Europaausschüsse von Bundestag und Nationalversammlung
Die EU-Erweiterung, der „Green Deal“ und die Sanktionspolitik gegen Russland haben am Mittwoch im Mittelpunkt der gemeinsamen Sitzung der Europaausschüsse von Bundestag und französischer Nationalversammlung gestanden. Die Vorsitzenden der Europaauschüsse beider Parlamente, Anton Hofreiter (Bündnis90/Die Grünen) und Pieyre-Alexandre Anglade (Renaissance), erinnerten an den jüngsten Besuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Deutschland, dessen programmatische Rede in Dresden sowie die Tagung der Regierungen in Meseberg. Die Treffen auf Ebene der Staatschefs und der Regierungen seien ein großer Erfolg gewesen, sagte Hofreiter. Dazu zählten neue Vereinbarungen über die gemeinsame Produktion von Rüstungsgütern, die angesichts des Krieges in der Ukraine größeres Augenmerk erhielten.
Der französische Vorsitzende hob aus der Erklärung von Meseberg hervor, dass sich die Regierungen darauf verständigt hätten, die Wettbewerbsregeln für die europäische Wirtschaft zu modernisieren, Innovationen zu fördern sowie eine Union der Kapitalmärkte mit gleichem Zugang für alle zu schaffen. Die Minister hätten außerdem die Bedeutung des „Green Deal“ als Strategie für eine CO2-arme Wirtschaft und für mehr Wachstum in Europa unterstrichen. Um die für die Energiewende nötigen Investitionen zu stemmen müsse man jenseits der bisherigen Mittel über weitere Instrumente der Kapitalbeschaffung nachdenken, bis hin zu der Möglichkeit, am Markt „gemeinsam Geld aufzunehmen“.
Nicht den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat in schwierigen Zeiten aus dem Blick zu verlieren, mahnte Angelika Glöckner (SPD). Die von der Politik behandelten Themen hätten direkte Auswirkungen auf den Geldbeutel der Menschen und müssten daher „mit dem sozialen Grundgedanken Europas zusammen gedacht“ werden.
Um Wirtschaft, Wachstum und Wohlstand in Europa zu erhalten, müsse die Europäische Union auch ihre Handelspolitik mit Drittländern stärker unter die Prämisse „Was nutzt es uns als EU?“ stellen und die Aushandlung neuer Verträge von zu vielen Aspekten, etwa in den Bereichen Umwelt und Soziales, entlasten, forderte Gunther Krichbaum (CDU).
Auf Lücken im europäischen Sanktionssystem gegenüber der russischen Regierung wies Chantal Kopf (Bündnis 90/Die Grünen) hin. Immer noch füllten Geschäfte mit nuklearen Brennstoffen und Flüssiggas die Kriegskasse des Kreml. Man müsse sich jetzt darüber austauschen, wie man diese Geschäfte unterbinden könne.
Bei der Erweiterung der EU um neue Staaten in Osteuropa gehe es angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine darum, diesen Ländern gerade jetzt eine Perspektive aufzuzeigen, sagte Sandra Weeser (FDP). Andererseits gelte es, im Beitrittsprozess Prioritäten in einzelnen Feldern zu setzen. Eine Reform müsse zudem die Handlungsfähigkeit einer erweiterten EU verbessern. Dazu gehöre die Abschaffung des Vetorechts im Ministerrat.
Die Europapolitik der deutschen und französischen Regierung sowie den Zeitpunkt des verschobenen Staatsbesuchs Macrons kurz vor den Europawahlen am 9. Juni kritisierte Norbert Kleinwächter (AfD). Das als Friedensprojekt proklamierte Europa liefere immer mehr Waffen, der „Green Deal“ werde fälschlicherweise als Wachstumsprojekt verkauft und unter russischem Druck treibe man die Osterweiterung voran.
Constance Le Grip (Renaissance) warb dafür, Missverständnisse zwischen beiden Ländern beim Thema Wettbewerbsfähigkeit zu überwinden. Es gehe darum, „gemeinsame europäische Einheiten“ zu schaffen, die auch global bestehen, ohne dass der Geist des Wettbewerbs verloren gehe. Schnell zu einer Einigung kommen müssten Deutschland und Frankreich außerdem beim Aufbau eines gemeinsamen Kapitalmarktes. In der europäischen Handelspolitik gelte es, einen nachhaltigen Ansatz zu verfolgen, der gleichzeitig die Interessen der Union in der Welt fördere.
Über zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten, darunter Eigenmittel der EU, um die „europäische Industrie- und Technologiebasis“ im Bereich der Rüstung und Verteidigung zu sichern, machte sich Sabine Thillaye (Démocrate) Gedanken. Deutschland und Frankreich spielten eine wichtige Rolle dabei, eine Zersplitterung des europäischen Rüstungsmarktes zu verhindern und damit Einsparungen zu erreichen.
Rodrigo Arenas (La France insoumise) mahnte, die gemeinsame Industriepolitik dürfe nicht zulasten der Klimaziele gehen. Bei der Osterweiterung der EU müsse man vermeiden, dass neue Pufferzonen entstehen, die verhinderten, friedliche Beziehungen zum Rest des Kontinents aufzubauen.
Die Perspektive der Grenzregion brachte Vincent Seitlinger (Les Républicains) ein. Auf dem Gebiet der Personen- und Arbeitnehmerfreizügigkeit habe man im Rahmen der Europäischen Union große Fortschritte erzielt. Gerade bei diesen Aspekten des Zusammenwachsens könne der deutsch-französische Motor ein Motor für die europäische Integration insgesamt sein.