13.05.2024 Inneres und Heimat — Anhörung — hib 308/2024

Zustimmung und Einwände zum „Tag des Grundgesetzes“

Berlin: (hib/FLA) Grundsätzliche Zustimmung und manche Einwände kennzeichneten die Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat zu einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Verfassung und Patriotismus als verbindendes Band stärken - Tag des Grundgesetzes am 23. Mai als Gedenktag aufwerten“ (20/6903). Darin wird auch ein „Bundesprogramm Patriotismus“ gefordert, mit dem unter anderem sichergestellt werden solle, dass die ganzjährige Sichtbarkeit nationaler Symbole - insbesondere der Bundesflagge - im öffentlichen Raum erhöht werde.

Maxim Bönnemann, Verfassungsblog, nannte es ein wichtiges politisches Anliegen, das Grundgesetz gesellschaftlich zu verankern. Seine Akzeptanz sei hoch, könne aber nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Insofern sei es richtig, über die institutionellen und gesellschaftlichen Bedingungen einer lebendigen und resilienten Verfassungskultur nachzudenken. Er verwies darauf, dass der wirksamste Schutz der Verfassung in einer lebendigen und wachsamen Zivilgesellschaft bestehe. Ein politischer Fokus auf staatliche Festakte und Symbolik drohe diese Dimension zu verkennen.

Enrico Brissa, Friedrich-Schiller-Universität Jena, erklärte, dem Vorhaben, einen Tag des Grundgesetzes als nationalen Gedenktag zu begehen, sollte zugestimmt werden. Auf dem Gebiet des Patriotismus sei Deutschland nach wie vor eher schlecht aufgestellt. Der Umgang mit Symbolen und Ritualen von Staat und Nation sei nicht souverän genug, was an der Gebrochenheit der deutschen Geschichte und den vielen Diskontinuitäten der politischen Systeme und der staatlichen Symbolik liege.

Fritz Felgentreu, Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund aktiver Demokraten, befand, die Präsenz der Farben von Demokratie und Rechtsstaat in der Gesellschaft sei ein höchst aktuelles Thema. Es dürfe aber nicht nur um ein rituelles Flaggezeigen gehen. Eine offensive Bildungs- und Bewusstseinsarbeit sei das Gebot der Stunde. Das Grundgesetz zu feiern sei ebenso wichtig wie die Verteidigung unserer Farben. Eine Aufwertung des Tages des Grundgesetzes begrüße er grundsätzlich, sagte Felgentreu. Ob ein reiner Gedenktag sinnvoll sei, bleibe zu diskutieren. Er wünsche sich bundesweite Festveranstaltungen mit fröhlichen Menschen, die unter einem Himmel voller Schwarz-Rot-Gold gemeinsam feiern.

Peter M. Huber, Ludwig-Maximilians-Universität München, sagte, die erfolgreiche Etablierung des Rechtsstaates nach 1949 und die im Großen und Ganzen gelungene Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen hätten seit den 1970er und 1980er Jahren nicht nur bei Juristen das Bewusstsein dafür wachsen lassen, dass die Integrität des Grundgesetzes einen Eigenwert darstelle, den es zu verteidigen gelte. Mit der Übernahme der Farben schwarz-rot-gold stelle das Grundgesetz die Bundesrepublik in die Tradition der liberalen und nationalen Bewegung des 19. Jahrhunderts.

Silke Laskowski, Universität Kassel, machte deutliche Diskrepanzen zwischen der vom Grundgesetz vorgegebenen Wertordnung und der Verfassungswirklichkeit aus. Blieben sie lange Zeit bestehen, werde es nicht als Quelle für gesellschaftlichen Zusammenhalt wahrgenommen. Eine verfassungspatriotische Identitätsbildung werde dadurch erschwert. Problematisch erschienen ihr insofern die seit 34 Jahren unterschiedlichen Realitäten in Ost und West (etwa bei der Entlohnung) oder mit Blick auf 75 Jahre Grundgesetz bei den Bevölkerungshälften Männer und Frauen.

Tilmann Mayer, Institut für Wissenschaft und Soziologie, sprach sich dafür aus, das angeregte „Bundesprogramm Patriotismus“ zu entwickeln. Das sei angesichts des Zustandes der politischen Kultur in Deutschland besonders sinnvoll. Der wiedervereinigte, liberale Nationalstaat sei proeuropäisch ausgerichtet, nicht isonationalistisch auf sich selbst zurückgezogen, sondern integrativ angelegt.

Andreas Rödder, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, meinte, angesichts des neuen Ost-West-Konflikts sei ein positives Selbstbild eine unabdingbare Voraussetzung für die Selbstbehauptung der westlichen Demokratien. Das freiheitliche Gemeinwesen lebe von bestimmten Grundlagen, die sich in nationalen Symbolen wie Flagge oder Hymne und Institutionen wie Parlamenten, Feiertagen und Ritualen manifestierten. Sie seien mit Leben zu erfüllen und sichtbar zu machen. Er setzte sich ein für das Konzept eines weltoffenen, aufgeklärten Patriotismus. Der lade zu Identifikation und Integration ein. Das gelte für alle Deutschen und nicht zuletzt für diejenigen mit Migrationshintergrund.

Ulrich Wagner, ehemals Philipps-Universität Marburg, meinte, nationale Bindungen seien für den gesellschaftlichen Zusammenhalt notwendig. Insbesondere nationalistische Identifikationen stünden aber in der Gefahr, diejenigen, die nicht dazugehören, auszuschließen und damit die gesellschaftliche Spaltung voranzutreiben. Er schlug vor, bei der Ausgestaltung von Gedenktagen auch die Geschichte neu Hinzugekommener und die Inklusion Deutschlands in die EU und die Weltgemeinschaft in den Blick zu nehmen und nannte als möglichen Arbeitstitel: Tag des Grundgesetzes und der Menschenrechte.

Sabrina Zajak, Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung, begrüßte die Befassung des Ausschusses mit dem, wie sie ausführte, Vorschlag gegen die zunehmende Polarisierung und Fragmentierung der Gesellschaft und zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes und der Identifikation mit dem Grundgesetz sowie zur Integration der Menschen mit Migrationshintergrund vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. Der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Demokratie in Deutschland seien gefährdet. Die entscheidende Frage sei: Wie schaffen wir ein inklusives Wir?

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