Mikroorganismen statt Biozide zur Kühlwasserklärung
Berlin: (hib/HAU) Ein innovatives Konzept für die Wasserbehandlung von Verdunstungskühlanlagen hat Michael Simon, Technischer Leiter bei der BlueActivity GmbH, am Mittwoch vor dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung vorgestellt. Die Idee, mit Mikroorganismen statt Bioziden das Kühlwasser zu behandeln, sorge für niedrigeren Wasserverbrauch und bessere Abwasserqualität und bringe somit ökologische wie auch ökonomische Vorteile, sagte Simon. Ebenfalls geladen zu der Sitzung war Thilo Panzerbieter, Gründer und Geschäftsführer der German Toilet Organization und Sprecher des WASH-Netzwerks, das aus 29 deutschen Nichtregierungsorganisationen besteht, die schwerpunktmäßig in der Entwicklungszusammenarbeit oder der humanitären Not- und Übergangshilfe tätig sind und sich im Arbeitsbereich Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH) engagieren. Panzerbieter kritisierte, die Bundesregierung nutze ihr politisches Gewicht im Sektor globale Wasserversorgung nicht ausreichend.
Der BlueActivity-Vertreter Simon warb für die Idee, „gute Bakterien“ anstelle von Bioziden wie Chlor und Salzen zur Wasserklärung im industriellen Bereich einzusetzen. Rund drei Viertel der Wassernutzung in Deutschland entfielen auf die Wirtschaft, sagte Simon. Davon dienten etwa 85 Prozent der Kühlung von Anlagen in Produktion und Stromerzeugung. Um eine mikrobielle Verkeimung von Kühlwasser zu verhindern, wie es die Verordnung über Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider (42. BImSchV) fordere, würden in Deutschland jährlich mehr als zwei Millionen Tonnen Biozide, Polymere auf Erdölbasis und Phosphate eingesetzt.
Dennoch ließen sich damit lediglich Symptome behandeln. Die ungewünschten Keime würden sich nach kurzer Zeit neu bilden und würden resistenter. Folge dessen sei, dass immer mehr Biozid ins Kühlwasser gegeben werden müsse, was zu mikrobiellen Resistenzen, einer Schädigung der Biodiversität, ineffizienten Kühlsystemen als Folge erhöhter mikrobieller Ablagerungen und erhöhten Wasserverbrauchsmengen führe. Nicht zuletzt würden durch belastetes Abwasser auch die Kosten der Aufbereitung und so letzten Endes die Wasserpreise steigen.
Nutze man aber Mikroorganismen statt Biozide, so Simon, würden umweltschädliche Gefahrstoffe zu 100 Prozent substituiert, die Kosten für die Wasseraufbereitung um 47 Prozent gesenkt und der Wasserverbrauch um 38 Prozent verringert. „Damit erhalten wir einen ökonomischen und einen ökologischen Vorteil zugleich“, sagte er.
Positive Anwendungsbereiche gebe es derzeit schon. Wenngleich die Industrie der Idee sehr positiv gegenüberstehe, existierten bei Genehmigungsbehörden aber noch erhebliche Zweifel ob des Einsatzes von Bakterien. Zu Unrecht, wie Simon sagte. Es würden nur „gute Bakterien“ in homöopathischer Dosierung genutzt. Eine rechtliche Hürde stehe einer Zulassung nicht im Wege, sagte er. Vielmehr sei es eine Wissenslücke in den Behörden. Von den Abgeordneten erbat sich der Technischer Leiter bei der BlueActivity GmbH Unterstützung für diese „innovative Idee“. Sie müsse bekannter gemacht werden. Zudem müssten Ängste vor den Mikroorganismen abgebaut werden. „Es gibt probiotischen Joghurt - den essen wir sogar“, sagte Simon.
Wasser- und Sanitärversorgung sind Menschenrechte, machte WASH-Vertreter Panzerbieter zu Beginn seines Vortrages deutlich. Es handle sich um ein zentrales Element der Daseinsvorsorge und zugleich um ein unverzichtbares Fundament für nachhaltige und kommunale Entwicklung, betonte er. Der Ist-Zustand sei dennoch inakzeptabel. Obwohl sich die Klimakrise als Wasserkrise zeige, gingen nur drei Prozent der weltweiten Klimafinanzierungen in den Wassersektor, obgleich 90 Prozent der extremen Wetterereignisse wasserbedingt seien und bis 2030 ein Fehlbedarf von benötigtem Frischwasser in Höhe von 40 Prozent drohe.
Die Auswirkungen der globalen Wasserkrise seien überall zu spüren - bei Dürren in der Sahel-Zone ebenso wie beim Hochwasser im Ahrtal. Die zunehmende Wasserknappheit führe außerdem immer öfter zu Konflikten, die teils auch militärisch geführt würden. Wasser werde dabei als Kriegswaffe missbraucht wie in der Ukraine, sagte Panzerbieter.
Es brauche daher eine Wasserwende, machte er deutlich. Es gelte Zugänge für bislang Unversorgte zu schaffen. Des Weiteren forderte Panzerbieter eine menschenrechtskonforme Regulierung der Wassernutzung sowie die Kreislaufschließung in Wasser- und Sanitärsystemen. Deutschland müsse sein politisches Gewicht in dem Sektor stärker nutzen, verlangte der Experte. „Genau jetzt ist der Zeitpunkt, um auf globaler Ebene politische Initiativen zu ergreifen“, sagte er. Leider sei aber derzeit kein Ausbau von WASH, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, zu erkennen.