zu wenig Plan“.
Der Vertreter der FDP-Fraktion begrüßte die offene und inklusive Bürgerbeteiligung bei der Erstellung des Radverkehrsplans. Nach Auffassung der FDP sollte „überall wo es geht“ Raum für Fahrräder, E-Bikes und Lastenräder geschaffen werden. Die Städte und Gemeinden, in denen darüber entschieden werde, bräuchten ein vereinfachtes Planungsrecht, sagte der Fraktionsvertreter. Mit Blick auf die Aufteilung des Verkehrsraums warnte er vor einseitigen Autoverboten. Benötigt werde ein Miteinander statt eines Wettkampfes gegeneinander.
Zu der „niedrigschwelligen und günstigen Innovation“ der Pop-Up-Radwege finde sich in dem Plan kein Wort, kritisierte der Vertreter der Linksfraktion. Dabei habe das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Rechtmäßigkeit der Pop-Up-Radwege in Berlin jüngst bestätigt. Zu kritisieren sei außerdem, dass offenbar am Primat für den Lkw- und Pkw-Verkehr nichts geändert werden solle. Es gebe keinerlei konkrete legislative Initiativen sondern lediglich wohlfeile Worte.
Viele der Vorschläge im dem Plan seien seit Jahren bekannt und könnten längst umgesetzt sein, sagte der Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ein solcher Nationaler Radverkehrsplan am Ende einer Legislaturperiode wirke wie eine „unerledigte To-do- Liste des Verkehrsministeriums“. Für eine Verkehrswende und eine Stärkung des Radverkehrs reiche es nicht aus, lediglich Vorschläge zu machen. Es brauche die Umsetzung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit, die Schaffung von Verkehrssicherheitszonen sowie Erleichterungen bei der Einrichtung von Fahrradstraßen.